Nur ein Auftrag??? by Michi
Summary: Zwei homosexuelle Waffenschmuggler sterben bei einem Autounfall. Um die Hintermänner zu finden, schlüpfen Gibbs und Tony in ihre Rollen, was für beide nicht gerade einfach werden wird.
Categories: Slash Characters: Abby Sciuto, Anthony DiNozzo, Donald Mallard, Jenny Shephard, Leroy Jethro Gibbs, Timothy McGee, Ziva David
Genre: Angst, Established relationship, First Time, Friendship, Humor
Pairing: Gibbs/DiNozzo
Warnings: None
Challenges:
Series: None
Chapters: 14 Completed: Yes Word count: 49633 Read: 66089 Published: 06/01/2007 Updated: 06/02/2007
Story Notes:
Das ist meine erste Tibbs und von daher sicher nicht so perfekt, wie ich es gerne hätte. Aber ich hoffe, sie gefällt euch trotzdem.
Die Story ist aus der Sicht von Tony geschrieben, aber Gibbs' Gedanken kammen auch nicht zu kurz.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

1. Chapter 1 by Michi

2. Chapter 2 by Michi

3. Chapter 3 by Michi

4. Chapter 4 by Michi

5. Chapter 5 by Michi

6. Chapter 6 by Michi

7. Chapter 7 by Michi

8. Chapter 8 by Michi

9. Chapter 9 by Michi

10. Chapter 10 by Michi

11. Chapter 11 by Michi

12. Chapter 12 by Michi

13. Chapter 13 by Michi

14. Chapter 14 by Michi

Chapter 1 by Michi
Author's Notes:
Zwei homosexuelle Waffenschmuggler sterben bei einem Autounfall. Um die Hintermänner zu finden, schlüpfen Gibbs und Tony in ihre Rollen, was für beide nicht gerade einfach werden wird.
In der Nähe von Washington D.C.
Dienstag, 17. Mai
01:47 Uhr


Es war eine wunderschöne Nacht mitten im Frühling. Der dunkle Himmel mit den abertausenden funkelnden Sternen überzog die ländliche Landschaft etwas außerhalb von Washington. Hier wurde das Bild von saftigen grünen Wiesen und Weiden bestimmt, nicht von Beton und Hochhäusern. Die Natur war noch unberührt und untertags konnte man die unterschiedlichsten Tiere bewundern.
Das Reh am Rand der zweispurigen Straße rupfte gerade Gras, um seinen Hunger zu stillen, als ein lautes Geräusch es aufblicken ließ. Scheinwerfer näherten sich mit einer rasenden Geschwindigkeit und tauchten die Umgebung in ein helles Licht. Ein Motor heulte auf und durchbrach die angenehme Stille mit einem Röhren. Kurz darauf schoss ein Sportwagen nur ein paar Zentimeter an dem Tier vorbei, das sich erschreckt in die Wiese flüchtete.
Im Inneren des Autos schallte Musik aus den Lautsprechern, sodass eine normale Unterhaltung kaum möglich war. Die einzige Beleuchtung kam von den Anzeigen am Armaturenbrett und tauchte den Fahrer in ein gespenstisches Licht. Es war ein Mann Mitte 40, dessen Haare bereits ergraut waren, aber nichtsdestotrotz war er attraktiv. Seine Augen hatten die Farbe guten Whiskeys und sein langer, durchtrainierter Körper steckte in einem teuren Anzug. Konzentriert blickte er auf die Straße und pfiff leise den Song mit, der aus dem Radio plärrte. Dass er fast mit einem Reh zusammengestoßen wäre, schien ihn nicht zu beeindrucken oder gar aus dem Konzept zu bringen.
Der Beifahrer hingegen klammerte sich entsetzt an dem Ledersitz fest und hatte das Gefühl, sein Herz würde jeden Moment aus seiner Brust springen. Er war jünger als der Fahrer, hatte braune zurückgegelte Haare, die in der schwachen Innenbeleuchtung schimmerten und seine grünen Augen blickten angstvoll auf die Straße. Im Gegensatz zu seinem Kumpel trug er eine normale Jeans und ein kariertes Hemd, deren obere Knöpfe offen standen und eine muskulöse Brust entblößten. Ein silberner Ring im rechten Ohrläppchen vervollständigte das Bild.
„Mann, James, musst du immer so rasen!" brüllte er über das Lied hinweg und schloss die Augen, als der Wagen in eine Kurve kam und kurz schlingerte. Der Angesprochene grinste breit und drehte die Lautstärke etwas herunter, damit er sich mit seinem Freund besser unterhalten konnte. „Mach dir nicht gleich in die Hosen, Many", sagte er und legte ihm liebevoll eine Hand auf den Oberschenkel. „Außerdem dachte ich, du willst genauso schnell in das Hotel wie ich." Für eine Sekunde löste er seinen Blick von der Straße und sah dem anderen in die Augen, der es gewagt hatte, sie wieder zu öffnen. Ein verheißungsvolles Funkeln lag in ihnen und dem Jüngeren rann ein wohliger Schauer über den Rücken. Die federleichte Berührung an seinem Bein führte dazu, dass ihm sämtliches Blut in seine Lenden schoss und er genießerisch seufzte. Die Finger wanderten weiter hoch und legten sich auf sein Prachtstück. „Wenn du so weiter machst, halte ich es nicht länger als ein paar Minuten aus." James grinste und nahm seine Hand wieder weg, um sie auf das Lenkrad zu legen. Wenn er ehrlich war, konnte er es ebenfalls nicht mehr lange warten, aber er wollte nicht in diesem Wagen über seinen Freund herfallen. Alleine die Enge in dem Auto hinderte ihn daran und außerdem bevorzugte er ein weiches Bett, wo sie sich so richtig austoben konnten.
Um sich von seinen erotischen Gedanken abzubringen, fragte Many: „Wann will uns dieser Typ kontaktieren?" „Irgendwann Mittwochnachmittag", kam die prompte Antwort. „Ich kann schon das ganze Geld riechen, das wir für diesen Auftrag bekommen und dann können wir uns dieses schöne Häuschen in der Toskana leisten." Beiden glitt ein Lächeln über das Gesicht bei dem Gedanken an die Villa, die sie vor einem Jahr entdeckt hatten, als sie Urlaub in Italien gemacht hatten.
Voller Vorfreude über die erfreulichen Zukunftsaussichten beugte sich der jüngere Mann auf die Fahrerseite und zog mit seiner Zunge eine feuchte Spur über James Hals. Aus einem Impuls heraus schloss dieser für einen Moment genießerisch die Augen – ein schwerer Fehler, wie sich kurz darauf herausstellte. Als er wieder freie Sicht hatte, tauchte erneut ein Reh im Scheinwerferlicht auf, nur diesmal nicht am Straßenrand, sondern in der Mitte der Fahrbahn. „Scheiße!" brüllte er und lenkte nach links. Da der Wagen mit einer hohen Geschwindigkeit dahinbrauste, verloren die Reifen den Bodenkontakt und das Fahrzeugheck brach aus. Many wurde gegen seinen Freund geworfen, der daraufhin komplett die Kontrolle verlor. Bevor die beiden überhaupt merkten, was los war, prallte das Auto mit voller Wucht gegen einen Baum. Glas splitterte und Metallteile flogen meterweit davon. Kurz darauf kehrte wieder Ruhe ein. Das Reh hatte bei dem lauten Knall die Flucht ergriffen und ließ ein komplett zerstörtes Wrack und zwei blutüberströmte Leichen zurück.


Washington D.C.
Dienstag, 17. Mai
14:56 Uhr


„Das ist jetzt nicht dein Ernst, Jen!" brüllte Gibbs so laut, dass beinahe die Fensterscheiben des Büros klirrten. Sein Gesicht spiegelte eher Entsetzen als Wut wider und er versuchte die Worte zu verdauen, die vor ein paar Sekunden sein Ohr erreicht hatten. Seine Laune sank auf den tiefsten Tiefpunkt, den es nur geben könnte, und die bereits heute Morgen unter dem Gefrierpunkt gelegen hatte, da er beim Aufwachen bemerkt hatte, dass es der Hochzeitstag mit Ex-Frau Nummer zwei war. Und der Auftrag, den ihm Madam Direktor soeben erteilt hatte, hatte ihm den Rest gegeben.
„Beruhige dich, Jethro", sagte sie mit sanfter Stimme. „Ich soll mich beruhigen?!" Der Chefermittler beugte sich vor und stützte sich mit beiden Armen auf dem Schreibtisch ab, um sein Gesicht nahe an jenes von seiner ehemaligen Geliebten zu bringen. Sie blickte ihm unerschrocken entgegen, auch wenn sie sich innerlich nicht so fühlte. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals und sie musste heftig schlucken, um ihn wieder loszuwerden.
„Du verlangst, dass sich zwei meiner Teammitglieder für diese Männer ausgeben?!" Nur mit Mühe zügelte er die Lautstärke und tippte mit dem Zeigefinger zuerst auf das eine, dann auf das andere Bild. „Nun, ich habe eher daran gedacht, dass du einer davon sein wirst und deinen Partner kannst du…" „Vergiss es, Jen! Such dir ein anderes Team dafür!" Sie seufzte und fuhr sich mit einer Hand durch ihre kurzen Haare, die ihr ein wenig das Aussehen eines gerupften Huhnes verliehen.
Als ihr mitgeteilt wurde, wer die beiden Toten waren, die man zu Ducky in die Pathologie gebracht hatte, hatte sie gewusst, dass es kein einfacher Fall werden würde. Die Idee mit dem Undercoverauftrag war auf ihrem Mist gewachsen, aber sie wusste, es war die einzige Möglichkeit, die Hintermänner zu finden und sie festzunehmen. Jen hatte geahnt, dass Gibbs nicht gerade begeistert sein würde, aber das er so aus der Haut fahren würde, damit hatte sie nicht gerechnet.
„Das geht nicht", erwiderte sie und stand auf, um zu der Bar zu gehen, die gegenüber ihrem Schreibtisch stand. Jetzt brauchte sie einen starken Drink, sonst würde sie diese Auseinandersetzung nicht überleben. Wieso musste sich der Mann immer gleich so aufregen? Obwohl, ein wenig verstand sie ihn auch. Es war nicht gerade leicht, was sie von ihm verlangte.
„Und wieso nicht?" fragte Gibbs und lehnte sich an die Kante des Tisches, auf dem die Akten der beiden Toten lagen, die heute morgen in einem komplett zerstörten Sportwagen gefunden worden waren. „Weil dein Team nun mal das Beste ist, was der NCIS zurzeit hat und das weißt du genauso gut wie ich." Sie nahm das Glas Whiskey und trank einen extra großen Schluck. Der Alkohol brannte in ihrer Kehle und Wärme breitete sich in ihrem Magen aus. „Und ihr habt eine gewisse Erfahrung, wenn es um Undercovereinsätze geht."
Der Ermittler drückte sich ab und kam auf die rothaarige Frau zu. „Ja, aber wir haben keine Erfahrung damit, sich als homosexuelle Waffenschmuggler auszugeben." Seine Stimme troff vor Sarkasmus. Für einen kurzen Augenblick schloss er seine Augen und hatte das Bild des einen toten Mannes vor sich, der eine erschreckende Ähnlichkeit mit ihm hatte, obwohl man bei näherem Hinsehen deutliche Unterschiede feststellen konnte. Es schüttelte ihn, wenn er auch nur daran dachte, so zu tun, als ob er auf Männer stehen würde. Und vor allem, wer aus seinem Team würde da mitmachen? Tony stand definitiv auf Frauen und McGee war noch ein Frischling und fing schon zu stottern an, wenn er ihm einen bösen Blick zuwarf. Aber dann rief er sich den zweiten toten Mann ins Gedächtnis, der ein wenig aussah wie DiNozzo, jedenfalls von der Größe, Statur und Augenfarbe her. Schon alleine die Vorstellung mit seinem Agent Händchen haltend durch die Straßen zu gehen, bereitete ihm Übelkeit.
„Das ist unsere einzige Chance, endlich die Hintermänner zu finden. Und denk daran, was diese Waffen anrichten können, wenn sie erstmal verkauft sind. Die sind für Terroristen bestimmt, die damit unschuldige Menschen ermorden. Und jetzt frage ich dich, kannst du das mit deinem Gewissen vereinbaren?" Jen blickte ihn scharf an und setzte sich dann wieder in ihren Stuhl. Gibbs rührte sich nicht vom Fleck. Seine Vorgesetzte hatte Recht, das wusste er. Aber würde er es schaffen, so zu tun, als ob er auf Männer stehen würde? Vielleicht Küsse austauschen? Dann dachte er an all die Kinder, die durch diese Waffen umkommen könnten, oder deren Eltern, so das die Kleinen dann Vollwaisen waren.
Seufzend traf er eine Entscheidung und drehte sich zu der Direktorin um. „Ich…" begann er, wurde aber unterbrochen. „Jetzt fang nicht wieder an, dich herauszureden, Jethro. Wenn du es nicht freiwillig machst, dann sieh es als einen Befehl deiner Vorgesetzten an. Und du weißt, was passiert, wenn du einen Befehl missachtest." „Ich kann mir einen neuen Job suchen", erwiderte er zynisch. „Aber diese ganzen Worte hättest du dir sparen können, indem du mich ausreden lassen hättest." Jen kniff misstrauisch ihre Augen zusammen. „Ich wollte vorher sagen, dass ich den Undercoverauftrag übernehme." Überrascht zog sie ihre Brauen in die Höhe. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. „Es ist eine Erleichterung, das zu hören", meinte sie und verschränkte ihre Hände auf der Tischplatte. Innerlich hatte sie gewusst, dass Gibbs schließlich zustimmen würde, aber dass es so schnell gehen würde?
„Aber ich werde meine Methoden anwenden, Jen, dass das klar ist. Und ich werde bestimmen, mit wem ich mich als… homosexueller Waffenschmuggler ausgebe." „Ich hätte auch nichts anderes erwartet. Auf wen ist deine Wahl gefallen?" Jethro schloss kurz die Augen. Dafür würde er sich später sicher hassen. „Agent DiNozzo. Er hat noch am meisten Ähnlichkeit mit einem der Toten. Aber ich muss vorher noch mit ihm reden. Und glaub mir, es wird nicht leicht sein, ihn zu überzeugen, zumal er sehr vom weiblichen Geschlecht angetan ist." Zufrieden lehnte sich Jen in ihrem Stuhl zurück und lächelte. „Du wirst das schon hinkriegen." Der Chefermittler erwiderte nichts mehr darauf, sondern schnappte sich die beiden Akten, stopfte die Fotos hinein und verließ eilig das Büro. Mit einem Knall schloss er die Tür hinter sich.
Er hatte gewusst, dass dieser Tag noch schlimm werden würde. Im Vergleich zu dem Auftrag war der Hochzeitstag mit Ex-Frau Nummer zwei ein Kinderspiel. Mit großen Schritten ging er an Jens Sekretärin vorbei und lief fast zu den Stufen, die ihn ins Großraumbüro hinunterbringen würden. Auf dem oberen Treppenabsatz blieb er stehen und blickte auf Tony, der seine Füße auf den Schreibtisch gelegt hatte und telefonierte. „Auf was habe ich mich da nur eingelassen?", murmelte er und setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Auf einmal hatte er es gar nicht mehr eilig, zu seinem Team zu kommen und bevor er mit DiNozzo reden konnte, brauchte er eine Dosis Koffein, aber eine Doppelte. Die kleine Kaffeepause würde er nützen, um sich zurechtzulegen, was er sagen sollte, um seinen Agent dazuzubewegen, mit ihm ein Pärchen zu spielen. ‚Womit habe ich das nur verdient?' dachte er und entschied sich, die Schuld auf seinen Hochzeitstag zu schieben.

Fortsetzung folgt...
End Notes:
Das ist meine erste Tibbs und von daher sicher nicht so perfekt, wie ich es gerne hätte. Aber ich hoffe, sie gefällt euch trotzdem.
Die Story ist aus der Sicht von Tony geschrieben, aber Gibbs' Gedanken kammen auch nicht zu kurz.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Chapter 2 by Michi
„Jetzt komm mir nicht wieder mit so einer fadenscheinigen Ausrede!" schrie meine derzeitige Freundin so laut ins Telefon, dass ich die Befürchtung hatte, mein Trommelfell werde gleich platzen. Ziva, die ihren Platz direkt gegenüber von mir hatte, konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen, als ich den Hörer ein wenig von meinem Ohr weg hielt.
„Beruhige dich, Melinda", versuchte ich die Situation ein wenig zu entspannen, nur schien sie diesmal wirklich auf 180 zu sein. Ich sah die junge Frau vor mir, wie sie in ihrer kleinen Wohnung auf und ab trippelte, ihre langen Beine in hochhackige Pumps gezwängt, die farblich zu dem engen Minirock passten. Ihr süßer runder Po würde bei jedem Schritt hin und her wackeln und sicher ringelte sie sich gerade eine Strähne ihrer langen blonden Locken um einen ihrer Finger, während sie mit schriller Stimme mit mir schimpfte.
„Ich soll mich beruhigen?!" kreischte sie so laut, dass ich zusammenzuckte. „Wir haben diesen Abend seit einer Woche geplant und du hast mir versprochen, da zu sein! Wenn du nicht mit mir zusammen sein willst, dann sag es doch gleich!" Ich verdrehte meine Augen gen Himmel und betete, dass endlich Rettung nahen würde, egal in welcher Form. „Brauchst du Hilfe?" fragte meine Kollegin und grinste noch breiter. Ich schnitt ihr eine Grimasse und widmete mich erneut dem Problem namens Melinda. „Natürlich will ich mit dir zusammen sein, Baby", erwiderte ich und fragte mich gleichzeitig, ob das überhaupt stimmte. Was faszinierte mich eigentlich an dieser Frau – außer ihr üppiger Vorbau? Nun, ihre nervtötende Stimme war es garantiert nicht.
„Nenn mich nicht Baby, wenn wir uns streiten!" Ich war jetzt echt kurz davor, einfach aufzulegen. Was regte sie sich überhaupt so auf? Okay, wir hatten wirklich seit einer Woche vorgehabt, an diesem Abend gemeinsam essen zu gehen, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass Gibbs uns gleich zu Überstunden verdonnerte, nur weil wir einen neuen Fall bekommen hatten.
Kaum hatte ich an den Chefermittler gedacht, stand er auch schon vor mir und starrte finster auf mich herunter, zweifelsohne, weil ich die Füße auf dem Tisch hatte. Ich schluckte den Kloß hinunter, der sich in meinem Hals urplötzlich gebildet hatte und setzte mich sofort aufrecht hin. Sein Blick war wieder einmal mehr als tödlich und so hielt ich es für besser, nicht so auszusehen, als ob ich hier rumlümmeln würde.
„Mitkommen, DiNozzo", befahl der Chefermittler knapp und der Ton in seiner Stimme ließ keine Verzögerung zu. Wollte er mich jetzt bestrafen, nur weil ich die Füße auf dem Tisch gehabt hatte? Oder hatte ich sonst irgendetwas angestellt, von dem ich noch nichts wusste?
„Hör zu, ich muss Schluss machen. Wir…" „Wage es ja nicht, aufzulegen!" kreischte mir Melinda erneut ins Ohr. „Sofort!" befahl Jethro und ging davon. Ich wusste, wenn ich ihn nicht rechtzeitig einholen würde, bevor er sein Ziel erreichte – wo das auch immer sein mochte – konnte ich mich auf eine Kopfnuss der Superlative gefasst machen. „Wir reden später weiter", sagte ich und legte auf, ohne auf eine Antwort zu warten. Erleichtert darüber, dieses Gespräch endlich hinter mich gebracht zu haben, stand ich auf und eilte Gibbs nach, der bereits hinter der nächsten Ecke verschwunden war.
Verwundert registrierte ich, dass er einen der Verhörräume ansteuerte, die Tür aufmachte und mir ungeduldig entgegenblickte. „Heute noch, Tony." ‚Der ist wohl heute Morgen mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden', dachte ich und betrat den spärlich eingerichteten Raum. Unwillkürlich dachte ich daran, wie ich hier gesessen hatte und verhört wurde, weil man mich wegen Mordes verdächtigt hatte. War ich denn schon wieder in so eine Situation geraten? Wenn dem so wäre, würde ich jetzt lieber die Auseinandersetzung mit Melinda fortführen. Ich hatte jedoch keine Chance zur Flucht, denn der Chefermittler warf die Tür mit einem lauten Krachen, das mich zusammenzucken ließ, ins Schloss und schmiss die beiden Akten, die er in der Hand gehalten hatte, auf den Tisch. Anschließend trank er einen großen Schluck Kaffee, atmete tief durch und schien sich langsam zu beruhigen. Da er immer noch keine Anstalten machte, ein Wort zu sagen, überlegte ich, weshalb er so schlecht gelaunt war und da kam mir plötzlich in den Sinn, dass heute sein Hochzeitstag mit Ex-Frau Nummer zwei war. Und ich hatte das Vergnügen, mit ihm alleine in dem Verhörraum zu sein, ohne Hilfe in Sicht.
Die Stille wurde immer drückender und so beschloss ich, den Anfang zu machen, in der Hoffnung, ich würde meinen Kopf behalten. „Weshalb wolltest du mich sprechen?" fragte ich und stellte erleichtert fest, dass sich Gibbs nicht auf mich stürzte, sondern sich auf einen Stuhl niederließ. „Setz dich", sagte er überraschend ruhig, und das Gefühl, irgendetwas angestellt zu haben, verstärkte sich noch mehr. „Habe ich etwas verbrochen?" Über Jethros Gesicht huschte ein kurzes Lächeln und er erwiderte: „Wie kommst du darauf?" „Nun, wir sind hier in einem Verhörraum, du hast Akten dabei und siehst aus, als ob dir eine gemeine Laus über die Leber gelaufen ist. Könnte aber auch daran liegen, dass dich sicher Ex-Frau Nummer zwei…" „Setz dich, DiNozzo", unterbrach er mich und blickte mich aus funkelnden blauen Augen an. Die Tatsache, dass ich beinahe seinen Hochzeitstag erwähnt hätte, schien ihn nicht sonderlich aus der Bahn zu werfen, was mich ein wenig beunruhigte.
Zögernd ließ ich mich auf dem anderen Stuhl nieder und stellte erleichtert fest, dass ich mit dem Rücken zu dem Einwegspiegel saß, was bedeutete, ich war nicht hier, um verhört zu werden.
„Ich hatte gerade eine nette Unterredung mit Direktor Sheppard", begann Gibbs und trank erneut einen Schluck Kaffee. Da ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte, schwieg ich und wartete, dass er fortfahren würde. Er öffnete die beiden Akten, holte zwei Bilder daraus hervor und drehte sie mir zu, so dass ich die beiden Gesichter mustern konnte, die mit Schnittwunden übersät waren. „Die wurden heute bei Ducky abgeliefert, oder?" fragte ich. Zu diesem Zeitpunkt waren wir ebenfalls in der Pathologie, da wir uns das Ergebnis der Autopsie von einem ermordeten Commander anhören wollten. Verwirrt blickte ich zu dem Chefermittler. „Was haben wir damit zu tun? Dieser Fall wurde uns nicht übertragen." „Jetzt schon." Er trank seinen Kaffee aus und stellte den leeren Becher neben sich. „Und was ist mit unserem Fall?" „Den übernimmt ein anderes Team." Schön und gut, aber das erklärte noch lange nicht, weshalb er mich alleine sprechen wollte, noch dazu in einem Verhörraum.
„Die Namen der beiden lauten Rafe Cooper…", Gibbs zeigte auf den Mann mit den grauen Haaren „… und Nathan Edison. Jedenfalls steht das in ihrem Pass." „Falsche Identitäten?" fragte ich. „Ja. Es wurden die Fingerabdrücke überprüft und insgesamt kamen 10 Namen dabei heraus. Jedes mal haben sie ihr Aussehen ein wenig verändert und sich neue Namen zugelegt. Die beiden Männer sind gesuchte Waffenschmuggler." „Und wieso übernimmt nicht die Polizei den Fall?" wollte ich wissen und betrachtete stirnrunzelnd die Bilder. „Weil sie militärische Waffen schmuggeln, besonders solche, die aus den Beständen der Navy verschwinden." „Wie sind sie gestorben?" „Bei einem Autounfall heute Nacht. Anscheinend ist der Wagen wegen überhöhter Geschwindigkeit von der Straße abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Direktor Sheppard ist der Ansicht, dass sich die beiden nicht zufällig hier aufhielten, sondern dabei waren, einen Auftrag auszuführen." Mein Gesicht hellte sich auf und Freude durchflutete mich. Kam jetzt das, was ich dachte, das jetzt kam?
Gibbs schien zu ahnen, was in mir vorging, denn er schüttelte leicht den Kopf und fuhr fort: „Wir sollen uns als Rafe Cooper und Nathan Edison ausgeben, um so an die Hintermänner ran zu kommen." Ein breites Grinsen huschte über mein Gesicht und ich erwiderte: „Klasse. Ich liebe Undercovereinsätze." Das würde sicher aufregend werden, das spürte ich genau. Aber die nächsten Worte holten mich auf den Boden der Tatsachen zurück. „Freu dich nicht zu früh, DiNozzo. Ich habe dir noch nicht alles erzählt." Verwirrt hob ich eine Augenbraue. Was kam denn noch? Gibbs räusperte sich und er fuhr sich mit einer Hand durch seine Haare. Täuschte ich mich, oder wirkte er eine Spur verlegen? „Die beiden da…", er deutete auf die Bilder, „… waren ein Paar." Zuerst dachte ich, ich hätte mich verhört, aber seine Miene ließ keinen Zweifel zu. „Du meinst, sie waren schwul?" „So direkt wollte ich das eben nicht ausdrücken. Aber ja, das waren sie." „Oh", meinte ich dazu und auf einmal wurde mir bewusst, was das bedeutete. „Das ist jetzt nicht dein Ernst." „Das habe ich zu Jen auch gesagt." Ich konnte gerade noch verhindern, dass mir der Unterkiefer auf die Tischplatte krachte. Meine Freude über den Undercovereinsatz hatte sich in Entsetzen umgewandelt. „Also, wir beide sollen…", begann ich, brach aber ab, weil ich die Worte nicht über meine Lippen brachte. Allein die Vorstellung, mich als jemanden auszugeben, der auf Männer stand, fand ich abartig. Jethro lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schien erleichtert, endlich die Worte losgeworden zu sein. „Damit ich das richtig verstehe", wagte ich einen erneuten Versuch, wobei meine Stimme ungewohnt kratzig klang. „Direktor Sheppard will, dass wir beide uns als homosexuelle Waffenschmuggler ausgeben? Sie will, dass wir so tun, als wären wir ineinander verliebt und ein Paar?" Gibbs nickte zur Bestätigung und ich lachte daraufhin laut auf, obwohl mir gar nicht danach zu Mute war.
„Vergiss es, Boss. Frag doch McGee, ob er da mitmacht." „Seien wir ehrlich, McGee würde doch gar nicht zu mir passen", erwiderte er und blickte mich aus seinen blauen Augen an. „Außerdem hat er nicht einmal entfernt Ähnlichkeit mit einem dieser Männer." „Etwa ich?" fragte ich etwas zu laut. Das Ganze war doch der reinste Witz. Wie konnte die Direktorin nur für eine Sekunde annehmen, ich würde da mitmachen?
„Ein wenig schon", sagte der Chefermittler ungewohnt sanft. Ich schnaubte verächtlich. „Verdammt, Tony, meinst du, mir gefällt das? Aber es ist nun mal unsere einzige Möglichkeit, an die Hintermänner ran zu kommen. Und denk daran, was diese Waffen anrichten, wenn sie in die falschen Hände geraten – was sie ohne Zweifel auch werden." „Das ist nicht fair", murmelte ich. „Ich weiß, aber genauso hat mich Jen auch dazu gebracht, bei diesem Irrsinn mitzumachen." Sollte mich dieses Geständnis etwa umstimmen? Unwillkürlich sah ich Gibbs und mich vor mir, wie wir Hand in Hand eine Straße entlanggingen und hin und wieder zärtliche Küsse austauschten. Mich schüttelte es und ich fuhr mir über die Augen, um dieses Bild aus meinem Kopf zu vertreiben.
„Das ist doch absurd", sagte ich. „Ich kann doch nicht so tun, als ob ich schwul wäre. Weiß Direktor Sheppard nicht… ich meine, ihr ist schon klar, dass ich auf Frauen stehe, oder?" „Glasklar, genauso wie mir." Ich schüttelte den Kopf und blickte auf die Tischplatte. „Für mich ist das Ganze auch nicht einfach – zumal du nicht rothaarig bist." Abrupt sah ich auf. „Das ist nicht witzig, Boss." „Wie dem auch sei, vielleicht hilft es dir, eine Entscheidung zu fällen, wenn du weißt, dass die beiden eine Suite im Four Seasons reserviert haben." Mir klappte der Mund auf und ich spürte, wie ich weich wurde. „Im Four Seasons? Eine Suite?" Ich kam mir wie ein Papagei vor, da ich seine Worte wiederholte. „Ja, und der NCIS würde die Kosten übernehmen." Unwillkürlich fing ich zu grinsen an, als ich daran dachte, wie ich von vorne bis hinten bedient wurde, wahrscheinlich von hübschen Kellnerinnen und dann erst die Zimmermädchen. Aber dann fiel mir wieder ein, dass ich denen ja nicht nachsehen durfte, immerhin wäre ich ja... Nein, ich würde den Satz jetzt nicht vollenden.
Ich blickte zu Gibbs, der mich erwartungsvoll musterte. „Müssen wir im selben Bett schlafen?" fragte ich und dachte an das Schlafzimmer, in dieser bestimmt großartigen luxuriösen Suite. „Wahrscheinlich. Wir müssen ja den Schein wahren." Ich schluckte. „Und was ist mit… du weißt schon…" Ich beugte mich ein wenig vor, aus Angst, irgendwer könnte uns belauschen. „… Händchen halten oder… ein wenig kuscheln?" Bei diesen Worten kam ich mir mehr als albern vor und schon allein bei der Vorstellung so zu tun, als ob ich meinen Boss lieben würde, verspürte ich den Drang, laut loszuschreien. Aber Gibbs schien sich ebenfalls nicht wohl in seiner Haut zu fühlen, was mich ein wenig beruhigte. „Nur wenn es die Situation erfordert. Und, machst du es?" Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen. Später würde ich mich sicher dafür hassen. „Dafür bekomme ich aber eine fette Gehaltserhöhung." Ein Lächeln huschte über seine Züge und er sagte: „Mal sehen. Also kann ich Direktor Sheppard sagen, dass du dabei bist?" Ich seufzte und nickte. „Ja, das kannst du ihr sagen." Er stand auf und ich erhob mich ebenfalls. Auf einmal kam mir der Raum sehr klein vor und ich brauchte dringend frische Luft. Ich eilte zu der Tür, riss sie auf und stürmte auf den Gang hinaus. „Tony?" Gibbs' Stimme ließ mich inne halten und ich drehte mich noch einmal um. Er stand hinter mir, den leeren Kaffeebecher in der einen Hand, die Akten in der anderen. „Wir treffen uns in 20 Minuten bei Abby." Ich nickte, als Zeichen dafür, dass ich ihn verstanden hatte, und eilte davon. Vorbei an McGee und Ziva, die mir sicher verwundert hinterher sahen und zum Treppenhaus, denn der Fahrstuhl war mir jetzt definitiv zu langsam.
Immer wieder spukten mir dieselben Wörter im Kopf herum: Ich, Anthony DiNozzo, würde so tun, als ob ich homosexuell wäre. Das war der Witz schlechthin. Aber wenigstens würde das Ganze im Four Seasons über die Bühne gehen – eine kleine Entschädigung für die Strapazen, die sicher auf mich zukommen würden. ‚Womit habe ich das nur verdient?' fragte ich mich und entschied, die Schuld auf meine Auseinandersetzung mit Melinda zu schieben.

Genau 19 Minuten nach dem Gespräch mit Gibbs betrat ich Abbys geheiligte Hallen, mit einem Kaffeebecher in der Hand. Normalerweise trank ich ihn mit Haselnusssirup, aber heute brauchte ich ihn schwarz und stark. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich bei diesem Undercovereinsatz mitmachte. Aber Jethro hatte Recht, wenn er behauptete, McGee würde nicht zu ihm passen. Er war einfach nicht der Typ, dem man eine homosexuelle Rolle abkaufen würde und er hatte wirklich keine Ähnlichkeit mit einem der Toten. Schon alleine die Vorstellung, die beiden würden in einer Ecke wild knutschen, war lachhaft. Aber der Gedanke, dass mir das passieren könnte, hatte mich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und hatte dazugeführt, dass ich mich jetzt mit Koffein voll pumpte, obwohl mir der Sinn nach etwas Hochprozentigem stand. Nur wäre es nicht angebracht, wenn ich diesen Einsatz stockbetrunken angehen würde, auch wenn es ihn sicher um einiges leichter machen würde.
Mit der Hoffnung im Gepäck, in den nächsten Tagen Gibbs nicht küssen zu müssen, trat ich vollends in den Raum und erst jetzt bemerkte ich, dass keine laute Musik mein Gehör peinigte. Normalerweise dröhnte ein Song aus den Lautsprechern, von dem man den Text nur erahnen konnte, aber heute war alles still. Eine Sekunde später kannte ich den Grund. Ziva und McGee standen bei Abby und sahen mir mit neugierigen Blicken entgegen. Die leicht fassungslose Miene Tims, das kleine Zucken um Davids Mundwinkel und das erwartungsvolle Grinsen der Forensikerin verrieten mir, dass sie bereits über den Einsatz Bescheid wussten. Wenigstens würde es mir erspart bleiben, sie aufzuklären, dass ich in den nächsten Tagen schwul wäre – eine Tatsache, mit der ich mich immer noch nicht anfreunden konnte und es nie würde.
„Was ist?" fragte ich und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Habe ich irgendwo einen schwarzen Fleck in meinem Gesicht, oder weshalb starrt ihr mich alle so an?" McGee musterte daraufhin verlegen seine Schuhe und Ziva gab es vollends auf, ihr Grinsen zurückhalten zu wollen. Abby hingegen kam auf mich zu und nahm mich fest in den Arm. „Das ist so tapfer von dir, Tony", sagte sie und drückte mich an sich. „Dass du so etwas machst." „Ja, das hätten wir dir alle nie zugetraut", mischte sich die junge Agentin ein. „Es muss für dich sehr schwer sein, so zu tun, als ob du auf Männer stehen würdest." Sie kicherte hinter vorgehaltener Hand. „Freut mich, dass du dich köstlich amüsierst. Stell dir vor, Gibbs hätte meinen Vorschlag angenommen und McGee zu seinem Partner auserkoren", sagte ich, als mich Abby wieder losgelassen hatte. „Was?" Tim hob abrupt seinen Kopf und starrte mich erschrocken an. „Du hast mich schon richtig verstanden, Bambino. Aber der Boss hätte gemeint, dass du…" Bevor ich jedoch den Satz zu Ende bringen konnte, traf mich harter Klaps auf den Hinterkopf. „Wenn es nach mir ginge, würde keiner bei diesem idiotischen Einsatz teilnehmen", sagte Gibbs leise hinter mir. Er ging an mir vorbei, trank einen Schluck aus seinem Kaffeebecher und wandte sich an Abby: „Wie weit bist du?" Aufgeregt hüpfte sie zu ihrem Computer und tippte etwas in die Tastatur. „Ich bin gerade dabei, eure Fingerabdrücke unter den neuen Decknamen zu speichern. Die Pässe und Führerscheine sind in Arbeit." Sie blickte auf ihre Armbanduhr. „Sie müssten in etwa drei Stunden fertig sein. Und da wäre noch etwas." Die junge Frau drehte sich um und blickte mich an. Das Funkeln in ihren Augen gefiel mir gar nicht und so beschloss ich, erst einmal einen Schluck Kaffee zu trinken, der bereits leicht ausgekühlt war. „Nathan Edison oder wie sein richtiger Name auch immer lauten mag, das wissen wir ja nicht, da er oft seine Identität gewechselt hat und keiner kann deshalb sagen, wie…" „Abbs!" unterbrach ich sie in bester Gibbs Manier. „Komm auf den Punkt." „Tschuldigung. Also, was ich damit sagen wollte, ist, dass dieser Mann einen Ohrring trägt. Und, na ja…" Sie verzog ihren dunkel geschminkten Mund ein wenig, „… du hast keinen." „Das ist mir bewusst", erwiderte ich, aber dann dämmerte mir, was sie damit sagen wollte. „Nein, nein und nochmals nein. Da muss es eine andere Lösung geben." „Tut mir leid", meinte Abby, tippte etwas in ihre Tastatur und auf dem Plasmabildschirm erschienen 10 Bilder von Nathan Edison. „Jedes Mal hat er sein Aussehen geändert, also, sich die Haare wachsen oder schneiden lassen, färbige Kontaktlinsen benutzt, solche Sachen eben, aber er hat immer diesen silbernen Ohrring getragen. Tja, und es wäre schon ein wenig auffällig, wenn er plötzlich kein Loch mehr im Ohr hätte." Ich schluckte, trank meinen Kaffee in einem Zug aus und schmiss den Becher in den nächstbesten Mülleimer.
„Hast du etwa Angst vor dem einen kleinen Piekser, Tony?" fragte Ziva eine Spur gehässig und grinste mich an. „Nein, habe ich nicht, Officer David. Aber ich bevorzuge es, keine Löcher in meinem Körper zu haben, egal welcher Art." „Jetzt stell dich doch nicht so an", mischte sich die Forensikerin ein. „Es tut nicht sonderlich weh und außerdem kannst du den Ohrring nach dem Einsatz wieder entfernen und es wird nach einiger Zeit wieder zuwachsen. Und wer weiß, vielleicht gefällt es dir sogar nach ein paar Tagen und du lässt ihn drinnen. Ich finde, er wird dir garantiert stehen. Ich meine, du bist einfach der Typ, der…" „Abbs", unterbrach sie diesmal Gibbs und sah mich schließlich abwartend an.
„Ich schätze mal, ich sollte froh sein, dass er kein Augenbrauenpiercing hat." „Heißt das, du machst es?" „Wenn ich schon so tue, als ob ich homosexuell wäre, dann ist so ein Ohrring noch das kleinere Übel." „Klasse." Abby sprang aufgeregt auf und ab, was mir gegen meinen Willen ein Lächeln auf die Lippen zauberte. „Dann hol ich mal die Ausrüstung. Die hat mir vor Jahren einmal ein Freund besorgt und seither habe ich einigen Bekannten bereits jeglichen Körperschmuck verpasst." „So genau wollte ich das nie wissen", meinte Gibbs und trank seinen Kaffee aus. Die Forensikerin eilte in den anderen Raum und fing an, in einem Schrank zu kramen.
„Und was ist unsere Aufgabe bei diesem Einsatz?" fragte McGee. „Du wirst im Hauptquartier die Stellung halten und von hier den Einsatz koordinieren", antwortete Jethro und schmiss den Becher weg. „Und Ziva wird sich als Zimmermädchen ausgeben." Mir entfuhr ein lauter Lacher, als ich ihr entsetztes Gesicht sah. „Das ist nicht dein Ernst, Gibbs", sagte sie. „War an meinen Worten etwas misszuverstehen, Officer David?" Er funkelte sie aus seinen blauen Augen an und ich genoss es, einmal nicht derjenige zu sein, der in diesen Genuss kam. „Kann das nicht McGee machen? Er hat doch das letzte Mal den Zimmerservice perfekt gespielt und…" „Du wirst um 18 Uhr im Four Seasons sein und die Suite, die sich Rafe Cooper und Nathan Edison reserviert haben, auf Wanzen durchsuchen." Nach schier endlosen Sekunden nickte sie. Anschließend wandte sich der Chefermittler mir zu. „Direktor Sheppard besorgt uns einen Sportwagen. Nicht dasselbe Modell, was die beiden gefahren haben, aber ein ähnliches." Mein Grinsen wurde noch breiter, bei der Vorstellung, hinter dem Lenkrad eines ultraschnellen Autos zu sitzen. „Um 19 Uhr werden wir von hier abfahren. Bis dahin kannst du die Zeit nutzen, und dir alles besorgen, was du in den nächsten Tagen so brauchst. Hat noch wer Fragen?" „Nein", antwortete Ziva und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich sah sie schon vor mir, in der Uniform der Zimmermädchen, wie sie im Bad die benützten Handtücher gegen Neue austauschte.
Ohne ein weiteres Wort verließ er das Labor, zweifelsohne, um sich einen weiteren Becher Kaffee zu besorgen. Abby kam gleich darauf zu uns zurück, mit einem Gerät in der Hand, was mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Aber da meine beiden Kollegen immer noch anwesend waren, wollte ich nicht zeigen, wie mulmig mir zu Mute war.
Die Forensikerin ging zu einem Tisch, nahm einen kleinen Gegenstand und gab ihn mir kurz darauf. „Hier", sagte sie. Es war ein silberner Ohrring. „Ist das etwa der gleiche, den dieser Edison getragen hat?" „Ja. Aber keine Sorge, ich habe ihn vorher desinfiziert." „Klasse." Misstrauisch betrachtete ich den Ring, den zuvor ein Toter getragen hatte.
„Es wäre besser, wenn du dich setzen würdest." Widerstrebend ließ ich mich auf einen Stuhl nieder. „Und du bist sicher, dass du weißt, was du tust." „Keine Bange, Tony, ich bin ein Profi." Abby nahm mit einer Hand mein rechtes Ohrläppchen und setzte das Mörderinstrument an. In mir stieg ein wenig Angst auf, denn ich hatte die Befürchtung, dass es trotzdem schmerzen würde. Ich schluckte, schloss die Augen, um die interessierten Mienen von Ziva und McGee auszublenden, und wartete darauf, dass sie sich an die Arbeit machte – was sie ein paar Sekunden später auch tat.

Fortsetzung folgt...
Chapter 3 by Michi
Washington D.C.
19:05 Uhr


„Weißt du überhaupt, wie man einen Wagen fährt, der keine Automatik hat?" fragte ich Gibbs, der sich hinter das Steuer des roten Flitzers setzte, den uns Direktor Sheppard besorgt hatte. Meine Hoffnung, das Auto fahren zu dürfen, hatte sich nicht erfüllt, da er Jen die Schlüssel beinahe aus der Hand gerissen hatte, bevor ich auch nur die Gelegenheit dazu gehabt hatte, danach zu greifen.
„Steig endlich ein, DiNozzo", schallte mir seine Stimme aus dem Inneren entgegen und widerwillig ließ ich mich auf dem Beifahrersitz nieder. „Dir ist schon bewusst, dass du jetzt ein Pedal mehr hast und du die Kupplung…" Bevor ich den Satz beenden konnte, beugte er sich zu mir herüber, warf mir einen bösen Blick aus seinen blauen Augen zu und versetze mir blitzschnell einen Klaps auf den Hinterkopf.
„Willst du fahren?" wollte er wissen, während ich mir die schmerzende Stelle rieb, und steckte den Schlüssel ins Zündschloss. „Allerdings." „Vielleicht im nächsten Leben", meinte er mit einem kleinen Lächeln, startete und ließ den Motor aufheulen. Das laute Geräusch musste in der gesamten Tiefgarage des NCIS zu hören sein. „Schnall dich an!" befahl Gibbs und trat auf das Gaspedal, wodurch der Wagen prompt auf die Ausfahrt zuschoss. „Das ist nicht dein Dienstwagen", sagte ich ein wenig ängstlich und versuchte mir den Gurt zu angeln, während ich unsanft in den Ledersitz gepresst wurde. „Der hat mehr als 200 PS unter die Haube, also wäre es angebracht, wenn du es etwas langsamer angehen lässt." „Willst du zu Fuß gehen?" „Nein." „Dann halt deinen Mund." Er warf einen kurzen Blick nach rechts und links und fuhr dann unter lautem Reifengequietsche auf die Straße hinaus.
Um mein wild klopfendes Herz ein wenig zu beruhigen, blickte ich in den Seitenspiegel und betrachtete meinen neuen Körperschmuck. Abby hatte Recht gehabt mit ihrer Aussage, sie wäre ein Profi. Innerhalb von Sekunden war sie fertig gewesen und es hatte gar nicht so wehgetan, wie ich zuerst vermutet hatte. Jetzt, Stunden später, war mein Ohr nur noch ein wenig gerötet und fühlte sich auch nicht mehr so heiß an. Mittlerweile musste ich gestehen, dass mir der Ohrring gar nicht mal so schlecht stand. Ich hatte das Gefühl, dass er mir ein cooleres Aussehen verlieh – zweifelsohne ein Vorteil für meine neue Identität, genauso wie die schwarze Lederjacke, die ich aus meinem Schrank hervorgekramt hatte. Die hatte ich seit Jahren nicht mehr getragen, aber es nie über das Herz gebracht, sie wegzuschmeißen. Mein Outfit wurde von einer schwarzen eng anliegenden Jeans und einem weißen Hemd vervollständigt. Wenn Melinda mich jetzt so sehen würde, würde sie mir glatt die Klamotten vom Leib reißen. Vor etwa einer Stunde hatte ich sie noch einmal angerufen, um ihr mitzuteilen, dass wir uns in den nächsten Tagen nicht treffen könnten, da wir einen Einsatz in einem anderen Land hätten – was sie mehr als fuchsteufelswild gemacht hatte. Die Lüge war mir ziemlich leicht über die Lippen gekommen und innerlich war ich froh, sie ein paar Tage nicht sehen müssen. Ihre Stimme würde ich sicher nicht vermissen.
Ich riss mich von meinem Anblick im Seitenspiegel los und sah zu Gibbs, der sich auf die Straße und den Abendverkehr konzentrierte. Seine Miene war verschlossen und ich konnte nicht einmal erahnen, was er dachte. Ob er sich auf seine neue Rolle vorbereitete? Den ersten Schritt hatte er mit seiner Kleidung getan. Ich musste zugeben, ich hatte ihn noch nie in einer blauen Jeans und einem locker sitzenden schwarzen Hemd gesehen. Normalerweise kam er immer mit einem Jackett ins Hauptquartier, aber so leger wie er heute Abend war, gefiel er mir fast besser. Es verlieh ihm ein nicht so strenges Aussehen und er wirkte viel männlicher. Bei diesem Gedanken zuckte ich leicht zusammen und ich spürte, wie sich in meinem Hals ein Kloß bildete. „Alles in Ordnung?" fragte Gibbs und für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke. „Sicher. Wieso auch nicht?" antwortete ich und wandte mich ab, um erneut aus dem Seitenfenster zu starren. „Du wirkst ein wenig nervös." „Ich und nervös? Das gibt es doch gar nicht." Aber Jethro hatte Recht. Meine Nerven begannen bereits zu flattern, wenn ich nur daran dachte, dass in ein paar Minuten Anthony DiNozzo verschwinden würde und Nathan Edison an die Oberfläche kam.
Kurz darauf hielt Gibbs den Wagen vor einer roten Ampel an und drehte sich zu mir. „Wir sind gleich da." „Super." Mein Herz begann ein wenig schneller zu schlagen, als ich in seine blauen Augen sah. „Hör zu, wir bekommen das schon hin. Es wird nicht leicht, aber es ist durchaus machbar, verstanden?" Ich blickte ihn weiter an und als ich ihm nicht schnell genug antwortete, verpasste er mir einen Klaps auf den Hinterkopf. „Verstanden?" Ich nickte. „Verstanden. Die Ampel ist grün", fügte ich gleich darauf hinzu. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen, als er den Gang einlegte und so schnell losfuhr, dass ich erneut in den Sitz gepresst wurde. „Ich würde es bevorzugen, wenn wir heil ankommen", sagte ich ein paar Sekunden später, als er einen anderen Wagen riskant überholt hatte, der daraufhin wild hupte. „Ich habe nicht Lust, wie die beiden Waffenschmuggler zu enden." „Siehst du hier irgendwo einen Baum?" „Nein, aber massenhaft Autos." Gibbs grinste noch breiter und bevor ein Streit bezüglich seines Fahrstils ausbrechen konnte, kam das Four Seasons in Sicht. Da die Sonne fast hinter dem Horizont verschwunden war, wurde die Fassade des mehrstöckigen Gebäudes mit Scheinwerfern angestrahlt. Um nicht allzu protzig zu erscheinen, zügelte Jethro das Tempo und ließ den Wagen sanft vor den Stufen ausrollen, die in das Innere des Gebäudes führten. Ich atmete tief durch und schnallte mich ab. „Auf geht's", murmelte ich und beobachtete den übereifrigen Angestellten, der sofort zu uns eilte und mir die Tür aufmachte. „Guten Abend, Sir", sagte er freundlich und verbeugte sich leicht. Ich stieg aus und sog förmlich die angenehm kühle Abendluft in meine Lungen. Der junge Mann lief auf die andere Seite und entließ Gibbs in die Freiheit. „Unser Gepäck ist im Kofferraum", sagte er, worauf der Lakai einem Kollegen winkte, der sich darum kümmerte. Dieses ganze Getue fand ich irgendwie komisch und ich musste mir ein Grinsen verkneifen.
„Ich werde Ihren Wagen in die Tiefgarage fahren", sagte er, als der andere unsere beiden Reisetaschen ausgeladen hatte, und reichte Jethro einen gelben Abschnitt. „Den Schlüssel können Sie sich dann bei der Rezeption abholen." „Und machen Sie keinen Kratzer", meinte ich und verzog meinen Mund zu einem schiefen Lächeln. „Mein Freund liebt dieses Auto, wenn Sie verstehen was ich meine." Die ersten beiden Wörter kamen mir erstaunlicherweise leicht über meine Lippen. „Sehr wohl, Sir." Ich kramte in meiner Hose, fischte einen 20 Dollar Schein hervor und gab ihm dem jungen Mann, der ihn sofort verschwinden ließ.
„Ich habe dir schon einmal gesagt, du sollst nicht so mit dem Geld um dich schmeißen, Nate." Gibbs kam an meine Seite, legte mir seinen Arm um die Taille und führte mich die Stufen nach oben zur Eingangstür, die uns ein weiterer Angestellte aufhielt. Ich war mir seiner körperlichen Nähe mehr als bewusst und ich hatte Mühe, mich nicht seinem lockeren Griff zu entwinden. ‚Stell dir einfach vor, er wäre eine Frau', redete ich mir in Gedanken Mut zu und schaffte es, keinen gequälten Gesichtsausdruck aufzusetzen.
Wir durchquerten die Halle, in der es von herumeilenden Gepäckträgern und Gästen des Hotels wimmelte und erreichten kurz darauf die Rezeption. „Guten Abend", begrüßte uns eine Frau Mitte 30 mit einem strahlenden Lächeln. Die schwarze Kleidung des Personals stand ihr wie angegossen und ich musste mich zusammenreißen, um ihr nicht zuzuzwinkern oder ihr ein mehr als eindeutiges Kompliment zu machen – immerhin stand ich ja jetzt auf Männer.
Gibbs ließ mich los und übernahm das Reden. „Rafe Cooper und Nathan Edison, wir haben eine Suite reserviert." „Einen Moment bitte", sagte sie und bevor sie sich ihrem Computer zuwandte, musterte sie mich schnell von oben bis unten. „Reiß dich ja zusammen", flüsterte mir Jethro so leise ins Ohr, dass nur ich es verstehen konnte. „Ich habe mich im Griff", erwiderte ich genauso leise. Er sah mich eine Sekunde lang misstrauisch an, schien aber dann zu beschließen, mir zu vertrauen. „Da haben wir es ja", wandte sich die Frau – die laut ihrem Namensschild Olivia hieß – wieder uns zu. „Sind Sie sicher, dass sie die Suite mit nur einem Schlafzimmer wollen?" „Absolut", meinte ich wagemutig. „Rafe und ich haben seit Jahren nicht mehr in getrennten Betten geschlafen, wenn Sie wissen was ich meine." Ihr schoss bei meinen Worten die Röte in die Wangen und für einen kurzen Augenblick glitt ein enttäuschter Ausdruck über ihr Gesicht. Aber sie war ein Profi und innerhalb von Sekunden hatte sie sich gefasst. „Entschuldigen Sie die Forschheit meines Freundes", meinte Gibbs mit sanfter Stimme und warf mir einen äußerst überzeugenden liebevollen Blick zu, der mir glatt einen Schauer über den Rücken jagte. Seit den Jahren die ich ihn kannte, hatte er mich nie so angesehen und ich hatte Mühe, nicht einen erschrockenen Schritt zurückzuweichen. Er spielte seine Rolle perfekt, was man von mir nicht gerade behaupten konnte.
„Kein Problem", erwiderte Olivia und holte einen Zimmerschlüssel hervor. „Sie haben eine Capital Suite im Westflügel, 5. Stock. Paul wird Ihnen Ihr Gepäck hinaufbringen. Und wenn Sie mir bitte bis morgen dieses Formular ausfüllen?" Sie gab uns ein Blatt Papier, auf dem Anmeldung stand. „Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, können Sie sich ruhig an mich wenden. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt." „Vielen Dank", sagte Gibbs und gab mir den Schlüssel. Gleich darauf spürte ich, wie seine rechte Hand meine linke umschloss. Seine Finger waren überraschend warm und der Griff sanft, sodass ich mich problemlos entwinden hätte können, aber aus einem Impuls heraus verstärkte ich den Druck und schaffte es meinerseits, ihn ein wenig liebevoll anzulächeln. „Schönen Abend noch", sagte ich zu Olivia und ließ mich widerstandslos zum Aufzug führen. Ich konnte die Blicke von den Leuten förmlich auf mir spüren, an denen wir vorbei kamen. Sicher sahen sie nicht alle Tage zwei Männer, die ineinander verliebt waren. Bei diesem Gedanken kam ich mir mehr als idiotisch vor und plötzlich wusste ich nicht mehr, weshalb ich Gibbs' Hand so fest hielt. Er schien zu spüren, dass ich verlegen wurde und drückte aufmunternd zu. In ein paar Minuten wären wir in unserem Zimmer und dann konnte ich die Maske wieder fallen lassen, was ich kaum noch abwarten konnte. Ich fragte mich, wie ich die nächsten Tage überstehen sollte, wenn ich jetzt schon solche Probleme damit hatte, so zu tun, als ob ich schwul wäre.
Die Türen des Aufzuges öffneten sich und gemeinsam mit dem Mann, der unser Gepäck trug, betraten wir die Kabine, die mir ein wenig klein vorkam. Mir wurde die Nähe von Gibbs erneut deutlich bewusst und ich hatte das Gefühl, Platzangst zu bekommen. Unsere Finger waren noch immer miteinander verschränkt und während uns der Lift in die 5. Etage brachte, hoffte ich, dass Händchen halten das Einzige war, was wir in den nächsten Tagen machen mussten.

Erleichtert, endlich Gibbs' Hand loslassen zu können, sperrte ich die Tür, auf der in goldenen Ziffern die Nummer 513 stand, auf und betrat den mehr als luxuriös eingerichteten Wohnraum. „Wow", entfuhr es mir leise und ich betrachtete die Sitzgelegenheiten, die einem geradezu zum Ausruhen einluden. Der Boden war mit einem dicken Teppich ausgelegt, der unsere Schritte dämpfte. Die gesamte Einrichtung war farblich aufeinander abgestimmt und die Lampen spendeten sanftes Licht.
„Gefällt es dir?" fragte Gibbs und lächelte über meinen begeisterten Gesichtsausdruck. „Es ist fantastisch. Ich habe ja gewusst, weshalb ich dir die Wahl des Hotels überlasse." Meine Freude war nicht einmal gespielt. Für einen kurzen Moment vergaß ich den Undercoverauftrag und ließ die teure Umgebung auf mich wirken. Hier konnte man es durchaus länger als ein paar Tage aushalten und noch dazu brauchte ich für den Luxus nichts zu bezahlen. Ich freute mich jetzt schon auf die erschrockene Miene von Direktor Sheppard, wenn sie die Rechnung bekam.
„Lassen Sie die Taschen einfach stehen, den Rest erledigen wir selbst", sagte Jethro zu dem jungen Mann und riss mich aus meinen Gedanken. Er sah uns kurz verwundert und ein wenig verlegen an, tat aber schließlich wie ihm geheißen. Ich kramte erneut in meiner Hosentasche und fischte einen weiteren 20 Dollar Schein hervor und drückte ihm ihn in die Hand. „Danke, Sir", sagte er, warf uns noch einen zögerlichen Blick zu und verließ nach ein paar Sekunden die Suite. Als die Tür mit einem leisen Geräusch ins Schloss fiel, atmete ich erleichtert auf. Die erste Hürde war geschafft.
„Eines muss ich den Typen lassen, sie haben auf jeden Fall Geschmack", meinte ich und öffnete einen großen Schrank. „Ist ja irre!" Direkt vor meiner Nase befand sich ein Flachbildfernseher mit sicher 81 cm Bilddiagonale. Ich sah mich bereits auf der gemütlichen Couch sitzen, Chips futtern und mir eine Folge Magnum auf diesem wahrhaftig tollen Gerät reinziehen.
Mit einem breiten Grinsen ließ ich meine Augen weiter wandern und stellte fest, dass es sogar einen DVD Player und eine Musikanlage gab. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir ein paar DVDs mitgenommen." „Wir sind nicht hier, um uns irgendwelche Filme anzusehen", erwiderte Gibbs und blickte mich ärgerlich an. Verschwunden war der liebevolle Ausdruck in seinen Augen und zurückgekehrt war das Funkeln, welches ich nur zu gut kannte und was mir eindeutig besser gefiel. „Gönn mir doch ein wenig Spaß." Er machte bereits den Mund auf, wurde aber von einem Klopfen unterbrochen. Ich konnte mir denken wer es war und mein Grinsen wurde noch breiter. Auf diesen Anblick freute ich mich, seit ich erfahren hatte, wer welche Rolle bei diesem Theater übernahm. „Ich geh schon", meinte ich, war mit wenigen Schritten bei der Tür und öffnete sie. Vor mir stand Ziva in dem schwarzen Kleid mit einer süßen weißen Schürze der Zimmermädchen. Ihre Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und in ihren Augen konnte ich einen mörderischen Ausdruck erkennen, der mir sagte, wenn ich auch nur ein falsches Wort von mir gab, würde ich nicht mehr lange leben. Sie schob sich an mir vorbei ins Zimmer und gewährte mir einen Blick auf ihre wohlgeformten Waden. Langsam schloss ich die Tür und ließ mich anschließend auf einem der weichen Sessel nieder, möglichst weit weg von Gibbs.
„Ich habe jeden Winkel dieser Suite durchsucht", sagte sie. „Keine Wanzen oder sonst irgendwelche Abhörgeräte. Zur Sicherheit habe ich meine Spezialbrille mitgenommen und die Fenster der gegenüberliegenden Gebäude abgesucht, aber niemand beobachtet euch."
„Das ist eine gute Nachricht", erwiderte Jethro und er wirkte tatsächlich erleichtert. So mussten wir unser Spiel nicht auch noch hier fortführen, sondern konnten uns normal unterhalten – wenn dass zwischen uns überhaupt möglich war.
Ziva steckte ihre Hände in die weiße Schürze und holte zwei Handys hervor. „Die hat mir Abby gegeben. Sie sind abhörsicher. Und ich habe das Zimmertelefon angezapft, sodass wir mitbekommen, wenn ihr einen Anruf von den Hintermännern bekommt. Wenn sie nicht bereits Kontakt mit den Waffenschmugglern aufgenommen haben." „Das glaube ich nicht", sagte Gibbs und nahm eines der kleinen Geräte an sich. „Sonst hätten die beiden sich nicht eine Suite für mehrere Tage reserviert. Sie wären sicher bereits über alle Berge."
„Wie auch immer. Ich werde jetzt verschwinden, das heißt, wenn ihr nichts weiter braucht." Ich beugte mich vor und grinste sie an. „Nun, wie wäre es mit ein paar zusätzlichen Handtüchern? Ich brauche immer mehr als eines und ich habe gesehen, dass sich auf dem Bildschirm des Fernsehers ein wenig Staub angesammelt hat."
Ziva funkelte mich mehr als wütend an. „Mach nur so weiter und ich schmuggle demnächst meine Dienstwaffe rein." „Was regst du dich so auf. Du bist doch hier das Zimmermädchen." Sie machte einen Schritt auf mich zu, wurde aber von Gibbs aufgehalten, der aufstand. „Wir sehen uns morgen", sagte er. „Aber…" Meine Worte blieben mir jedoch im Hals stecken, als ich das gefährlich blaue Funkeln auf mir spürte. Jetzt wäre mir der liebevolle Ausdruck wesentlich lieber. Meine Kollegin schnitt eine Grimasse und ging zur Tür. „Angenehme Nachtruhe – in einem Bett", fügte sie nach einer Sekunde hinzu und grinste schadenfroh. „Übrigens, nettes Outfit!" rief ich ihr hinterher, was sie dazu veranlasste, die Tür mit einem lauten Knall zuzuwerfen.
Mit einer viel besseren Laune als vor unserer Ankunft, stand ich auf und bückte mich nach meiner Reisetasche. Gleich darauf verpasste mir Gibbs einen Klaps auf den Hinterkopf. „Au! Für was war das?" „Dafür, dass du dich aufführst, als ob du im Kindergarten wärst." Er nahm sich seine Sachen und öffnete die doppelflügige verglaste Tür, die ins Schlafzimmer führte. Grummelnd folgte ich ihm und fragte mich, ob ich nicht einen Fehler damit begangen hatte, diesen Auftrag anzunehmen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es mit diesem Brummbär länger als ein paar Stunden aushalten sollte.
Jethro schaltete das Licht ein und die Lampen erhellten das Schlafzimmer. Das Erste was ich erblickte, war das große Doppelbett, auf dem eine Tagesdecke ausgebreitet war und das mehr als gemütlich aussah. Der Boden war mit demselben dicken Teppich wie der Wohnraum ausgelegt und es gab zwei weitere Türen. Neugierig öffnete ich die Erste und machte sogleich Licht. „Irre!" entfuhr es mir, als ich den begehbaren Schrank erkannte. „Da hätte ich ja viel mehr Klamotten mitnehmen können." Breit grinsend drehte ich mich zu Gibbs um, der sich gerade auf die linke Seite des Bettes niederließ und begann, sich die Schuhe auszuziehen.
„Boss? Würde es dir etwas ausmachen, die rechte Seite zu nehmen? Ich schlafe immer links." Er hob seinen Kopf, musterte mich und knotete weiter die Schuhbänder auf. „Und was heißt das jetzt?" „Das heißt", begann er langsam, „dass du eben lernen musst, ab heute rechts zu schlafen." Das Grinsen verschwand aus meinem Gesicht und ich betrachtete wütend seinen Rücken. „Das ist nicht fair!" meinte ich lauter als eigentlich angebracht wäre. Gibbs befreite sich endgültig von seinen Schuhen, stand auf und kam auf mich zu. „Ach nein?" „Nein." Er kniff seine blauen Augen zusammen und näherte sein Gesicht bis auf wenige Zentimeter meinem. „Nun, dann musst du dich eben damit abfinden." „Aber du hast mich dazu überredet, bei diesem Einsatz mitzumachen, also wäre es nur angebracht, wenn…" „So weit ich mich erinnere, bin ich hier der Ältere und immer noch dein Vorgesetzter, also entscheide ich, wer auf welcher Seite schläft." Seine Stimme passte sich meiner Lautstärke an. „Und wenn du damit nicht zufrieden bist, kannst du auf dem Sofa übernachten." Ich schluckte und musste mich zusammenreißen, nicht einen Schritt zurückzuweichen, um ein wenig Raum zwischen uns zu schaffen. „Das würde ja dann den Eindruck erwecken, als ob wir uns gestritten hätten", wagte ich einen erneuten Versuch, ihn zu überzeugen. „Das kommt in den besten Ehen vor." „Womit du natürlich keine Erfahrung hast." Bei diesen Worten sprühte aus seinen Augen ein wahrer Funkenregen. „Ich nehme die rechte Seite", entschied ich, nur um diesen Blick zu entkommen. Schnell drehte ich mich um und so sah ich auch nicht sein zufriedenes Grinsen.
„Ich geh duschen", sagte ich und kramte in meiner Tasche, um die Sachen hervorzuholen, die ich brauchen würde. Gibbs saß wieder auf der linken Seite des Bettes und klappte das neue Handy auf. „Hmm", machte er lediglich und betrachtete stirnrunzelnd das Display. Anscheinend kam er nicht ganz damit zurecht. Kopfschüttelnd betrat ich das luxuriöse Bad, drehte mich aber noch einmal um. „Boss?" Er blickte mich an. „Ja?" „Wie hast du es geschafft, mich derart anzusehen, als wir unten bei der Rezeption waren?" Jethro hob eine Augenbraue und antwortete: „Ich habe mir vorgestellt, du wärst rothaarig." „Wirklich witzig." Ich schloss die Tür und betrachtete mich in dem großen Spiegel. Unwillkürlich fragte ich mich, ob er mir die Wahrheit gesagt hatte. Aber wieso sollte ich an seinen Worten zweifeln? Von sich aus würde er es nie schaffen, mich so liebevoll anzusehen. Oder etwa doch?

Gibbs saß auf dem großen Doppelbett mit der äußerst gemütlichen Matratze und betrachtete stirnrunzelnd sein neues Handy. Für seinen Geschmack hatte es viel zu viele Tasten und an die ganzen unnützen Funktionen wollte er gar nicht denken. Frustriert drückte er auf einen Knopf und landete prompt im Mitteilungsordner, wo aufgezählt war, was er jetzt alles machen konnte. Aber wie zum Teufel kam er ins Telefonbuch? Wieso hatte man ihm keine Anleitung mitgegeben? Die könnte er jetzt dringend gebrauchen. Er hatte diese neumodische Technik noch nie gemocht. Jethro konnte froh sein, dass er wusste, was ein PDA war, doch selbst dessen Handhabung war ihm ein wenig schleierhaft. Leicht verärgert klappte er das kleine Gerät wieder zu und legte es auf das Nachtkästchen. Tony würde ihm sicher erklären können, wie er zu den Telefonnummern kam.
Der Gedanke an seinen Agent ließ ihn kurz inne halten und seine Frage kam ihm wieder in den Sinn. Er wusste nicht, wieso er gelogen hatte, denn er hatte sich DiNozzo nicht einmal ansatzweise als rothaarig vorgestellt - diese Farbe würde ihm auch gar nicht stehen, was man von seinem heutigen Outfit nicht behaupten konnte. Die schwarzen Jeans saßen wie angegossen, genauso wie die Lederjacke und der Ohrring verlieh ihm ein leicht verwegenes Aussehen. Gibbs war es nicht gewohnt, Tony, der ziemlich oft schicke Anzüge trug, so zu sehen. Bereits auf dem Weg in dieses Hotel war ihm aufgefallen, dass er viel männlicher wirkte, was ihn ziemlich verstört hatte. Und dann diese grünen Augen, die ihn an diesem Abend zum ersten Mal an tiefe Bergseen erinnert hatten. Vielleicht war dies der Grund, weshalb er seinem Kollegen so selbstverständlich einen Arm um dessen Taille gelegt hatte. Seine Körpernähe war ihm mehr als bewusst gewesen und er hatte die Muskeln durch die Lederjacke hindurchgefühlt. Es hatte sich beinahe so angefühlt, als ob dieser Körper wie für seine Hände geschaffen wäre.
Diese Erkenntnis hatte ihn mehr als erschüttert und er hatte Mühe gehabt, seinen Arm nicht wegzunehmen. Innerlich hatte er zusätzlich Jen verflucht, die ihn zu diesem Einsatz überredet hatte und der Gedanke an die hohe Hotelrechnung, die er ihr präsentieren würde, hatte ihn dazu gebracht, keinen lauten Schrei auszustoßen.
Und dann war es zu der Situation gekommen, die Tony vorhin angesprochen hatte. Gibbs hatte nicht wirklich eine Antwort auf die Frage gehabt, denn er wusste es nicht einmal selbst, wieso er so einen Blick zustande gebracht hatte. Es war einfach passiert – ganz automatisch. Die rote Haarfarbe war nur eine Notlüge gewesen, denn er hätte DiNozzo schlecht sagen können: ‚Der Blick war nicht gespielt.'
Vom Bad drang leises Wasserrauschen an seine Ohren und riss ihn somit aus seinen Gedanken. Beschämt stellte Jethro fest, dass seine Hände leicht zitterten, jene Finger, die vor nicht einmal 30 Minuten die von Tony umschlossen hatten. Dieser Entschluss war spontan in ihm aufgestiegen und er hatte sehen wollen, wie sein Kollege reagierte. Dass er den Griff automatisch erwidert hatte, hatte ihn mehr als überrascht. Und jetzt, eine halbe Stunde später, hätte Gibbs schwören können, DiNozzos warme Hand noch immer zu spüren.
‚Das ist doch verrückt', dachte er erbost und erhob sich von der gemütlichen Matratze. Die Tatsache, dass er gerade ein paar Minuten so getan hätte, als ob er homosexuell wäre, hatte ihn komplett aus der Bahn geworfen. Nie und nimmer bestand auch nur die kleinste Möglichkeit, dass sich zwischen ihm und Tony etwas entwickeln könnte. Das wäre ja so, als ob plötzlich die verschwundene Insel Atlantis von einer Sekunde auf die andere auftauchen würde – also absolut unmöglich.
Seufzend bückte er sich, nahm seine Reisetasche und betrat den begehbaren Kleiderschrank. Irre war wirklich der richtige Ausdruck für diesen Raum. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er das Gesicht seines Kollegen vor sich sah, der wie ein Honigkuchenpferd gegrinst hatte.
Schnell verstaute er seine Sachen und ging ins Schlafzimmer zurück, wo er beinahe mit Tony zusammenstieß, der soeben aus dem Bad kam. Lediglich ein weißes Handtuch verdeckte seine Blöße. Seine Haare waren noch ganz feucht und einzelne Wassertropfen bahnten sich ihren Weg über seinen Oberkörper, rannen weiter nach unten und wurden vom Handtuch aufgesogen. Es stieg ein Kribbeln in Gibbs auf, das ihm unerklärlich war und das ihn mehr als verstörte und ihn wütend machte. Vor ihm stand DiNozzo – sein Untergebener und der Mann, der ihn ständig mit seinen blöden Sprüchen auf die Palme brachte. Wieso reagierte er dann so, als ob er eine nackte Frau vor sich hätte?
„Alles in Ordnung, Boss?" wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Ihre Blicken trafen sich und erneut erinnerten ihn die grünen Augen an tiefe Bergseen. „Sicher, alles bestens", antwortete er und legte einen schroffen Ton in seine Stimme. „Also, wenn du duschen willst, das Bad ist jetzt frei." Oh ja, eine Dusche war genau das, was er gebrauchen konnte – möglichst eiskalt, um ihn endlich wieder in die Realität zurückzuholen. Ohne ein weiteres Wort ging er an Tony vorbei, betrat das Bad und warf die Tür ins Schloss. Wie sollte er nur die nächsten Tage überstehen?

Fortsetzung folgt...
Chapter 4 by Michi
02:37 Uhr

Melinda fuhr mir mit ihren langen Fingernägeln über meinen entblößten Oberkörper, immer weiter hinunter, bis sie fast mein Glied erreicht hatte, welches viel zu wenig Platz in der Hose hatte. Aber die Hoffnung, dass sie den Reißverschluss öffnete, erfüllte sich nicht – im Gegenteil. Sie ließ ihre Finger quälend langsam wieder hoch gleiten, umrundete die linke Brustwarze und vergrub ihre Hand anschließend in meinen Haaren. Ihr Mund fand meinen und wir teilten einen leidenschaftlichen Kuss, der die sommerliche Hitze, die in dem dämmrig erleuchteten Raum herrschte, noch mehr verstärkte. Ihre Zunge spielte mit meiner und entlockte mir ein gedämpftes Stöhnen. Ihre Finger gingen erneut auf Wanderschaft und diesmal überlegte sie es sich kurz vor dem Ziel nicht anders. Mit langsamen Bewegungen brachte sie mich beinahe dazu sie anzuflehen, endlich meine Hose zu öffnen. Ihre Lippen bedeckten meinen Hals mit winzigen Küssen, die mir fast den Verstand raubten.
Mit einem Ruck riss ich ihr den seidenen Morgenmantel von den Schultern, unter dem sie nichts weiter anhatte. Ihr Körper schimmerte in dem weichen Licht und ich begann mit meiner Zunge eine feuchte Spür über ihre Brüste zu ziehen. Unwillkürlich zog sie meinen Kopf fester zu sich heran und stöhnte meinen Namen. Ihre Haut war seidig weich und schmeckte ein wenig nach Vanille. Sie presste ihre Hüften eng an mich und reizte mich mit einem betörenden Rhythmus.
Wir rollten über das Bett, gaben uns ganz der Leidenschaft hin, die uns beide überfiel und als sie endlich anfing, meine Hose aufzuknöpfen, traf mich ein harter Stoß in meine Rippen. Melindas Gesicht löste sich vor mir auf, genauso wie das spärlich erhellte Zimmer…


Blinzelnd öffnete ich meine Augen und anstatt Licht zu sehen, starrte ich in fast undurchdringliche Dunkelheit. Verwirrt drehte ich meinen Kopf und fragte mich, wo ich war. Erst nach ein paar Sekunden realisierte ich, dass ich geträumt hatte – ein mehr als realistischer Traum, wie mir das Kribbeln meines Körpers verriet. Die Bettdecke hing halb über den Rand hinaus und halb bedeckte sie meine Beine.
„Bist du endlich wach?" fragte eine mürrische Stimme links von mir. Mein vom Schlaf vernebeltes Gehirn brauchte einen Moment, um sie einzuordnen. Der Schreck, der mich kurz darauf durchfuhr, ließ mich beinahe aufspringen. „Gibbs?" fragte ich atemlos und versuchte mich zu erinnern, weshalb mein Boss im selben Bett wie ich lag und nicht Melinda. „Wer sonst?" kam die rüde Gegenfrage. Mit einem Mal waren die vergangen Stunden wieder da und der Undercoverauftrag kam mir in den Sinn. Jethro, der mir einen Arm um die Taille gelegt hatte, der mich unglaublich liebevoll angesehen hatte und sanft meine Hand mit der seinen umschlossen hatte. Diese Tatsache brachte mich in die Realität zurück und vertrieb meine Freundin aus meinem Gedächtnis.
„Wieso hast du mich geweckt?" Ich blickte auf meine Armbanduhr mit den Leuchtziffern. „Es ist nicht mal drei. Dabei hatte ich gerade einen unglaublichen Traum und…" „Mir ist egal was du gerade geträumt hast." „Und weshalb versetzt du mir einen derart harten Stoß in meine Rippen, dass ich das Gefühl habe, sie wären jetzt angeknackst?" „Weil du schnarchst, als ob du sämtliche Wälder auf diesem Planeten abholzen wolltest und es die einzige Möglichkeit war, dich wach zu kriegen. Und sei nicht so wehleidig", fügte er nach kurzem Zögern grantig hinzu. „Bei dir darf man auch gar nichts machen", erwiderte ich eingeschnappt und drehte mich möglichst weit weg von ihm. „Ich darf nicht auf der linken Seite schlafen und du hast dich aufgeregt, als ich mir die Boxershorts ausziehen wollte. Dabei schlafe ich immer nackt." „Aber nicht wenn du mit mir im selben Bett liegst, DiNozzo." „Dir kann man es auch nie recht machen", murmelte ich leise und schloss verärgert meine Augen. „Hast du was gesagt?" „Nein." Ich zog die Decke bis über meine Schultern, obwohl mir ziemlich warm war, vor allem da die Nachwirkungen des Traumes noch nicht verblasst waren. „Und wenn du noch einmal zu schnarchen anfängst, setz ich dich vor die Tür." „Ich wünsche dir auch eine gute Nacht, Boss", meinte ich, wobei meine Stimme von dem Polster gedämpft wurde, was wahrscheinlich auch gut war, denn sonst wäre ich wohl zu laut geworden.
Dieser Mann raubte mir noch den letzten Nerv und dabei war das erst die erste Nacht. Wenn seine miese Stimmung weiter anhielt, würde ich wirklich auf das Sofa übersiedeln. Dann könnte ich wenigstens wieder nackt schlafen, was mir ja in seiner Gegenwart verwehrt blieb. Ich spürte, wie sich Gibbs auf die andere Seite drehte und nach ein paar Minuten war nur mehr regelmäßiges Atmen zu hören. Pah, von wegen ich würde schnarchen, dabei atmete er selbst nicht gerade leise. Vielleicht sollte er sich mal seine Polypen untersuchen lassen.
Verärgert versuchte ich an der Stelle des Traumes anzuknüpfen, an der mich Gibbs' Stoß in die Rippen getroffen hatte – scheiterte jedoch kläglich. ‚Na super', dachte ich und versuchte mit einer altbewährten und sehr bekannten Methode wieder einzuschlafen – Schäfchen zählen.


Washington D.C.
Mittwoch, 18. Mai
08:00 Uhr


„DiNozzo!" rief eine wütende Stimme in mein linkes Ohr und riss mich aus meinen traumlosen Schlaf, den ich doch noch gefunden hatte. Ich hatte jedoch absolut keine Lust, meine Augen aufzumachen, geschweige dieses äußerst gemütliche Bett zu verlassen und so grummelte ich etwas Unverständliches und drehte mich auf die andere Seite. Gibbs sollte seine schlechte Laune an jemand anderem auslassen, die seit dem Bezug unseres Hotelzimmers von ihm Besitz ergriffen hatte. „Wenn du nicht sofort aufstehst, werde ich andere Seiten aufziehen, DiNozzo!" sagte Jethro, diesmal in mein anderes Ohr. „Meinetwegen", nuschelte ich in den Kopfpolster und hoffte, er würde mich endlich in Ruhe lassen. Ich hatte ihm immer noch nicht ganz verziehen, dass er mich mitten in der Nacht geweckt und aus meinen schönen Traum gerissen hatte, also würde ich es ihm jetzt sicher nicht leicht machen, mich aus dem Bett zu schmeißen. „Du bist ja schlimmer als alle meine 3 Ex-Frauen zusammen, die auf ihre Unterhaltszahlungen warten", drang erneut seine wütende Stimme an mein Gehör und ich wusste, wenn er von seinen Ehen anfing, war er mit seiner Geduld definitiv am Ende. „Du hättest es eben mal mit Frauen anderer Haarfarbe versuchen sollen", meinte ich dazu und zog mir sicherheitshalber die Decke über den Kopf, sodass er keine Möglichkeit hatte, mich zu schlagen. „Na schön", meinte Gibbs beherrscht. „Wenn du nicht aufstehen willst, muss ich das Frühstück alleine essen. Bleibt mir der Kaffee eben alleine." „Es gibt Frühstück?" fragte ich und setzte mich abrupt auf. „Wieso hast du das nicht gleich gesagt?" Mein Boss schenkte mir einen funkelnden Blick aus blauen Augen, der mir einen nicht unangenehmen Schauer über den Rücken jagte. Verlegenheit stieg in mir auf, die ich dadurch kaschierte, indem ich die Decke schwungvoll zur Seite schmiss und meine Beine über den Bettrand schwang. Gibbs brauchte ja nicht unbedingt mitzubekommen, was in mir vorging. Diese Nacht zusammen mit ihm in einem Bett hatte mich anscheinend ein wenig durcheinander gebracht. Vielleicht sollte ich das nächste Mal wirklich auf dem Sofa schlafen.
Ich stand auf, zog meine Boxershorts zurecht, die im Verlaufe der Nacht ein wenig nach unten gerutscht war und ging durch die offen stehende Tür ins Wohnzimmer, in der Erwartung, etwas Essbares vorzufinden – nur war nirgendwo auch nur ein Krümel zu sehen. Auf einmal wurde mir klar, dass Gibbs mich reingelegt hatte. Mit einem Ruck drehte ich mich um und blickte ihn wütend an. „Das ist nicht witzig, Boss", sagte ich. „Nein? Aber es hat immerhin funktioniert, oder?" Er betrat das Wohnzimmer, um sich auf das Sofa zu setzen. „Und ich habe mich schon so sehr auf einen Muffin gefreut." „Dann musst du dir eben etwas bestellen. Ach ja, wenn du bereits dabei bist, kannst du dem Zimmerservice sagen, dass ich meinen Kaffee extra stark möchte." Er sah mich fast unschuldig an – und war das etwa ein humorvolles Funkeln in seinen Augen? Nein, entschied ich. Gibbs war ein Mann, der keine Witze machte und Spaß verstand er schon gar nicht. Wie konnte ich nur auf den Trick mit dem Frühstück reinfallen? Der Gedanke, dass er sich darum gekümmert hatte, hatte mir irgendwie gefallen, wie ich beschämt feststellte.
Mühselig schluckte ich meinen Ärger hinunter und nahm das Telefon, um uns etwas zu bestellen. „Und was machen wir jetzt?" fragte ich, als ich aufgelegt hatte. „Jetzt werden wir warten." „Auf was?" „Darauf, dass uns jemand von den Leuten kontaktiert, die wir schlussendlich festnehmen werden." „Und was ist, wenn sie sich erst am Abend melden?" „Das wissen wir eben nicht, deshalb müssen wir auch warten." „Heißt das, wir verbringen den ganzen Tag in diesem Zimmer?" „Genau das heißt es." Grummelnd setzte ich mich auf einen Sessel. „Dir ist schon klar, was die Leute dann von uns denken? Ich meine, wenn wir uns kein einziges Mal blicken lassen." „Sie werden denken, dass wir Spaß haben." Mir entfuhr ein Schnauben, vor allem, weil ich gar nicht gewusst hatte, dass dieses Wort in Jethros Wortschatz vorkam. Und allein der Gedanke, dass sich Gibbs und ich im Bett austoben würden, bereitete mir Magenschmerzen. „Womit habe ich das nur verdient?" murmelte ich leise. „Keine Ahnung", kam prompt die Antwort. „Und würdest du dich endlich anziehen?" Ich sah auf und erwiderte: „Was regst du dich auf? Ich dachte, wir spielen ein Paar, also kann ich hier herumrennen, wie ich will." Gibbs hob eine Augenbraue. „Wenn du das Bedürfnis verspürst, im nächsten Monat Schreibtischarbeit verrichten zu wollen, dann tu dir keinen Zwang an." Er beugte sich vor und alleine die Tatsache, dass er auf der Couch und ich auf einem Stuhl saß, verhinderte, dass er sein Gesicht dem meinem gefährlich näher brachte. „Ich bin in fünf Minuten zurück", sagte ich und stand auf. Wenn er glücklicher war, wenn ich nicht halbnackt vor seiner Nase herumlief, dann sollte er eben seinen Willen bekommen. Ich würde auf gar keinen Fall deswegen einen Monat Akten bearbeiten. Wie sehr ich es hasste, dass er mich ständig dazu brachte, das zu tun, was er wollte.

Die Zeit verging genauso zäh wie geschmolzener Gummi zerrann. Das Frühstück war das Beste in den Stunden, die ich praktisch in diesem Zimmer festsaß. Der Kaffee war äußerst lecker und würde sogar den erschöpftesten Menschen wach bekommen, der Toast war goldgelb gebraten und die Eier waren genau so wie ich sie am liebsten mochte. Nachdem der Mann vom Zimmerservice das Geschirr wieder abgeholt hatte, hatte Gibbs dieses äußerst nette ‚Bitte nicht stören' Schild an die Tür gehängt. Alleine bei dem Gedanken, was alle Leute dachten, was wir hier trieben, hatte ich das Bedürfnis, mich aus dem Fenster zu stürzen. Meine Versuche, meinen Boss zu überreden, wenigstens kurz das Fitnessstudio oder den hauseigenen Pool zu benützen, scheiterten kläglich. Während ich immer mehr das Gefühl hatte, mich in einem luxuriösen Gefängnis zu befinden, saß er gemütlich auf dem Sofa, las eine mehr als langweilige Zeitschrift über Bootsbau und sah sich in regelmäßigen Abständen die Nachrichten an. Nur um dieser Langeweile zu entfliehen würde ich es sogar bevorzugen, mit ihm Händchen haltend durch die Straßen von Washington zu bummeln.
Um 14 Uhr reichte es mir allerdings ganz gewaltig und als ich gerade beschloss, gegen Gibbs' Willen einen Ausflug ins Fitnessstudio zu unternehmen, klingelte das Telefon. Mein Herz begann vor Aufregung schneller zu schlagen und ich hoffte, dass es endlich etwas zu tun gab. Jethro stand auf, ging auf den Apparat zu und legte das Gespräch auf den Lautsprecher, sodass ich ebenfalls mithören konnte. „Ja", meldete er sich knapp, so wie er es immer tat. „Rafe Cooper?" tönte uns eine tiefe, eiskalte Stimme entgegen, bei der sich mir unwillkürlich die Nackenhaare aufstellten. „Ja." „Kommen Sie mit Ihrem Freund heute um 22 Uhr ins Blue In. Unter dem Tisch mit der Nummer 27 wird ein Kuvert kleben. Dort befinden sich weitere Anweisungen." Bevor einer von uns auch nur die Möglichkeit hatte, etwas zu erwidern, hatte der mysteriöse Anrufer wieder aufgelegt. „Wirklich nett", meinte ich dazu. Er drückte auf den Knopf, damit das regelmäßige Tuten verstummte und drehte sich mir zu. „Na los, auf was wartest du noch? Ruf Abby an."
Ich kramte das Handy aus meiner Hosentasche und da ich wusste, dass Gibbs dem Gespräch lauschen wollte, aktivierte ich den Lautsprecher. „Sie haben die Auskunft gewählt", meldete sich die junge Frau prompt und ihre Stimme klang gewohnt fröhlich. „Ich bin es." „Hey, Tony. Na, alles klar? Wie gefällt es dir im Hotel? Ich habe gehört, es soll äußerst schön sein und die Aussicht…" „Abbs!" unterbrach sie Jethro. „Hast du den Anruf zurückverfolgen können?" „Tut mir Leid, mein silberhaariger Fuchs, dafür war er viel zu kurz. Also, ich muss schon sagen, das war wirklich clever von dem Typen. Und habt ihr den Ton in seiner Stimme gehört? Der war ja gruselig. Stellt euch vor, ihr würdet dem mitten in der Nacht alleine auf der Straße begegnen." Während ich mir ein Lächeln schwer verkneifen konnte, rang der Chefermittler sichtlich um Fassung und ich hoffte für mein Wohl, er würde nicht explodieren. „Abby, kannst du herausfinden, was dieses Blue In ist?" fragte ich deshalb schnell, um die Situation ein wenig zu entspannen. „Aber sicher. Dauert nur ne Minute." „Tisch 27?" wandte ich mich an Gibbs. „Klingt für mich wie ein Restaurant." „Oder eine Bar", erwiderte er. „Ähm… sorry, Leute, aber es ist keines von beidem", meldete sich die Forensikerin kurz darauf. „Was dann?" fragte ich vorsichtig, da ich auf einmal das Gefühl hatte, mir würde die Antwort nicht gefallen. „Es ist ein Club, Tony." „Klasse, das ist viel besser." Auf meinem Gesicht breitete sich ein Grinsen aus und ich sah bereits eine überfüllte Tanzfläche vor mir, wo sich viele Frauen rhythmisch zur Musik bewegten. „Freu dich nicht zu früh", meinte sie und an ihrer Stimme konnte man hören, dass sie keine guten Nachrichten hatte. „Könntest du bitte auf den Punkt kommen, Abbs?" fragte Gibbs mit gewohnt schroffem Ton. „Sicher, Big Boss. Also, das Blue In ist ein Club, wie ich bereits erwähnt habe, vor nicht einmal einer halben Minute. Jedenfalls… es ist ein Lokal ausschließlich für männliche homosexuelle Paare." Ich spürte, wie mir die Gesichtzüge entglitten und sich der Boden unter meinen Füßen auftat. Entsetzen machte sich in mir breit und ich blickte zu Jethro, der sich ebenfalls nicht sehr wohl zu fühlen schien. Ich konnte es nicht glauben – mein Boss und ich würden einen Schwulenclub besuchen.

Fortsetzung folgt...
Chapter 5 by Michi
Kurz nach 20 Uhr

Das Entsetzen, welches mich gepackt hatte, war jetzt, Stunden später, immer noch nicht von mir gewichen – im Gegenteil. Je mehr sich der Zeiger der Ziffer 10 näherte, desto nervöser wurde ich. Ich hatte keine Ahnung, wie es in so einem Schwulenclub zuging oder welche Sitten es da gab. Die Aussicht, einen überfüllten Raum betreten zu müssen, wo ich jederzeit von Männern angebaggert werden konnte, gefiel mir überhaupt nicht und wenn ich ehrlich war, würde ich jetzt eine ordentliche Schießerei bevorzugen oder einen Fallschirmsprung aus einem außer Kontrolle geratenen Flugzeug. Alles war besser als die Erfahrung, die ich in nicht einmal zwei Stunden machen musste und auf die ich gut und gerne verzichten konnte.
Gibbs hingegen schien die ganze Sache gelassener zu sehen. Ich würde jetzt nicht behaupten, dass er nicht erschrocken wäre, als wir erfahren hatten, was das für ein Club war, aber er hatte sich viel schneller erholt als ich und ging die Sache viel nüchterner an – und mit seiner gewohnt schroffen Art. Äußerlich wirkte er beherrscht, aber wer wusste schon, wie es in seinem Inneren aussah? Vielleicht war er sogar noch nervöser als ich und bei dieser Vorstellung musste ich mir mehr als einmal ein Grinsen verkneifen. Alleine der Gedanke, dass Jethro ein derartiges Lokal besuchen würde, war mehr als komisch. Würde er dort überhaupt hinein passen? Ich konnte mir vorstellen, dass er mit seinen grauen Haaren aus der Menge herausstechen würde wie ein Blutfleck auf unberührtem Schnee. Vielleicht sollte ich ihm den Vorschlag machen, seine Haare noch zu färben, wobei ich mir sicher war, dass er mir dafür einen saftigen Klaps auf den Hinterkopf verpassen würde. Aber auch eine Kopfnuss würde ich jetzt in dieser Situation bevorzugen – gepaart mit der Gefahr einer Gehirnerschütterung.
Obwohl es bereits nach 20 Uhr war, verspürte ich überhaupt keinen Appetit. Gibbs hatte sich eine Kleinigkeit zum Essen bestellt, aber ich habe keinen Bissen davon angerührt. Eine seltene Situation, da ich praktisch immer Hunger hatte. Aber seit dem Gespräch mit Abby hatte ich eher das Gefühl, ein Magengeschwür zu entwickeln.
Ziva war um 19:30 Uhr in unser Zimmer gekommen, erneut mit dem süßen Zimmermädchenoutfit bekleidet. Diesmal hatte sie sich extra umgesehen, damit sie niemand bemerkte, wenn sie zu uns kam und auch am Flur war keine Person gewesen. Denn ihr Besuch würde sicher etwas länger dauern und damit sich keiner wunderte, weshalb eine Hotelangestellte so lange zum Aufräumen brauchte, war sie von Anfang an diskret vorgegangen.
„Hörst du mir überhaupt zu, Tony?" Zivas Stimme riss mich aus meinen Überlegungen und ich blinzelte verwirrt. Sie wedelte mit einer Hand vor meinen Augen herum und grinste dabei. „Na, bist du mit deinen Gedanken bereits in dem Club? Ich wette, du hättest es lieber, wenn es dort viele Frauen gäbe, die du anschmachten könntest. Ups, ich vergaß, du darfst ihnen ja nicht nachschauen." Ihr Lächeln wurde immer breiter. „Mach dich nur über mich lustig, Officer David", erwiderte ich betont gleichgültig. „Vielleicht kommt irgendwann ein Fall, wo du vorgeben musst, homosexuell zu sein – vielleicht mit Abby?" fügte ich kurz darauf noch hinzu. Das Grinsen verschwand aus ihrem Gesicht und ich hätte schwören können, dass sich ein Blitz aus ihren dunklen Augen in meine bohrte.
„Könnten wir wieder zum Thema zurückkommen oder wollt ihr euch weiter aufführen, als ob ihr im Kindergarten wärt?" fragte Gibbs wütend und das Funkeln in seinen Augen machte dem von Ziva ganz schön Konkurrenz. „Tschuldigung, Boss", sagte ich und nahm die Brille von meiner Kollegin entgegen, die ich bereits bei unserem gemeinsamen Undercovereinsatz getragen hatte. „Die hat mir Abby mitgegeben. So können wir alles auf dem Bildschirm mitverfolgen, was in dem Club passiert und vielleicht finden wir Männer, die vorbestraft sind oder polizeilich gesucht werden." „Und wieso kann die nicht Gibbs tragen?" „Weil ich nicht der Typ für Brillen bin, DiNozzo." „Ah, jetzt verstehe ich, weshalb du dir nie eine kaufst, obwohl du weitsichtig bist. Und habe gedacht, du bist nicht eitel." Für diesen Kommentar bekam ich prompt einen Klaps auf den Hinterkopf und ich verfluchte mich dafür, dass ich mich entschieden hatte, mich neben Jethro auf das Sofa zu setzen.
Um ihr hämisches Grinsen nicht zu zeigen, kramte Ziva erneut in ihrer weißen Schürze, holte eine kleine Schachtel heraus und öffnete sie. Darin lagen zwei Ohrstöpsel. „So können wir mithören, was in eurer Nähe gesprochen wird und wir können uns ebenfalls mit euch unterhalten. Falls etwas schief laufen sollte, werden zwei Agenten in der Nähe warten und sofort eingreifen." „Ich denke nicht, dass wir heute Abend in Schwierigkeiten geraten werden." „Außer wir werden von Männern abgeschleppt, die uns vernaschen wollen." Prompt erhielt ich eine weitere Kopfnuss. „Könntest du das lassen?" fragte ich erbost und rieb mir die schmerzende Stelle. „Ja, wenn du aufhörst, blöde Kommentare von dir zu geben, DiNozzo." „Also nie", erwiderte Ziva gehässig und grinste breit.
„Wir sollten uns langsam auf den Weg machen", sagte Jethro nach einem kurzen Blick auf die Uhr. „Ich will mich vorher noch ein wenig in dem Club umsehen, bevor wir uns zu Tisch 27 begeben." Meine Nervosität hatte durch die kleinen Streitereien mit Ziva ein wenig nachgelassen, aber bei diesen Worten kam sie doppelt so heftig zurück. Mein Herz schlug mit einer derart hohen Frequenz, die ich nie für möglich gehalten hätte und meine Hände wurden leicht feucht. „Tja, dann sollten wir uns mal umziehen", meinte ich so locker wie möglich und stand auf. „Ich werde ins Hauptquartier zurückfahren." Die junge Frau ging zur Tür, öffnete sie und drehte sich noch einmal um. „Viel Glück und natürlich Spaß." Bevor ich ihr eines der Kissen, die zahlreich auf der Couch lagen, nachschmeißen konnte, war sie verschwunden.


21:30 Uhr

Gibbs hatte unseren Wagen etwa einen Block vom Blue In entfernt geparkt und kramte nun nach seinem Handy, um McGee zu sagen, dass wir so weit wären. Während er wählte, betrachtete ich ihn etwas genauer. Heute Abend hatte sich Jethro erneut dazu entschlossen, eine blaue Jeans anzuziehen und dazu ein graues Hemd, welches seine blauen Augen betonte, die jetzt konzentriert durch die Windschutzscheibe blickten. Ich musterte sein Profil, beobachtete, wie er mit den Fingern der freien Hand auf dem Lenkrad herumtrommelte, um seine Ungeduld zu bezähmen, da Tim nicht sofort abhob. In meinem Magen stieg plötzlich ein Kribbeln auf, so als ob hunderte Ameisen darin herumlaufen würden und zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie attraktiv Gibbs wirklich war. Eine Sekunde später erreichte seine Stimme mein Ohr, als er beinahe schrie: „Wieso hat das so lange gedauert, McGee?!" Abrupt riss ich meinen Blick von ihm los und starrte aus dem Seitenfenster in die Nacht hinaus. Was war denn nur mit mir los? Seit wann fand ich meinen Boss attraktiv? Und was sollte dieses alberne Kribbeln? Mit einer Hand fuhr ich mir über mein enganliegendes schwarzes T-Shirt, in der Hoffnung, so die Ameisen vertreiben zu können – vergeblich. Ich war mehr als durcheinander und wünschte, ich könnte mich irgendwo verkriechen, um alleine zu sein, um Gibbs' Gegenwart zu entfliehen. ‚Das ist doch verrückt', dachte ich und richtete mich auf. ‚Neben dir sitzt dein Vorgesetzter, der immer schlechte Laune hat, also hör auf, dich aufzuführen wie ein Idiot.' Ich fuhr mit einer Hand über meine Augen und schluckte, um meinen trockenen Hals zu befeuchten.
„Hör mit dem Rumgestottere auf, McGee", sagte Jethro und unwillkürlich glitt mir ein Grinsen über das Gesicht. Ich konnte mir vorstellen, wie mein junger Kollege nervös im Videokonferenzraum stand und alles beobachtete, was mich wieder daran erinnerte, dass ich eine Brille trug. Ich musste zugeben, sie ließ mich intelligent aussehen. „Wir machen uns jetzt auf den Weg." Er legte ohne ein weiteres Wort auf und steckte das Handy zurück in seine Hosentasche. „Alles klar, Tony?" „Sicher. Ich kann es kaum erwarten, da rein zu kommen." Ich öffnete die Tür und stieg aus. Warme Nachtluft empfing mich und linderte meine Nervosität ein wenig. Der erste Weg in diesem Club würde mich garantiert an die Bar führen, wo ich mir etwas Hochprozentiges bestellen würde. Vielleicht würde ich es dann besser hinbekommen, schwul zu sein.
Gibbs kam an meine Seite und sah mich an. „Hör zu, wir gehen da jetzt rein, schnappen uns das Kuvert und verschwinden wieder. Die paar Minuten wirst du wohl durchhalten, oder?" Ich nickte und er schien dies als Zustimmung aufzufassen. „Na los, bringen wir es hinter uns", sagte ich und streckte ihm meine linke Hand entgegen. Der Chefermittler zog eine Augenbraue nach oben, umschloss aber nach einer Sekunde meine Finger mit den seinen. „Es muss schließlich echt wirken", meinte ich und versuchte das Kribbeln zu ignorieren, das bei der Berührung unserer Hände erneut in mir aufgestiegen war.
So, als ob wir alle Zeit der Welt hätten, gingen wir die Straße entlang, auf der zahlreiche Nachtschwärmer unterwegs waren – überwiegend Männer, wie ich kurz darauf feststellte. Wir kamen dem Club immer näher und als wir um eine Ecke bogen, leuchtete vor uns ein blauer Schriftzug mit den Worten ‚Blue In' über einer Tür auf, die offen stand und laute Musik ins Freie ließ. Links stand ein Türsteher, der uns misstrauisch musterte, uns aber nicht aufhielt, als wir auf ihn zusteuerten und den Club betraten. Anscheinend war er mit unserer Erscheinung zufrieden oder er hatte den Befehl, uns durchzulassen.
Hand in Hand gingen Gibbs und ich einen kurzen Gang entlang, der von Lampen an der Decke erhellt wurde. Unsere Schritte wurden von einem dicken roten Teppich gedämpft, wobei man uns bei dieser lauten Musik ohnehin nicht hören konnte. Die Wände waren in weiß gestrichen und in regelmäßigen Abständen hingen Aktbilder von Männern an der Mauer. „Nette Umgebung", drang Abbys Stimme in mein Ohr und ich zuckte leicht zusammen. Ich hatte komplett vergessen, dass sie sich mit uns unterhalten konnte. „Aber das Lied könnte besser sein. Ist nicht gerade mein Fall." „Wir sind nicht hier, um uns über deinen Musikgeschmack zu unterhalten, Abbs", sagte Gibbs und dank der neumodischen Technik konnte ich ihn ebenfalls verstehen. „Alles klar bei euch?" fragte Ziva. „Sicher", erwiderte ich und schob einen schwarzen Vorhang zur Seite, der uns den Weg versperrte. „Wow", entfuhr es mir und ich vergaß für einen Moment, dass sich hier nur Männer aufhielten. Der Club war auf zwei Etagen aufgeteilt. Links und rechts führten zwei Treppen ins Obergeschoss. Die Stufen waren ebenfalls mit rotem Teppich ausgelegt. Vor uns erstreckte sich eine riesige Tanzfläche, auf der sich zahlreiche Männer rhythmisch zu der Musik bewegten. Viele hatten einen Partner und ließen ihre Körper, wie bei einem Paarungstanz, aneinander reiben. Bunte Lichter verliehen ihnen seltsame Farben, genauso wie die sich wild drehende Diskokugel.
Rechts hinten befand sich eine lange Bar, vor der viele Hocker aufgestellt waren, die alle besetzt waren. An der linken Wand waren Bänke mit roten Überzügen befestigt, auf der sich die Tänzer ausruhen konnten. Aber nirgendwo waren Tische mit Nummern, also nahm ich an, dass sie sich im Obergeschoss befinden mussten. Ob es da ein Restaurant gab?
„Schade dass das ein Schwulenclub ist. Die Location ist echt klasse", sagte Abby aufgeregt. „Los, mischt euch ins Getümmel." Ich warf Gibbs einen kurzen Blick zu und immer noch Hand in Hand gingen wir los, umrundeten die Tanzfläche und steuerten die Bar an. Auf dem Weg dorthin rempelte mich ein Typ mit langen braunen Haaren an. Er grinste mich an und fuhr sich langsam mit der Zunge über seine Lippen. Was er von mir wollte, war mehr als deutlich und ich musste mich zusammenreißen, um ihm nicht meine Faust ins Gesicht zu schlagen. Jethro zog mich weiter und der Kerl winkte mir hinterher. „Das ist ja abartig", sagte ich. „Was erwartest du, DiNozzo. Wir sind hier in einem Schwulenclub." „Ja, Tony. Die stehen halt auf dich", ertönte Zivas Stimme in meinem Ohr und ich sah sie ganz genau vor mir, wie sie breit grinste.
Unbeschadet erreichten wir die Bar und Gibbs ließ meine Hand los. Erleichtert nahm ich mir die Cocktailkarte, die vor meiner Nase stand und überflog die Getränke und blieb bei einem hängen: den Blue In Spezial. Da schien viel Alkohol drin zu sein und so winkte ich dem muskulösen Barkeeper, der auf seiner Glatze eine Schlange tätowiert hatte und bestellte den Cocktail. Mein Boss hingegen blieb bei einem einfachen Bier.
„Hey, Süßer", sagte jemand rechts neben mir und durch die laute Musik konnte ich ihn kaum verstehen. Ich drehte meinen Kopf und sah einen etwa 40-jährigen Mann vor mir, der gute 10 Zenitmeter kleiner war als ich. Die blonden Haare hatte er zu einer Stachelfrisur aufgetürmt und seine braunen Augen musterten mich von oben bis unten. Sein Körper steckte in einer schwarzen Lederkleidung und die Ausbuchtung in seiner Hose machte deutlich, dass er an mir interessiert war. Ich fühlte mich gar nicht mehr wohl in meiner Haut. „Bist du alleine hier?" wollte er mit sinnlicher Stimme wissen und lächelte schief. „Ähm", brachte ich nur heraus. „Nein, er ist mit mir hier", erwiderte Gibbs neben mir und beugte sich vor, um den Mann mit seinen blauen Augen zu fixieren. Ich fragte mich, wie er bei diesem Lärm überhaupt mitbekommen hatte, dass ich angesprochen worden war. Aber ich hatte schon immer gewusst, dass sein Gehör besser als seine Augen war. „Such dir deinen eigenen Freund", meinte er schroff, legte besitzergreifend einen Arm um meine Schultern und zog mich an sich – wodurch ich mich seltsam beschützt fühlte. Der Typ hob abwehrend die Hände. „Bin schon weg."
Zivas Kichern drang an mein Ohr. „Hat es Spaß gemacht?" Das war der reinste Albtraum und als der Barkeeper endlich den blaufärbigen Cocktail vor mich hinstellte, sog ich gierig an dem bunten Strohhalm, der es irgendwie schaffte, an den vielen Früchte und den Schirm vorbeizukommen. Die Flüssigkeit war stark, schmeckte leicht nach Cocos und Wärme breitete sich in meinem Magen aus. „Suchen wir Tisch 27", schlug Gibbs vor, nahm seine Bierflasche und führte mich durch die Männermenge, wo mich hin und wieder ein gieriger Blick traf.
„Jetzt könnte ich eine Dusche vertragen", sagte ich, als wir eine der Treppen erreicht hatten und nach oben gingen. Kurz darauf gelangten wir in die erste Etage und ich blieb wie angewurzelt stehen. Es handelte sich um einen großflächigen Balkon, der – wie könnte es auch anders sein – mit rotem Teppich ausgelegt war. Hier oben war die Musik nicht ganz so laut und man konnte beinahe eine normale Unterhaltung führen, nur tat das hier anscheinend niemand. Vor uns standen etwa ein dutzend Tische und bei jedem befand sich ein langes Sofa, worauf mehrere Leute Platz fanden. Mehr als die Hälfte war besetzt - von knutschenden männlichen Pärchen. Ich spürte, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich und ich musste mich zusammenreißen, um nicht zurückzuweichen.
„Weißt du, was das ist?" fragte ich Gibbs entsetzt und drehte mich zu ihm um. „Ich bin ja nicht blind", antwortete er und seine Stimme klang seltsam belegt. Also fühlte er sich genauso unwohl wie ich, was mich ein wenig beruhigte. „Und ich glaube, ich habe gerade Tisch 27 entdeckt." Ich folgte seiner ausgestreckten Hand zu einem Platz in der linken hinteren Ecke, der nur darauf wartete, von uns eingenommen zu werden.
In der Hoffnung, das Bild würde sich verändern, schloss ich meine Augen, zählte bis drei und öffnete sie wieder. Aber alles war gleich geblieben, die sich wie wild küssenden Männer, die gemütlichen Sofas und der Tisch 27. Gibbs und ich waren in einer Knutschecke gelandet und es gab anscheinend nur einen Weg, um an das Kuvert zu gelangen…

„Komm mit", sagte Gibbs leise, nahm mich an der Hand und zog mich mit sich. Zuerst glaubte ich, dass wir zu dem Tisch gehen würden, aber wir steuerten eine Tür an, die ich vorher nicht bemerkt hatte, da ich von dem Anblick, der sich mir bot, zu entsetzt gewesen war. In silbernen Lettern stand Toilette auf dem schwarzen Holz und ich fragte: „Was wollen wir da drinnen?" „Wir haben noch sieben Minuten bis 22 Uhr und wir werden jetzt besprechen, wie wir das Ganze angehen." „Das wollte ich gerade ebenfalls vorschlagen", sagte McGee und erinnerte mich erneut daran, dass uns jeder zuhören konnte.
Jethro öffnete die Tür und schubste mich beinahe in den Raum, dessen Boden mit glitzernden hellbraunen Fliesen ausgelegt war. Die Wände waren in einem dazupassenden Gelbton gestrichen und es hingen ebenfalls Aktbilder von Männern an der Mauer. Rechts von der Tür befanden sich zwei Waschbecken mit einem großen Spiegel und anschließend fünf Kabinen. Die Toilette wurde von zahlreichen kleinen Lämpchen in der Decke beleuchtet.
Gibbs ließ mich los und öffnete jede Kabinentür, um zu prüfen, ob wir alleine waren. „Keiner da", meinte er kurz darauf und kam wieder zu mir. Ein wenig erleichtert lehnte ich mich an ein Waschbecken, trank einen großen Schluck des Cocktails und fragte leicht panisch: „Wieso müssen die unbedingt den Briefumschlag unter dem Tisch einer Knutschecke anbringen?" „Anscheinend wollen sie euch testen", antwortete Abby. „Du weißt schon, ob ihr auch die seid, für die ihr euch ausgebt." „Na klasse. Meinst du, es wäre auffällig, wenn wir uns dort einfach hinsetzen, unsere Drinks zu uns nehmen, das Kuvert schnappen und wieder abhauen, ohne dass wir… nun ja, fummeln?" wandte ich mich an Gibbs, der begonnen hatte, in dem Raum auf und ab zu laufen. „Mehr als auffällig", brummte er und nahm einen Schluck Bier. „Was machen wir jetzt?" „Wir können das Ganze abbrechen", meldete sich auf einmal Direktor Sheppard. „Ich würde verstehen, wenn ihr das nicht machen wollt und wir finden bestimmt einen anderen Weg, um an die Hintermänner heranzukommen. Schlussendlich liegt die Entscheidung bei euch." Ich sah zu Jethro, der stehen geblieben war und mich ansah. „Was meinst du?" fragte er mich und ich zuckte lediglich die Schultern. „Ich weiß nicht." Das Angebot, die Aktion abzubrechen, war mehr als verlockend, denn die Aussicht, in ein paar Minuten mit Gibbs wild rumzuknutschen, war nicht gerade verlockend und bereitete mir Übelkeit. Andererseits war das unsere Chance, die Verbrecher endlich dingfest zu machen. Vor meinen Augen sah ich unschuldige Menschen, die durch die Waffen in einem anderen Land umkamen oder schwer verletzt wurden. Ich hörte die Schreie der Verwundeten, die Hilferufe von Kindern, die ihre Eltern verloren hatten. Und um das verhindern zu können, brauchte ich nur einen Mann zu küssen – meinen Vorgesetzten, der mir tagtäglich eine Kopfnuss verpasste. Was war schon ein Kuss im Vergleich zum Tod von hunderten unschuldigen Menschen? Ich blickte zu Gibbs, sah ihm in seine blauen Augen und fällte eine Entscheidung. „In Ordnung", sagte ich und richtete mich auf. „Ziehen wir es durch." Überrascht hob er seine Augenbrauen. „Bist du dir sicher?" „Nein, aber es ist unsere einzige Möglichkeit, diese Männer zu finden. Bist du dir denn sicher?" Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen. „Nein und die Aussicht, dich zu küssen, gefällt mir gar nicht, DiNozzo. Aber wie du bereits erwähnt hast, ist es unsere einzige Chance." „Also macht ihr es?" fragte Ziva und ihre Stimme klang ungewohnt verblüfft. „Ja", sagte ich bestimmt, obwohl mir dieses winzige Wörtchen mehr als schwer fiel. Ich konnte es nicht glauben, dass ich dieser Aktion tatsächlich zugestimmt hatte. „Ich weiß das zu schätzen, aber ihr braucht…" begann Jen, aber ich unterbrach sie prompt, was ich noch nie getan hatte und Gibbs zu einem weiteren Lächeln brachte. „Aber nur unter einer Bedingung", meinte ich. „Wenn wir das durchziehen, dann ohne dass uns jemand dabei zuhört oder zusieht." Ich blickte zu Gibbs, der nach ein paar Sekunden zustimmend nickte. „In Ordnung." „Das geht nicht", mischte sich McGee ein. „Wenn… nun ja… wenn etwas schief gehen sollte oder ihr in Schwierigkeiten kommt, werden wir das nicht wissen und können euch nicht helfen." „Wir kommen schon zurecht", erwiderte der Chefermittler. „Das könnt ihr nicht machen", versuchte Sheppard, uns umzustimmen. „Wir melden uns, sobald wir den Club verlassen haben." Jethro nahm seinen Stöpsel aus dem Ohr und streckte mir die Hand entgegen. Ich entfernte meinen eigenen, gab ihm das winzige Gerät und er ging zu einer der Kabinen, warf sie in die Toilette und spülte sie hinunter. „Sehr effektiv, Boss", sagte ich, nahm die Brille herunter, klappte sie zusammen und steckte sie in meine Hosentasche. „Meinst du, die haben dort draußen Wanzen angebracht oder beobachten uns?" „Keine Ahnung", erwiderte er. „Vielleicht gehören einer oder mehrere Männer zu den Verbrechern." „Das heißt, ab jetzt wieder unsere Decknamen?" „Genau." Ich atmete tief durch, nahm noch einen Schluck der blauen Flüssigkeit. „Na dann, bringen wir es hinter uns." Gibbs nickte zögerlich, was ich bei ihm noch nie gesehen hatte. „Nervös?" fragte ich, als er mich erneut bei der Hand nahm. „Das geht dich gar nichts an, DiNozzo." „Stell dir einfach vor, ich wäre rothaarig", erwiderte ich und mit diesen Worten brachte ich ihn tatsächlich zum Lachen.

Kurz darauf traten wir aus der Toilette und gingen ohne Umschweife zu Tisch 27. Ein weiteres Pärchen war in der Zwischenzeit heraufgekommen und hatte sich einen Platz gesucht und sie waren bereits mit sich beschäftigt. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen und ich wünschte mir, ganz weit weg zu sein. Ich bereute meine Entscheidung jetzt schon, aber ich wusste, es gab kein Zurück mehr. Außerdem verließ sich Direktor Sheppard sicher auf uns, dass wir das Kuvert besorgen würden.
Ich hatte das Gefühl, ein Felsbrocken so groß wie der Mount Everest drückte mir auf die Brust und erschwerte mir das Atmen, aber trotzdem ließ ich mich brav neben Jethro auf dem Sofa nieder, das überraschend weich und gemütlich war - es wäre perfekt für ein Nickerchen. Er stellte die Bierflasche auf den Tisch, bückte sich und tat so, als ob er sich den rechten Schuh neu binden würde. „Alles klar, es ist hier", sagte er gleich darauf und richtete sich auf. Seine Stimme drang nur gedämpft zu mir durch, was einerseits auf die Musik zurückzuführen war, die von unten heraufdröhnte und andererseits auf das laute Rauschen meines Blutes in den Ohren. Ich unterdrückte den Impuls, den Cocktail in einem Zug auszutrinken, stellte das Glas auf den runden Tisch und drehte mich zu Jethro um. Er rückte näher an mich heran, sodass wir nur noch ein paar Zentimeter Luft zwischen unseren Gesichtern hatten. Mein Herzschlag erhöhte sich um ein Vielfaches und ich ballte meine Hände zu Fäusten, um ihr Zittern zu unterdrücken. Gibbs' Atem strich warm über meine Haut und ich blickte in seine blauen Augen, in denen ich eine Spur Angst erkannte - also war er genauso nervös ich. ‚Das ist doch Wahnsinn', dachte ich, als ich meinen Kopf nach vor beugte. Eine Sekunde später trafen sich unsere Lippen und meine erste Reaktion war: zurückzucken. Jethro schien zu spüren, was ich vorhatte und legte blitzschnell eine Hand in meinen Nacken und zog mich näher zu sicher heran, sodass ich keinen Ausweg mehr hatte.
Seine Lippen waren überraschend weich und lagen zärtlich auf meinen. Ich schloss zögerlich meine Augen und spürte, wie ich mich zuerst anspannte und schließlich entkrampfte. Gibbs' Finger streichelten sanft meinen Nacken und jagten mir einen Schauer über den Rücken. Unwillkürlich rückte ich noch näher an ihn heran und umfasste mit meiner rechten Hand seinen Unterarm. Mir wurde leicht schwindelig und die Ameisen in meinem Magen kamen erneut zurück. Sie strömten aus und überzogen meinen gesamten Körper mit einem Kribbeln. Unser Kuss war verhalten, aber trotzdem schaffte er es, eine Barriere in meinem Gehirn zu durchbrechen. Meine Zurückhaltung wurde immer schwächer und ich öffnete meinen Mund, um mit meiner Zungenspitze seine Unterlippe entlangzustreichen. Jethro schien die Botschaft zu verstehen, denn kurz darauf gewährte er mir Einlass. Sein Geschmack überflutete meine gesamten Sinne – eine Mischung aus Bier und sein ureigenes männliches Aroma. Seine Zunge strich seitlich an meiner entlang, zuerst langsam und dann immer fordernder. Unser Kuss wurde leidenschaftlicher und mein Körper reagierte mit einer Intensität darauf, die ich nie für möglich gehalten hätte. Erregung stieg in mir auf und breitete sich rasend schnell aus. Die Musik und Hintergrundgeräusche wurden immer leiser und drangen nur mehr als Summen an mein Gehör. Ich vergaß die Umgebung und spürte einfach Gibbs' Nähe, seinen Körper und seine weichen Lippen. Meine Finger fuhren seinen Unterarm, den sie vorher umschlossen hatten, hinauf, seinen Bizeps, Schulter und seitlich am Hals entlang, um schließlich seinen Hinterkopf zu erreichen. Ich vergrub meine Hand in seinen Haaren und zog ihn noch näher zu mir heran, aus Angst, er würde sich zurückziehen.
Während unsere Zungen einen kleinen Kampf ausfochten, ließ er meinen Nacken los und schickte seine Finger über meinen Rücken auf Erkundungstour. Ich spürte, wie er sich meiner Hüfte näherte, mein T-Shirt ein wenig nach oben schob und sich seine Hand warm auf meine Haut legte. Diese Berührung riss mich abrupt in die Wirklichkeit zurück und ich löste meine Lippen von seinen. Ich öffnete meine Lider und sah direkt in Gibbs' blaue Augen, die ein wenig verschleiert wirkten. Sie hatten eine ungewohnt dunkle Farbe angenommen, aber vielleicht lag das auch nur an dem gedämpften Licht, welches hier oben herrschte. Wir beide atmeten schwer - wobei ich mir in meinem Fall sicher war, dass dies nicht nur von Sauerstoffmangel herrührte – und mein Herz schlug wie wild in meiner Brust. Mein Gegenüber hatte auf mich eine Anziehungskraft, die ich nie für möglich gehalten hätte und auf einmal störte es mich gar nicht mehr, dass er meine bloße Haut berührte. Meine eigene Hand war noch immer in seinen grauen Haaren vergraben und wir blickten uns seit mehreren Sekunden tief in die Augen, ohne dass ich das Bedürfnis hatte, dies zu unterbrechen. Der ganze Auftrag rückte in den Hintergrund und für mich zählte auf einmal nur das Hier und Jetzt. Erstaunen lag in Jethros Augen, ein Gefühl, das ich nur zu gut kannte.
Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, aber er legte mir prompt einen Finger auf meine Lippen. Wir beide wussten, ein einziges Wort und die Stimmung wäre zerstört. Als er sicher war, dass ich nicht sprechen würde, legte er seine Hand an meine linke Wange und streichelte mit dem Daumen sachte über meine Haut – ohne unseren Blickkontakt zu unterbrechen. Das Blau seiner Augen wurde noch um einen Tick dunkler und erinnerte mich an einen wunderbaren Sommerhimmel im August. Die Zeit schien mit einem Mal still zu stehen und ohne nachzudenken, zog ich Gibbs' Kopf wieder zu mir heran. Er ließ es widerstandslos geschehen und kurz darauf trafen sich unsere Lippen zu einem weiteren leidenschaftlichen Kuss.

Fortsetzung folgt...
Chapter 6 by Michi
„Wieso dauert das so lange?" fragte McGee sicher bereits zum 10. Mal. Er war unverkennbar nervös und er versuchte sich nicht vorzustellen, was Gibbs und Tony gerade in diesem Club trieben. Er war mehr als überrascht gewesen, als DiNozzo gemeint hatte, die Aktion durchzuziehen. Gerade von ihm hätte er einen Rückzug erwartet. Und dass er jetzt mit Gibbs dort oben knutschend auf einem Sofa saß, war mehr als grotesk – immerhin standen beide auf Frauen. Tim war froh, dass er hier im Hauptquartier sein durfte. Nicht vorzustellen, wenn er jetzt bei Jethro sein musste oder noch schlimmer, bei Tony. Alleine bei dem Gedanken wurde ihm übel.
„Beruhige dich, McGee", antwortete Abby. „Es sind gerade mal 12 Minuten vergangen und wenn es echt aussehen soll, dann dauert so was eben ein wenig." Sie begann an ihrer Unterlippe zu kauen und wünschte sich, auf dem großen Bildschirm mitverfolgen zu können, was im Blue In vor sich ging, obwohl sie die beiden verstand. Ihr wäre es auch megapeinlich, wenn ihre Teamkollegen sie beim Küssen einer anderen Frau beobachten würde, – nicht, dass sie so etwas je tun würde. Innerlich bewunderte sie Tony und Gibbs, die ihre Rolle konsequent weiterspielten. Sie hätte eher damit gerechnet, dass sie auf das Angebot von Direktor Sheppard einsteigen und alles abblasen würden – und ausgerechnet DiNozzo hatte es abgelehnt. Seine Beweggründe würden sie brennend interessieren. Vielleicht sollte sie ihn nachher fragen? Nur, ob sie eine Antwort bekommen würde, das stand in den Sternen.
„15 Minuten", meldete sich McGee erneut. „Meint ihr, es ist irgendwas schief gelaufen?" „Die beiden bekommen das hin", erwiderte Ziva und überraschte mit ihren Worten alle, selbst Jenny, die nach außen kühl wirkte, aber innerlich genauso nervös war, wie Tim. Die Vorstellung, dass der Mann, der mit ihr vor Jahren einmal eine Affäre gehabt hatte, gerade einen anderen küsste, machte sie beinahe verrückt. Sie war Tony mehr als dankbar, dass er vorgeschlagen hatte, niemand sollte zuhören oder zusehen. Aber trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sich vor ihren Augen Bilder entwickelten.
„20 Dollar darauf, dass sie es mit der Zunge machen", sagte Abby. „Wer steigt ein?" „Abbs!" rief Tim schockiert. „Das ist nicht witzig!" „Finde ich auch, Timmy. Aber trotzdem, will jemand mitwetten?" Ziva schüttelte kurz ihren Kopf, kramte dann aber in ihrer Hosentasche und holte einen Geldschein hervor. „Ich halte dagegen. Tony würde so was nie machen." „Ihr seid doch verrückt", meinte McGee. „Und wie wollt ihr das überhaupt rausbekommen? Die beiden etwa fragen?" „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht", erwiderte die Forensikerin. Nach kurzer Überlegung zuckte sie die Schultern. „Vielleicht verspürt nachher einer der beiden das Bedürfnis, über die Erfahrung zu reden."
„Wohl kaum", mischte sich Jen ein. „Und könnten wir uns jetzt wieder wichtigeren Dingen zuwenden?" Obwohl sie das mit strengem Ton gesagt hatte, konnte sie sich nur schwer ein Lächeln verkneifen. Sie bewunderte immer wieder, wie das Team mit schwierigen Situationen umging.
Ziva steckte den 20 Dollar Schein zurück in ihre Hosentasche und starrte auf den dunklen Bildschirm, froh darüber, nicht zusehen zu müssen, was Gibbs und Tony in dem Club machten. Insgeheim freute sie sich bereits auf morgen, wenn sie ihren Kollegen damit aufziehen konnte, einen Mann geküsst zu haben. Das würde sicher Spaß machen, nur musste sie aufpassen, dass sie Jethro dabei nicht erwischte, sonst wäre ihr eine Kopfnuss sicher, zumal die ganze Sache für ihn auch nicht einfach war.
„Wenn sie sich nicht bald melden, sollten wir überlegen, die beiden Agenten reinzuschicken", sagte McGee und fuhr sich mit einer Hand durch sein kurzes Haar. Gleich darauf ließ ihn das Klingeln seines Handys zusammenzucken.

Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als uns das Geräusch eines umfallenden Glases in die Realität zurückholte. Mein Herz klopfte wie verrückt in meiner Brust, mein Körper prickelte vor Erregung und meine Lippen fühlten sich geschwollen an. Gibbs' Geschmack hatte sich in meinem Mund ausgebreitet und ließ mich nicht mehr los. Unsere Küsse waren immer leidenschaftlicher geworden und ich hatte von seinen Berührungen einfach nicht genug bekommen können. Seine Finger hatten mein T-Shirt immer höher geschoben und waren über meinen nackten Rücken geglitten - am Anfang zaghaft, dann immer schneller. Es war wie in einem Rausch gewesen, unfähig aufzuhören. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ein Mann in mir solche Gefühle auslösen konnte und gerade das war es, was mich nach der Rückkehr in die Realität am meisten erschreckte. Beinahe panisch löste ich mich aus Jethros Umarmung und rückte ein Stück von ihm weg. In seinen blauen Augen lag ein Funkeln, welches ich nicht deuten konnte, gepaart mit einem bestürzten Ausdruck. Also war ich nicht der Einzige, der fassungslos darüber war, dass zwischen uns eine derartige Leidenschaft entstanden war.
Ich spürte es förmlich, dass die Küsse zwischen uns etwas verändert hatten und so wie es sich momentan anfühlte, war es negativ. Plötzlich konnte ich Gibbs nicht mehr in die Augen sehen und ich riss meinen Blick von ihm los. Inzwischen waren fast alle Tische besetzt und das Glas, welches jemand umgestoßen hatte, lag noch immer auf einer der Platten. Anscheinend waren wir die Einzigen, die sich aus dem Konzept hatten bringen lassen.
Die Menge der Personen, die jetzt auf dem Balkon war, verriet mir, dass mehrere Minuten vergangen waren, seit wir uns auf das Sofa gesetzt hatten. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich mich so gehen hatte lassen und nur mühsam unterdrückte ich das Zittern meiner Hände – der Finger, die noch vor kurzem durch die Haare meines Bosses gefahren waren. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals und um ihn und den Geschmack Jethros aus meinem Mund zu vertreiben, nahm ich das Glas und trank den Cocktail in einem Zug aus. Der Alkohol breitete sich aus und lähmte ein wenig das Entsetzen, das mich einfach nicht mehr loslassen wollte. Mein ganzes Leben lang war ich von Frauen fasziniert gewesen und dann passierte so etwas. Noch vor Stunden hätte ich es für unmöglich gehalten, dass mich die Berührungen eines Mannes derart erregen konnten und unwillkürlich fragte ich mich, weshalb Gibbs dreimal geschieden war. An seinen sexuellen Fähigkeiten schien es jedenfalls nicht gelegen zu haben.
„Wir sollten uns langsam auf den Rückweg machen", riss er mich aus meinen Gedanken. Seine Stimme klang ungewohnt rau und als ich mich ihm zuwandte, war er es diesmal, der meinem Blick auswich. Anscheinend war ihm die Situation genauso peinlich wie mir, aber deswegen fühlte ich mich nicht besser. Normalerweise war ich es ständig, der nicht in seine Augen sehen konnte und jetzt war er es? Es wurde Zeit, dass wir diesen Auftrag hinter uns brachten, sonst würde noch alles in einem Chaos enden.
„Prima Idee", erwiderte ich und stellte erleichtert fest, dass meine Stimme halbwegs normal klang. Jethro bückte sich, nahm das Kuvert, welches an der Unterseite des Tisches befestigt war und steckte es sich in die Hosentasche. „Verschwinden wir von hier." Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und sprang fast auf. Erneut kam ich in den Genuss des Händchen haltens, denn wir mussten schließlich den Eindruck erwecken, die Knutscherei hätte uns Spaß gemacht – was in meinem Fall sogar zutraf. Diese Erkenntnis traf mich mit einer unglaublichen Wucht und ich hatte Mühe, mich seinem Griff nicht zu entwinden. In meinem Gehirn wirbelten die Gedanken durcheinander und mir wurde leicht schwindelig. Ich war direkt froh, an die frische Luft zu kommen, die ich gierig in meine Lungen sog. Kaum waren wir aus der Sichtweite des Clubs, ließ Gibbs meine Hand los, so als ob er sich an mir verbrannt hätte. „Ich schätze, jetzt werde ich von Jen ebenfalls eine Gehaltserhöhung verlangen", sagte er mehr zu sich selbst und schloss den Wagen auf. „Sieh nach, was in dem Kuvert steht." Gemeinsam mit dem Handy zog er es aus der Tasche und gab es mir, kaum dass ich mich auf den Beifahrersitz gesetzt hatte. Jethro wählte eine Nummer und wartete, dass jemand dranging. Währenddessen öffnete ich den Briefumschlag und zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus. Ich faltete es auf und wollte bereits vorlesen, als Gibbs sagte: „Wir haben das Kuvert, McGee." Ich reichte ihm den Zettel, sodass er die Zeilen lesen konnte, wobei er sich die Nachricht so weit wie möglich von den Augen weg hielt. „Das Treffen findet Freitagabend um 22 Uhr auf einem alten Fabrikgelände statt." Er gab die Adresse durch und fügte hinzu. „Ihr könnt Feierabend machen." Ohne ein weiteres Wort legte er auf, steckte das kleine Gerät wieder ein und startete den Motor. Gleich darauf fuhr er mit quietschenden Reifen los. Normalerweise machte ich immer einen Kommentar über seine schreckliche Fahrweise, aber diesmal hielt ich den Mund. Da zwischen uns den ganzen Weg bis zum Hotel ein drückendes Schweigen herrschte, zog ich es vor, aus dem Fenster zu sehen und das nächtliche Washington zu beobachten. Irgend etwas hatte sich definitiv verändert, das war uns beiden bewusst und keiner von uns wollte auf die letzten Minuten zu sprechen kommen – mir sollte es Recht sein. Ich konnte noch immer Gibbs' Lippen auf meinen fühlen, seine Finger auf meinem Körper spüren und die Leidenschaft, die er in mir hervorgerufen hatte, lauerte im hintersten Winkel und wartete nur darauf, erneut freigelassen zu werden. Sein Geschmack war beständig in meinem Mund und nicht einmal der Alkohol hatte ihn vertreiben können.
Mir wurde Jethros Nähe bewusst und beinahe hätte ich ihm gesagt, er solle noch schneller fahren. In dem Wagen war mir viel zu wenig Platz zwischen uns. Nach einer Ewigkeit, wie mir schien, erreichten wir das Hotel, wo uns sofort ein Angestellter die Türen aufmachte. Der Chefermittler ließ das Auto in der Obhut des jungen Mannes zurück und gemeinsam betraten wir die luxuriöse Eingangshalle. Wir hatten immer noch kein Wort miteinander gesprochen und diesmal verzichteten wir sogar auf das Händchen halten. Ich würde seine Berührung nicht ertragen können, denn ich hatte die Befürchtung, sie zu genießen, so wie ich unsere Küsse genossen hatte.
Die Fahrt mit dem Aufzug dauerte mir viel zu lange und als sich die Türen öffneten, stürmte ich fast zu der Zimmertür, die ich mit leicht zitternden Händen aufschloss. „Ich geh duschen", presste ich hervor und ohne Licht zu machen durchquerte ich das Schlafzimmer, um ins Bad zu gehen. Ich musste jetzt unbedingt alleine sein – egal, was Gibbs von mir denken mochte. Seine Gegenwart würde ich einfach nicht aushalten.
Mit einem Knall warf ich die Tür ins Schloss und lehnte mich dagegen. Nun, da ein gewisser Abstand zwischen uns herrschte, fühlte ich mich ein wenig besser. Nur, wie sollte ich die nächsten beiden Tage überstehen? Immerhin war der Einsatz noch nicht erfüllt. Ich beschloss, wenn die Aktion gelaufen und die Verbrecher verhaftet waren, würde ich mir Urlaub nehmen, um mir über die Gefühle klar zu werden, die Gibbs in mir hervorgerufen hatte und die mich mehr als alles andere erschreckten.

„Ich geh duschen", drang Tonys Stimme an Gibbs' Ohr und die Worte klangen ungewohnt gepresst. Kurz darauf war das Knallen einer Tür zu hören – was ihn leicht zusammenzucken ließ – und dann herrschte Stille, viel zu drückend für seinen Geschmack. Um dieser Ruhe zu entkommen, schnappte er sich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Er suchte sich einen Nachrichtensender und stellte die Lautstärke so ein, dass ihn die Stimme der Moderatorin leicht berieselte. Anschließend ließ er sich auf das Sofa fallen, legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Decke, so als ob sie das Interessanteste der Welt wäre.
Tony schien ganz schön durch den Wind zu sein, was Jethro allzu gut verstand, immerhin fühlte er sich nicht anders. Bereits als DiNozzo gesagt hatte, die Sache durchziehen zu wollen, hatte er gewusst, es würde nicht ohne Folgen bleiben. Es hatte ihn gewundert, dass er nicht auf Jens Angebot eingestiegen war, zumal er selbst stark in diese Richtung tendiert hatte. Die Aussicht, seinen Kollegen küssen zu müssen, hatte ihm überhaupt nicht gefallen und er war wirklich kurz davor gewesen, auf den Vorschlag der Direktorin einzugehen, als sein Kollege zugestimmt hatte, die Aktion durchzuziehen. Er hätte überraschter nicht sein können, vor allem da Tony die ganze Zeit solche Probleme damit gehabt hatte, homosexuell zu sein. Gibbs hätte noch immer den Einsatz abblasen können, aber eine innere Stimme hatte ihn davon abgehalten und jetzt bereute er es, auf die Sache eingestiegen zu sein.
Jethro hatte gedacht, ein kleiner Kuss würde genügen, aber dann lief die Sache aus dem Ruder. Als er DiNozzos weiche Lippen gespürt und der ihn anschließend mit der Zunge gereizt hatte, war es um seine Selbstbeherrschung geschehen. Er hatte sogar dem Drang nachgegeben, seinen Kollegen berühren zu wollen und war enttäuscht gewesen, als dieser den Kuss plötzlich unterbrochen hatte. Gibbs sah noch immer die grünen Augen vor sich, die dunkler als sonst gewesen waren und in denen eine Leidenschaft geleuchtet hatte, welche er noch nie gesehen hatte, vor allem nicht bei dem jungen Mann. Die Erkenntnis, dass er dies bewirkt hatte, hätte ihn eigentlich abschrecken müssen, hatte es aber nicht. Und als Tony seinen Kopf wieder zu sich herangezogen hatte, hatte er es widerstandslos geschehen lassen, aus dem Bedürfnis heraus, diese Lippen noch einmal spüren zu dürfen.
Ihn hatte eine Leidenschaft überfallen, die er lange nicht mehr gefühlt hatte und die Erregung, die die Küsse in seinem Körper hervorgerufen hatten, kribbelte immer noch nach. Alleine dafür, dass DiNozzo in ihm solche Gefühle ausgelöst hatte, verdiente er eine saftige Kopfnuss.
Jethro war sich nicht sicher, ob er dem Mann, der das Glas umgestoßen hatte, dankbar sein sollte oder nicht. Das Geräusch hatte ihn aus einem Rausch befreit, der einen Nachgeschmack in seinem Mund hinterlassen hatte, genauso wie Tony. Sein Aroma hatte seine Sinne förmlich überflutet und auch jetzt hatte ihn das noch nicht losgelassen. Am liebsten würde er sich jetzt die Zähne putzen, um diesen Geschmack loszuwerden, aber das Bad war ja besetzt. Unwillkürlich sah er DiNozzo vor sich, wie er in der Duschkabine stand und der warme Wasserstrahl auf seinen gebräunten Körper prasselte.
„Verdammt", fluchte Gibbs, obwohl er das sonst nie tat und setzte sich wieder aufrecht hin. Die Nachrichtensprecherin war verschwunden und hatte einer Wetteransagerin Platz gemacht, deren rote Haare weich in dem Studiolicht schimmerten. Ihre blauen Augen schienen ihn zu durchbohren und normalerweise würde er auf diese Haarfarbe ansprechen, aber heute ließ sie ihn völlig kalt. Irgendwie schien er neuerdings auf braun zu stehen.
Schrecken breitete sich in seinem Inneren aus, als ihm bewusst wurde, was er da dachte. Die Knutscherei mit seinem Agent hatte ihn mehr aus dem Konzept gebracht, als zuerst angenommen. Wütend darüber, dass er überhaupt Gefühle für einen Mann entwickeln konnte, stand er auf und ging zur zimmereigenen Bar. Jetzt brauchte er unbedingt etwas Stärkeres als ein Bier. Vielleicht würde es der Whiskey schaffen, Tonys Geschmack aus seinem Mund zu vertreiben. Das erste Glas stürzte er beinahe gierig hinunter, das nächste ließ er langsamer angehen. Der Alkohol lief warm seine Kehle hinunter und landete im Magen.
„Was passiert hier nur?" fragte er sich und starrte die Flüssigkeit an. In seinem Inneren tobte ein wahres Gefühlschaos, das er noch nie erlebt hatte und das ihn zu ersticken drohte. Da war er dreimal verheiratet gewesen, hatte sogar eine Affäre mit Jenny gehabt und dann brauchte es nur ein paar Minuten mit einem Mann, um ihn derart aus dem Konzept zu bringen – und ausgerechnet Tony hatte dies geschafft.
Nur mit Mühe konnte Gibbs den Impuls unterdrücken, das halbvolle Glas gegen die Wand zu schleudern, obwohl es bekanntlich hieß: ‚Scherben bringen Glück.' Und Glück konnte er jetzt definitiv gebrauchen, um die nächsten Tage zu überstehen. Wieso konnte der Auftrag nicht bereits morgen über die Bühne gehen oder noch besser, heute Nacht? Denn dann wäre die ganze Aktion endlich vorbei und er konnte in sein Haus zu seinem geliebten Boot zurückkehren, an dem er in diesem Moment nur zu gerne weiterbauen wollte. Das Schleifen des Holzes gepaart mit einem starken Kaffee hatten ihn immer beruhigt. Außerdem brauchte er Zeit zum Nachdenken - Zeit, um sich über seine Gefühle klar zu werden. Deshalb war er Tony auch ein wenig dankbar, dass er sich ins Bad verzogen hatte, um ihm aus dem Weg zu gehen. Aber dies war auch nicht die beste Lösung. Immerhin arbeiteten sie zusammen und konnten nicht ständig einen Bogen umeinander machen – das würde auf Dauer nicht gut gehen. Nein, sie mussten unbedingt miteinander reden, egal wie peinlich es für sie beide war, sich im selben Raum aufzuhalten. Und je schneller dieses Gespräch stattfand, desto besser war es und vielleicht konnten sie die Freundschaft, die all die Jahre zwischen ihnen geherrscht hatte, noch retten.
Gibbs hörte, wie die Tür zum Bad aufging und Tony ins Schlafzimmer trat. Beinahe wartete er darauf, dass er zu ihm kam, aber er ließ sich nicht blicken. Leichte Enttäuschung machte sich in ihm breit und so ging er auf die doppelflügige Tür zu. Noch immer hatte DiNozzo kein Licht angemacht, aber vom Wohnzimmer drang genug Helligkeit hinein, um ihn zu erkennen. Er trug nur eine Boxershorts und seine Haare waren leicht feucht – was ihn noch attraktiver auf ihn wirken ließ.
Ohne sich umzusehen ließ sich der Agent aufs Bett fallen, zog die Decke über seinen Körper und rührte sich nicht mehr. Jethro beobachtete ihn einfach, wie er ruhig atmete, die grünen Augen, die ihn vor etwas mehr als einer Stunde voller Leidenschaft angeblickt hatten, geschlossen. Zwischen ihnen hatte sich definitiv etwas verändert, so viel stand fest. Nur, wie sie damit umgingen, das stand noch in den Sternen.
Nach fünf Minuten beschloss Gibbs, das Schlafzimmer zu betreten. Tony atmete tief und gleichmäßig, woraus zu schließen war, dass er schlief. Die nassen Haare hinterließen einen Fleck auf dem Polster und standen in alle Richtungen ab. Sein Gesicht wirkte entspannt und er sah friedlich aus. Jethro stand einfach da und betrachtete den Mann, mit dem er bereits mehrere Jahre zusammenarbeitete und der plötzlich Gefühle in ihm wachrief, die er nicht kannte. Mühsam unterdrückte er den Impuls, seine Hand auszustrecken und mit einem Finger über diese weichen Lippen zu streichen, die ihn so sehr erregt hatten. Von seinen Gefühlen überwältigt, trat Gibbs einen Schritt zurück. Was machte er da überhaupt? Wieso betrachtete er DiNozzo als jemanden, der ihm mehr als ein Freund bedeutete?
Sein Herz schlug wie wild in seiner Brust und auf einmal hielt er es in dem Raum nicht mehr aus – musste aus der Nähe von Tony verschwinden. Beinahe fluchtartig verließ er das Schlafzimmer und schloss die Türen, sodass er nicht mehr in Versuchung kam, ihn anzusehen. Die heutige Nacht würden sie garantiert nicht im selben Bett verbringen. Er würde es nicht überleben, den Körper des Jüngeren so nahe bei sich spüren zu können, ohne ihn berühren zu dürfen.
Gibbs ließ sich auf das Sofa – auf dem er wohl schlafen würde – fallen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Was war nur los mit ihm? Eine Frage, auf die er schnellstens eine Antwort finden musste.

Fortsetzung folgt...
Chapter 7 by Michi
Donnerstag, 19. Mai
07:30 Uhr


Weiche Lippen drückten sanfte Küsse auf meinen nackten Bauch und ich genoss diese federleichten Berührungen mit geschlossenen Augen. Geschickte Finger streichelten meine Haut, fuhren an der linken Körperseite hinauf und hinunter und jagten Schauer der Erregung über meinen Rücken, der auf einer äußerst bequemen Matratze lag. Die Küsse wurden von einer Zungenspitze ersetzt, die eine feuchte Spur bis zu meinen Lenden zog, über meinen harten Schaft glitt und sich einen Weg über meinen Oberschenkel bis zur Kniekehle zu bahnten. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und meinem Mund entfuhr ein wohliges Stöhnen. Meine Nerven schienen in Flammen zu stehen und mein Körper schrie förmlich nach Erleichterung, die mir aber nicht gegönnt wurde.
Noch immer hielt ich meine Augen geschlossen, konzentrierte mich ganz auf die Berührungen, die mir köstliche Lust verschafften. Mein Herz klopfte laut in meiner Brust und der Pulsschlag dröhnte in meinen Ohren. Ich biss mir auf meine Unterlippe, als die Finger ihre Wanderschaft fortsetzten und sich um mein erigiertes Glied legten und es sanft streichelten. Unwillkürlich bog ich meinen Rücken durch und drängte mich der Hand entgegen, die mir solche Freuden schenkte. „Nicht aufhören", flüsterte ich und spürte, wie sich die Person höher schob und neben mir zu liegen kam, ohne jedoch die Berührung zu unterbrechen. „Habe ich auch nicht vor", erwiderte eine männliche Stimme und jetzt wagte ich es endlich, meine Augen zu öffnen. Ich blickte in ein Blau so tief wie ein See. Auf meinen Lippen bildete sich ein Lächeln und ich hob eine Hand, um sie in den grauen Haaren meines Partners zu vergraben. „Küss mich", sagte ich leise und zog seinen Kopf zu mir herunter. Unsere Münder trafen sich und wir teilten uns einen leidenschaftlichen Kuss. Sein Geschmack war überall – in dem Zimmer, in meiner Nase und auf meiner Haut.
Ich begann an seinem Ohrläppchen zu knabbern, zog eine feuchte Spur mit meiner Zunge über seinen Hals und blieb an der rechten Brustwarze hängen, um sie zu liebkosen. Ein Stöhnen hallte durch die stickige Luft des Raumes und erfüllte mich mit Befriedigung. Ich genoss es, ihn genauso zu berühren, wie er mich berührte. Meine Erkundung stoppte an seinem Bauchnabel, den ich langsam umkreiste und ich fuhr mit der Zunge wieder hinauf, um mich der linken Brustwarze zu widmen. Er nahm seine Hand von meinem Glied, umfasste mein Kinn und zwang mich, in seine blauen Augen zu blicken, die voller Leidenschaft verschleiert waren. „Liebe mich, Tony", flüsterte er und legte seine Lippen auf meine, um mir noch mehr Erregung zu schenken. „Gibbs", stöhnte ich nahe an seinem Mund und legte meine flache Hand auf die Stelle, wo sein Herz schlug.
„Hey, DiNozzo!" schrie jemand wütend und rüttelte mich unsanft an meiner rechten Schulter. Verwirrt ließ ich Jethro los, der plötzlich unscharf wurde. Vor meinen Augen löste er sich in Luft auf, genauso wie das stickige Zimmer…


Blinzelnd öffnete ich meine Lider und schloss sie sogleich wieder, als mich heller Sonnenschein traf. Erneut sah ich den Chefermittler vor mir, wie er mich voller Leidenschaft angesehen und „Liebe mich, Tony" geflüstert hatte. Mein vom Schlaf umnebeltes Gehirn realisierte nur langsam, dass es ein Traum gewesen war, ein mehr als realistischer, wie mir die Reaktion meines Körpers verriet. Ich hatte das Gefühl, noch immer die Zunge auf mir zu spüren oder die Finger, die mich sanft gestreichelt hatten. ‚Das kann doch alles nicht wahr sein', dachte ich verzweifelt und Schrecken überdeckte die Erregung, die mich in festem Griff hatte. Ich hatte doch tatsächlich von Gibbs geträumt, wie wir sowohl Zärtlichkeiten als auch Leidenschaft ausgetauscht hatten. Gequält fuhr ich mir mit einer Hand über mein Gesicht und wünschte, ich würde in einem großen schwarzen Loch versinken, um nicht mehr daran denken zu müssen. Wie konnte ich überhaupt so etwas träumen? Das war doch mehr als verrückt. Wenn es mit einer Frau gewesen wäre, wäre es etwas anderes, aber mit Gibbs? Anscheinend hatte der gestrige Abend seine Spuren hinterlassen.
„Willst du den ganzen Tag verschlafen, DiNozzo?!" riss mich die wütende Stimme aus meinen Gedanken und ich wagte es, meine Augen einen Spalt breit zu öffnen, nur um in das Blau zu blicken, welches mich nicht mehr los ließ. „Wieso nicht?" gab ich zurück und erhielt prompt einen Schlag auf meinen Kopf. „Steh endlich auf. Ziva hat angerufen. Sie kommt in ein paar Minuten vorbei, um mit uns die Vorgehensweise für morgen zu besprechen." „Hat das nicht noch Zeit?" wollte ich wissen und drehte mich um, um Gibbs nicht mehr ansehen zu müssen. Der Traum war noch immer sehr lebhaft und seine Nähe verwirrte mich mehr als alles andere. Konnte er nicht vom anderen Ende des Raumes aus mit mir reden?
„Nein, hat es nicht. Und jetzt schwing endlich deinen Hintern aus dem Bett oder ich schwör dir, ich verdonnere dich zu zweimonatiger Schreibtischarbeit." „Schon gut, schon gut", grummelte ich und setzte mich widerwillig auf, blickte ihn aber nicht an, aus Angst, die Gefühle von gestern würden mich erneut übermannen.
„Ich hole mir nur schnell eine Zeitung. Falls Ziva kommt, sag ihr, ich bin gleich wieder da." Ich sah weiter aus dem Fenster und nickte als Zeichen der Zustimmung. Ich hörte, wie er den Raum verließ und kurz darauf die Tür ins Schloss fiel. Dankbar, dass er endlich weg war, ließ ich mich wieder auf die Matratze fallen. Ich hätte unmöglich die Bettdecke in seiner Gegenwart zurückschlagen können, außer ich hätte das Bedürfnis verspürt, ihn wissen zu lassen, dass ich momentan körperlich erregt war. „Ach verdammt", fluchte ich und setzte mich wieder auf. Verwundert registrierte ich, dass die andere Hälfte des Bettes unberührt war, also hatte Jethro heute Nacht nicht bei mir geschlafen – wenigstens eine gute Nachricht. Am Abend zuvor hatte ich mich einfach hingelegt und war wider Erwarten sofort eingeschlafen, obwohl ich eher damit gerechnet hatte, stundenlang wach zu liegen.
Mit schlechter Laune kletterte ich aus dem Bett und dabei fiel mein Blick ins Wohnzimmer und was ich da sah, zauberte mir gegen meinen Willen ein Lächeln auf die Lippen. Gibbs hatte doch tatsächlich Frühstück bestellt.

Jethro schloss die Tür hinter sich und unterdrückte den Impuls sich dagegen zu lehnen. Stattdessen setzte er wie in Trance einen Fuß vor den anderen und versuchte zu ignorieren, was er soeben mitbekommen hatte. Er wollte eigentlich nicht ins Schlafzimmer gehen, aber seine Blase war nun mal voll gewesen und als er aus dem Bad wieder heraustrat, hatte ihn ein Stöhnen inne halten lassen. Zuerst hatte er gedacht, Tony hätte einen Albtraum, aber dann hatte er seinen Namen mit einer Leidenschaft in der Stimme gesagt, die ihm sämtliche Nackenhaare aufgestellt hatte. Ihm war sofort klar geworden, was DiNozzo da träumte und er beschloss, ihn zu wecken – in seiner üblichen schroffen Art. Die Tatsache, dass Ziva wirklich angerufen und gesagt hatte, sie würde gleich vorbeikommen, hatte ihm eine Lüge erspart und die Zeitung, die er sich holen wollte, war nur eine Ausrede gewesen, um dem jungen Mann die Chance zu lassen, sich von dem Traum zu erholen.
Gibbs betrat den Lift und drückte den Knopf für das Erdgeschoss. Anschließend lehnte er sich an die Wand und stellte sich das Gesicht seines Kollegen vor, als dieser entdeckte, dass es Frühstück gab. Vielleicht hatte er es deshalb bestellt, um ihn freundlicher zu stimmen. Es war offensichtlich, dass Tony noch immer wegen gestern durch den Wind war und die paar Stunden Schlaf hatten dieses Gefühl nicht vertrieben. Jethro war selbst verwirrt und die Tatsache, dass sein Kollege von ihm geträumt hatte, hatte alles noch viel schlimmer gemacht. Es war eine mehr als verzwickte Situation, die sie schnellstens klären mussten, sonst würde der ganze Einsatz noch den Bach runtergehen. Nur, wie zwang man einen sturen Mann dazu, sich im selben Zimmer aufzuhalten, wenn er dies gar nicht wollte? Aber Gibbs wäre nicht Gibbs, wenn er nicht eine Lösung finden würde.

Ich saß auf dem Sofa und hielt eine Tasse des äußerst starken Kaffees in der Hand. Wenn Gibbs wüsste, dass ich ihn mit ein wenig Zucker entschärft hatte, würde er mir glatt eine weitere Kopfnuss verpassen. Da war er wieder, der Gedanke an meinen Boss. Selbst wenn er nicht da war, ließ er mich nicht in Ruhe. Ich hatte das Gefühl, seine Nähe sogar zu spüren, obwohl er sich nicht einmal in dem Hotelzimmer befand. Der Traum verblasste ganz langsam, war aber immer noch leicht präsent, so als ob er sich in einen Winkel meines Gehirns eingenistet hatte und nur darauf wartete, mich im ungünstigsten Zeitpunkt erneut zu überfallen. Ich konnte diesen Freitagabend gar nicht mehr erwarten, denn dann wäre die ganze Show endlich vorbei und ich konnte wieder in mein normales Leben wieder zurückkehren. Nur, wie sollten Gibbs und ich uns im Büro verhalten? So tun, als ob nichts vorgefallen wäre? Auf Dauer würde das nicht gut gehen. Aber wir waren zwei professionelle Agents, es wäre doch gelacht, wenn wir die Situation nicht irgendwie meistern könnten.
Ich setzte mich aufrechter hin und überlegte bereits, mir einen weiteren Löffel Zucker in das starke Gebräu, welches sogar einen Toten aufwecken konnte, zu kippen, als es an der Tür klopfte. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Es war bestimmt Ziva und da Jethro noch nicht zurück war, konnte ich mir vorstellen, was jetzt kommen würde. Nicht gerade begeistert stand ich auf und öffnete die Tür, die sie sonst bestimmt eingetreten hätte, wenn sich niemand gerührt hätte. Erneut trug sie dieses Zimmermädchen Outfit und als sie erkannte, wer vor ihr stand, fing sie breit zu grinsen an.
„Morgen, Tony", begrüßte sie mich und drängte sich an mir vorbei ins Zimmer. „Na, gut geschlafen?" „Bestens", antwortete ich und stellte die Tasse auf den Tisch ab. Die junge Frau schnappte sich ein Croissant und biss herzhaft hinein. „Einfach köstlich. Ich hatte heute überhaupt keine Zeit zum Frühstücken." „Freut mich, dass es dir schmeckt", erwiderte ich und ließ mich auf die Couch fallen. Ziva sah mich neugierig an und dann kam die Frage, mit der ich gerechnet hatte, seit ich erfahren hatte, dass sie vorbeikommen würde. „Und, wie lief es gestern?" Ihr Grinsen kehrte zurück und in ihren Augen lag ein humorvolles Funkeln. „Bestens", knurrte ich und nahm erneut die Kaffeetasse. Alles war besser, als ihr ins Gesicht sehen zu müssen. Sie setzte sich auf einen Stuhl und beugte sich vor, das halb gegessene Croissant, das sie in der rechten Hand hielt, schien sie nicht mehr zu interessieren.
„Mir kannst du es doch erzählen, Tony. Wie war es… nun ja… einen Mann zu küssen?" Bei diesen Worten unterdrückte sie ein Kichern. Ich zog es vor, in den Kaffee zu starren und ignorierte die Frage. Wieso konnte sie mich nicht einfach in Ruhe lassen? Musste sie auch noch auf dem gestrigen Abend herumreiten? „Bist du stumm?" wollte sie wissen und wedelte vor meinem Gesicht mit ihrer Hand herum. „Nein, nur taub, wenn es um unsinnige Fragen geht, Officer David", meinte ich grantig. „Oh, da ist wohl jemand mit dem falschen Zeh zuerst aufgestanden." „Es heißt, mit dem falschen Fuß." „Wie auch immer. Und, war Gibbs gut?" Ich verdrehte die Augen, stellte mit einem lauten Krachen die Tasse auf den Tisch und fuhr sie an: „Kannst du mich nicht in Ruhe lassen?!" „Wieso regst du dich so auf? Abby hat sogar 20 Dollar gewettet, ob ihr es mit der Zunge gemacht habt." Mir klappte der Mund auf und ich war zum ersten Mal in meinem Leben sprachlos. Die Forensikerin hatte gewettet? Das war doch normalerweise mein Metier. „Abby würde so was nie machen", brachte ich schließlich hervor. „Hat sie aber. Frag McGee oder noch besser, Direktor Sheppard, wenn du es mir nicht glaubst. Sie waren dabei." Ich ließ mich auf der Couch zurückfallen und legte den Kopf in den Nacken. Nahm dieser Albtraum denn überhaupt kein Ende? „Also, wie war es…" begann Ziva erneut, unterbrach sich aber, als die Tür aufgeschlossen wurde und Gibbs eintrat. Ich blickte auf und unwillkürlich begann mein Herz schneller zu klopfen. Er trug lediglich ein weißes Hemd und eine Jeans. In seiner Hand hielt er eine zusammengefaltete Zeitung, die er jetzt auf den Tisch warf und sich neben mich auf das Sofa setzte. Sein Aftershave stieg mir in die Nase und beschämt stellte ich fest, dass sich erneut die Ameisen in meinem Magen an die Arbeit machten. Er war mir viel zu nahe, aber trotzdem war ich dankbar, dass er endlich aufgetaucht war und mich vor Zivas neugierigen Fragen gerettet hatte.
Jethro beugte sich vor und nahm sich meine halbvolle Tasse. „Das ist mein Kaffee, Boss", sagte ich und unterdrückte ein Grinsen, als er sein Gesicht verzog. „Was hast du damit angestellt?" fragte er, nachdem er das braune Getränk mühsam hinuntergeschluckt hatte und stellte die Tasse auf dem Tisch ab. „Ich habe Zucker hineingetan", antwortete ich und versuchte seinem Blick standzuhalten, der meine Herzfrequenz erneut erhöhte. Mühsam unterdrückte ich den Impuls, etwas von ihm wegzurücken. Wieso musste er sich auch so nah zu mir setzen? Machte es ihm Freude, mich so zu quälen? Aber wenn ich es mir Recht überlegte, woher sollte er auch wissen, wie es in meinem Inneren aussah?
„Habt ihr bereits angefangen, den Plan für den morgigen Abend zu besprechen?" wollte Gibbs wissen und lehnte sich zurück. „Wir wollten gerade damit anfangen, als du hereingekommen bist", antwortete Ziva und verschlang den Rest ihres Croissants mit drei Bissen. ‚Aha', dachte ich. ‚Den Boss fragt sie nicht, wie es für ihn gewesen ist, einen Mann zu küssen. Aber mich muss sie mit ihren Fragen nerven.' „Na, dann schieß mal los", sagte ich ein wenig gedehnt und versuchte mich nicht zurückzulehnen, da der Arm des Chefermittlers gefährlich in meiner Nähe auf der Rückenlehne lag. Unwillkürlich fühlte ich erneut seine Finger, die meinen nackten Körper gestreichelt hatten und seine Lippen, die mich verwöhnt hatten. Ich schluckte den Kloß hinunter und versuchte mich auf Zivas Worte zu konzentrieren, die anfing, den Plan zu erläutern, den sie mit Jen und McGee ausgetüftelt hatte.

Das Gespräch mit Ziva dauerte insgesamt fast eine Stunde, wobei Gibbs kein einziges Mal von meiner Seite wich. Ich hatte Mühe, nicht aufzustehen und mich woanders hinzusetzen, was auf meine Kollegin einen super Eindruck machen würde. Sie wusste ja nicht, dass ich mich in der Nähe von Jethro nicht sehr behaglich fühlte und das sollte auch so bleiben. Es reichte schon, dass sie mich über den Kuss ausgefragt hatte, da wollte ich ihr nicht noch mehr Munition für ihre Sticheleien liefern.
Die 60 Minuten zogen sich in die Länge und mittendrin hatte ich kurz das Gefühl, bereits einen ganzen Tag auf dem Sofa verbracht zu haben. Als die junge Frau endlich geendet hatte und wir alles noch einmal durchgegangen waren, atmete ich erleichtert auf. Endlich konnte ich Gibbs' Fängen entfliehen und als Ziva aufstand, folgte ich prompt ihrem Beispiel. Sie würde den Tag damit verbringen, mit McGee das Gelände der aufgelösten Fabrik zu durchsuchen, um günstige Plätze ausmachen zu können, an denen sie morgen Agenten postieren konnten. Am liebsten würde ich ihnen dabei helfen, aber da das nicht möglich war, entschied ich mich, joggen zu gehen. Ein langer schweißtreibender Lauf im Park war genau das Richtige, was ich jetzt gebrauchen konnte. Einerseits würde ich endlich etwas Bewegung bekommen, andererseits würde ich meinen Boss eine Zeit lang nicht sehen. Der Duft seines Aftershaves hatte sich gnadenlos in meiner Nase festgesetzt und was wäre besser als Autoabgase und die Gerüche eines Stadtparks, um diesen loszuwerden?
Ziva verabschiedete sich und ließ uns zurück. Jethro saß noch immer auf der Couch und blickte mich an. „Wir müssen heute nicht ständig in dem Zimmer bleiben, oder?" fragte ich und wünschte, meine Stimme würde nicht so belegt klingen. Musste er mich so intensiv mit seinen blauen Augen ansehen? Konnte er nicht die Decke mustern oder die Holzmaserung des Tisches vor ihm?
„Nein", antwortete er und beugte sich ein wenig vor. „Super. Dann hast du sicher nichts dagegen, wenn ich joggen gehe, oder? Ich brauche ein wenig Bewegung." Und bevor er die Frage verneinen konnte, eilte ich ins Schlafzimmer, um mir eine Sporthose und ein T-Shirt anzuziehen. Sicherheitshalber steckte ich mir noch ein paar Dollarscheine ein. Man konnte ja nie wissen, wann man etwas Bares brauchte. Innerhalb von fünf Minuten war ich fertig und als ich erneut den Wohnraum betrat, sah mir Gibbs ruhig entgegen. Er musterte mich von oben bis unten, was mir einen nicht unangenehmen Schauer über den Rücken jagte. Es wurde wirklich Zeit, dass ich hier raus kam. Ich war bereits an der Tür, als mich seine Stimme inne halten ließ. „Tony?" Zögernd drehte ich mich um und sah zu meinem Boss, der sich noch immer nicht gerührt hatte. „Ja?" „Wir müssen reden." Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich nervös wurde. „Worüber?" fragte ich, obwohl ich es nur zu genau wusste. „Über gestern Abend", kam prompt die Antwort. Ich atmete tief ein und erwiderte: „Können wir das nicht auf später verschieben? Heute soll es noch regnen und ich will die Zeit nützen, bevor es so weit ist." Ehe Gibbs die Möglichkeit hatte, mich aufzuhalten, öffnete ich die Tür und trat auf den Gang hinaus. Erleichterung durchflutete mich und ich hatte das Gefühl, erstmals seit Stunden wieder klar denken zu können. Während ich zum Lift ging, dachte ich über seine Worte nach. Ich wusste, ich würde um dieses Gespräch nicht herumkommen, egal wie sehr ich mich dagegen wehrte oder versuchte, mich davor zu drücken. Jethro schien sehr viel daran zu liegen, die Fronten zwischen uns zu klären, aber noch war ich nicht bereit, über gestern zu reden. ‚Würde ich das jemals sein?' fragte ich mich selbst, als ich mit dem Aufzug in das Erdgeschoss fuhr. ‚Wahrscheinlich nicht', antwortete ich mir gleich darauf selber und betrat die Lobby. Um diese Uhrzeit war es angenehm ruhig und als ich auf die Straße trat, sog ich die warme Luft tief in meine Lungen. Noch war der Himmel blau, aber heute Nachmittag würde es zu regnen anfangen. Bis dahin würde ich die Zeit im Freien verbringen, obwohl ich mir der Tatsache bewusst war, dass Gibbs wahrscheinlich vor Wut schäumen würde. Aber ich konnte jetzt nicht in seiner Nähe sein und das Gespräch, das heute unweigerlich stattfinden würde, würde schon schwer genug werden. Nur gut, dass ich mir ein wenig Geld mitgenommen hatte, denn wenn er glaubte, ich würde nüchtern mit ihm reden, dann hatte er sich gewaltig geschnitten. Vielleicht würde ein wenig Alkohol die Situation leichter machen – jedenfalls hoffte ich das.

Fortsetzung folgt...
Chapter 8 by Michi
Das Klicken, mit dem die Tür ins Schloss gefallen war, hallte noch mehrere Sekunden in Gibbs' Ohren wider. Er wusste nicht, ob er wütend auf Tony sein sollte, der sich vor dem Gespräch drückte, oder eher erleichtert, noch ein wenig Zeit zu haben, um sich die richtigen Wörter zu Recht legen zu können – wobei momentan die Wut überwog. Sein Kollege hatte es tatsächlich gewagt, sich aus dem Staub zu machen und ließ ihn hier zurück. Irgendwie verstand er ihn ein wenig, dass er Bewegung brauchte, aber dass er sich einfach umdrehte und abhaute, ohne dass Jethro auch nur die Gelegenheit hatte, ihm zu befehlen, hier zu bleiben, machte ihn zornig. Es machte auf ihn den Eindruck, als ob DiNozzo vor ihm flüchten würde, dabei wollte er das gar nicht.
Die letzten 60 Minuten waren für beide nicht leicht gewesen und die Entscheidung, sich neben ihn auf das Sofa zu setzen war spontan gefallen. Er wusste genau, Tony würde es nicht sehr mögen, aber er wollte bei Ziva nicht den Eindruck erwecken, sie hätten irgendwelche Probleme. Für ihn war es nicht einfach gewesen, ruhig sitzen zu bleiben, obwohl ihm beständig der Duft seines Kollegen in die Nase gestiegen war – der noch immer sehr präsent in dem Raum war.
Mit einer Hand fuhr er sich durch seine Haare, brachte sie dadurch in Unordnung und stand auf. Er wusste nicht, wann DiNozzo wieder zurückkommen würde, aber spätestens am Nachmittag würde er wieder hier sein, außer er verspürte das dringende Bedürfnis, vom Regen nass zu werden. Bis dahin musste er sich etwas einfallen lassen, damit er endlich mit ihm in einem Zimmer blieb und nicht die Möglichkeit hatte, erneut zu verschwinden. Vielleicht sollte er seine Handschellen, die er sicherheitshalber eingepackt hatte, aus seiner Reisetasche holen. Gibbs lächelte bei dem Gedanken, Tony an den Heizkörper zu ketten, damit er nicht mehr abhauen konnte. Er wäre wahrscheinlich ziemlich wütend, würde sich aber nicht mehr vom Fleck rühren können. Die Frage war jedoch, ob er dann überhaupt ein Wort sprechen würde. Am Besten wäre es, wenn er es zuerst mit Drohungen und Befehlen probierte. Und wenn das nicht funktionierte, müsste er eben doch auf die Handschellen zurückgreifen.

Gerade als es wie aus Eimern zu schütten anfing, erreichte ich wieder das Hotel und trotzdem wurde ich ein wenig nass. In der Ferne grollte ein Donner und dieser unterstrich die unheimliche Atmosphäre, welche die dunklen Wolken am Himmel produzierten. Meine Uhr zeigte kurz vor fünf, als ich etwas zögernd in den Fahrstuhl stieg.
Den ganzen Tag über war ich unterwegs gewesen und ich hatte das Gefühl, halb Washington zu Fuß durchquert zu haben. Ich war rastlos durch die Straßen gegangen, ohne einmal anzuhalten, außer zu Mittag, als sich mein Magen lautstark zu Wort gemeldet hatte. Immerhin hatte ich nicht gefrühstückt, da mir der Traum und vor allem das Gefühlschaos in meinem Inneren meinen Appetit vertrieben hatten. Aber nach einiger Zeit in der warmen Frühlingsluft war er wieder zurückgekehrt und so hatte ich mir einen Hamburger gekauft, den ich innerhalb von Minuten verschlungen hatte. Anschließend hatte mich mein Weg in den East Potomac Park geführt, wo ich eine Stunde damit zugebracht hatte, mittels joggen die Kalorien des Essens in meinem Körper abzubauen. Die Anstrengung hatte schlussendlich dazu geführt, dass ich mich so richtig frei gefühlt hatte und zum ersten Mal seit gestern Abend war ich zu logischem Denken fähig. Gibbs war nicht bei mir und er konnte mich mit seiner Anwesenheit nicht länger quälen. Die Ameisen in meinem Magen hatten sich verflüchtigt, aber ich wusste, sie würden wiederkommen. Die Veränderung, die der Kuss ausgelöst hatte, ging viel tiefer als ich angenommen hatte und ich spürte förmlich, dass sich zwischen mir und Jethro ganz langsam etwas entwickelte und dieses Etwas hatte nichts mit Freundschaft zu tun. Noch war es zu früh, um es mit Worten zu beschreiben, aber das Gefühl war da, ganz klein, so wie eine frische Knospe an einem Baum nach einem langen Winter. Und ich hatte Angst davor, es würde zu blühen anfangen, sich weiter entwickeln, bis es kein Zurück mehr gab. Das Ganze war erschreckend, denn immerhin stand ich ja auf Frauen. Nur, stimmte das überhaupt noch? Ich hatte den ganzen Tag über keinem einzigen weiblichen Wesen nachgesehen, obwohl sie mir zahlreich begegnet waren – nicht einmal das Bedürfnis dazu hatte ich verspürt. Es war vor allem diese Tatsache, die mich auf meinem Weg zurück ins Hotel in eine Bar getrieben hatte. Der andere Grund war das Gespräch mit Gibbs, zu dem es an diesem Abend unweigerlich kommen musste.
Ich lehnte mich gegen die Wand des Fahrstuhls und wartete, dass dieser die fünfte Etage erreichte. Ich fühlte mich von den drei Flaschen Bier, die ich innerhalb kürzester Zeit getrunken hatte, leicht schwummrig und die Umgebung schien sich ein wenig zu drehen. Es war der perfekte Zustand für eine Unterredung mit meinem Boss, die ich hoffentlich noch ein wenig hinauszögern konnte. Ich war ein wenig verschwitzt und meine Haare feucht von dem Regen. Vielleicht hatte ich die Chance, mich ins Bad zu flüchten und mir ein paar Wörter zu Recht zu legen.
Mit einem leisen Pling entließ mich der Lift und ich ging langsam auf die Tür zu, hinter der das Hotelzimmer lag. Mein Herz schlug unwillkürlich schneller und ich verfluchte den Umstand, mir nicht noch ein viertes Bier gegönnt zu haben. Aber für wozu gab es schließlich eine Minibar?
Ich schluckte, atmete tief durch und schloss die Tür auf. Meine kleine Hoffnung, Jethro wäre vielleicht selbst unterwegs, erfüllte sich nicht. Wie bereits am Vormittag saß er auf der Couch, nur war diesmal der Fernseher eingeschaltet. Vor ihm auf dem Tisch stand ein leeres Whiskeyglas und die dazugehörige Flasche war um ein Drittel geleert worden. Also war ich nicht der Einzige, der heute auf Alkohol zurückgegriffen hatte. Das kleine bisschen Mut, das ich mir angetrunken hatte, verflüchtigte sich und ich wollte bereits den Rückzug antreten, als Gibbs seinen Kopf zu mir drehte und mich mit seinen blauen Augen fixierte. „Ich wollte bereits eine Suchmeldung rausgeben", sagte er ruhig und schenkte sich etwas von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit nach. „Wirklich?" fragte ich und schloss die Tür. „Nein", erwiderte er mit einem kleinen Lächeln, wobei mir prompt mein Hals trocken wurde. Ich beobachtete, wie er den Whiskey in einem Zug austrank und erst als er das Glas abstellte, riss ich meinen Blick von ihm los. Er wirkte entspannt und dabei hatte ich eigentlich mit einem Donnerwetter gerechnet, weil ich einfach so abgehauen war. Gibbs sah mich erneut an, fuhr sich über seinen Mund und sagte: „Tony, wir müssen reden." Ich verdrehte die Augen und meinte: „Können wir das nicht verschieben? Ich wollte duschen und…" „Nein, wir werden das kein weiteres Mal verschieben", unterbrach er mich mit etwas lauterer Stimme und beugte sich vor. „Setz dich." „Ich stehe lieber", erwiderte ich trotzig und verschränkte die Arme vor meiner Brust. In Jethros Augen trat ein wütendes Funkeln und er stand auf, worauf ich unwillkürlich einen Schritt zurückwich. „Anthony DiNozzo, du setzt dich jetzt sofort in diesen Stuhl oder ich werde dich wohl oder übel dazu zwingen!" Mir klappte der Mund auf und ich starrte ihn ungläubig an. Gibbs hatte mich noch nie mit meinem vollständigen Namen angeredet und da er es tat, war er anscheinend mit seiner Geduld am Ende. Aber so leicht würde ich nicht aufgeben. „Du willst mich also dazu zwingen?!" fragte ich genauso laut und ließ meine Arme sinken. „Ja." „Und wie willst du das anstellen? Mich etwa zur Aktenarbeit verdonnern?" Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen und er begann in seiner Hosentasche zu kramen. Eine Sekunde später hielt er Handschellen in seinen Fingern, die in dem Licht der Deckenlampen glänzten. Ich sah erschrocken zu Gibbs, in dessen Augen es unheilvoll glitzerte. „Das ist nicht dein Ernst, Boss", sagte ich leicht panisch. „Es ist mein voller Ernst." Er kam einen Schritt auf mich zu und ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. „Okay, du sollst deinen Willen haben", gab ich kurz darauf nach, denn die Vorstellung, dass er mich gegen die Wand drücken und mir meine Hände fesseln würde, gefiel mir ganz und gar nicht. Um ihn ja nicht auf falsche Gedanken zu bringen, ließ ich mich in einen Sessel fallen. „Bist du jetzt zufrieden?" fragte ich leicht gehässig und beobachtete, wie sich Gibbs auf das Sofa setzte – die Handschellen legte er gut sichtbar auf den Tisch – und den Fernseher auf Stand bye schaltete. „Ich wusste doch, dass du vernünftig bist, Tony." „Die kannst du wieder einstecken", sagte ich und verschränkte erneut meine Arme vor der Brust. „Ich weiß, aber ich lasse sie zur Sicherheit mal hier liegen. Du scheinst mir ziemlich oft aus dem Weg zu gehen und falls du nochmals auf die Idee kommen solltest, abhauen zu wollen, will ich vorbereitet sein." „Das würdest du nicht wagen." „Probier es aus und ich werde es dir beweisen." Jethro schenkte sich erneut einen Whiskey ein und nahm einen kleinen Schluck. Ich unterdrückte den Impuls, es ihm gleichzutun, stattdessen meinte ich: „Ich geh dir nicht aus dem Weg." „Da habe ich aber einen anderen Eindruck. Gestern Abend hast du dich ins Bad verzogen und bist schlafen gegangen, ohne ein Wort zu sagen." „Ich war müde." „Außerdem bist du heute morgen ständig meinem Blick ausgewichen", redete er weiter, ohne auf meinen Einwand zu achten. „Du hast mich während dem Gespräch mit Ziva kein einziges Mal angesehen und als sie weg war, bist du ebenfalls verschwunden, mit der Ausrede, Bewegung zu brauchen." „Ich war joggen", verteidigte ich mich, gab meinen Widerstand auf und nahm mir ebenfalls ein Glas Whiskey. Der Alkohol brannte mir in der Kehle, aber ich ließ mir nichts anmerken. „Fast sieben Stunden lang?" Er blickte mich zweifelnd an. Vor kurzer Zeit hatte ich mich wunderbar frei gefühlt, aber jetzt kehrte dieses unangenehme Gefühl zurück, dass mich in seiner Nähe seit kurzem ständig befiel. Wütend darüber, welche Wirkung er auf mich hatte, stellte ich das Glas auf den Tisch und sagte ziemlich laut: „Verdammt, was willst du eigentlich von mir?!" Jethro hob eine Augenbraue und er schien überrascht, dass ich meine Stimme in seiner Gegenwart so erhob.
„Ich will wissen, was mit dir los ist, DiNozzo!" erwiderte er genauso laut und mindestens so wütend. „Wieso gehst du mir ständig aus dem Weg?!" „Ich habe dir vorher schon gesagt, ich gehe dir nicht aus dem Weg!" Er fuhr sich frustriert durch seine Haare. „Es ist wegen gestern Abend, oder?" Ich starrte auf meine leicht zitternden Hände und wusste, er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Gibbs schien mein Schweigen als Zustimmung aufzufassen, denn kurz darauf fuhr er fort: „Das habe ich mir gedacht." „Wenn du es bereits weißt, weshalb fragst du dann danach?" Er schloss seine Augen und rang sichtlich um Geduld. „Weil ich mitbekomme, dass dir die Sache von gestern zu schaffen macht." „Ach ja? Und was ist mit dir? Wer hat denn heute auf dem Sofa geschlafen?" konterte ich und beugte mich angriffslustig vor. Das Gespräch schien eine Richtung einzuschlagen, mit der er wohl nicht gerechnet hatte und die ihm ganz und gar nicht behagte. „Hier geht es nicht um mich." „Nein? Um was dann?" „Um dich. Ich will wissen, weshalb du mir ständig ausweichst. Und fang nicht wieder an, mir zu widersprechen", fügte er schnell hinzu, als ich bereits den Mund aufmachte. Seine Stimme hatte den Ton angenommen, den er normalerweise nur anschlug, wenn er einen Verdächtigen verhörte. Seine Augen blickten direkt in meine eigenen und nagelten mich förmlich fest. Gibbs rutschte an den Rand des Sofas und kam mir immer näher. Er sah mich unerbittlich an und ich hatte den Eindruck, als ob er gleich aufstehen, seine Arme links und rechts auf die Sessellehen stützen und sein Gesicht dicht an meines bringen würde. Unwillkürlich kam ich mir wie bei einem seiner Verhöre vor. „Was bedrückt dich?" fragte er erneut. „Was ist mit dir los?" Jethro beugte sich vor und ich konnte einen Hauch seines Atems auf meiner Haut fühlen. Ich wusste, er würde nicht locker lassen und er kam mir auf einmal gefährlich vor, wie eine Klapperschlange kurz vor dem tödlichen Biss – was ihn ungemein attraktiv machte. Ich atmete durch den geöffneten Mund und schaffte es nicht, mich von seinen blauen Augen zu lösen, obwohl ich es zu gerne wollte. „Rede mit mir, Tony", sagte er gefährlich ruhig und etwas in seinem Blick ließ den Schutzdamm in meinem Gehirn brechen, den ich aufgebaut hatte, in der Hoffnung, ihm nicht die Wahrheit sagen zu müssen. Aber er hatte eine Wirkung auf mich, mit der ich nie gerechnet hätte und bevor ich es verhindern konnte, purzelten die Wörter über meine Lippen. „Ich habe es genossen, das ist mit mir los!" schrie ich. „Verdammt, ich habe es genossen!" Gibbs sah mich überrascht an und ich sprang auf, musste aus seiner Nähe verschwinden. „Oh nein, du wirst jetzt nicht wieder davonlaufen, DiNozzo!" schrie er ebenfalls, stand auf und packte mich am Arm. „Lass mich los!" Mit Mühe entriss ich mich seinem Griff und wich einen Schritt zurück. „Meinst du etwa, für mich ist die Situation einfach?!" fragte Jethro laut und folgte mir. „Glaubst du etwa, du bist der Einzige, der nicht weiß, wie er mit der Sache umgehen soll?!" Sein Gesicht war wutverzerrt und ich versuchte weiter, ihm zu entkommen, bis ich mit dem Rücken gegen eine Wand prallte und nicht mehr weiter konnte. Gibbs blieb gerade mal einen halben Meter vor mir stehen. „Du hast den Kuss also genossen?! Und fragst du dich nicht, wie es mir dabei ergangen ist?! Glaubst du, ich hätte dich über 10 Minuten geküsst, wenn es mir nicht gefallen hätte?! Denk mal darüber nach, Tony!" Er atmete schnell. Ich stand weiter an die Wand gedrängt und wusste nicht, was ich sagen sollte. Seine Stimme hallte mehrere Sekunden lang in meinen Ohren wider und die Worte: wenn es mir nicht gefallen hätte ließen mich nicht mehr los. Ihm war es also genauso ergangen wie mir? War er vielleicht ebenso durch den Wind wie ich? Ich spürte, wie mich meine Wut verließ und sich meine Muskeln entspannten. Gibbs stand noch immer nahe bei mir, so nahe, dass ich nur den Arm auszustrecken brauchte, um ihn zu berühren. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, um gar nicht erst in Versuchung zu geraten.
„Was passiert nur mit uns?" fragte ich leise, beinahe flüsternd. „Ich weiß es nicht", antwortete er genauso ruhig. „Du weißt es nicht?" „Nein." „Dabei hast du sonst immer für jedes Problem eine Lösung parat." „Diesmal nicht." Jethro sah mich an und in seinen Augen lag ein Ausdruck, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, der mich aber stark an den liebevollen Blick von vor zwei Tagen erinnerte. Mein Herz begann schneller zu schlagen und in meinem Magen stieg ein Kribbeln auf, das sich über meinen gesamten Körper ausbreitete. Mein Zorn war auf einmal verflogen und es war das erste Mal seit gestern Abend, dass ich nicht vor Gibbs flüchten wollte – im Gegenteil. Es schien, als ob wir durch den Streit beide Dampf abgelassen hatten und jetzt wussten, wie wir zu dem Kuss standen.
Der Drang, Jethro zu berühren, wurde fast übermächtig und ich hob zögernd meinen rechten Arm. Er rührte sich nicht vom Fleck und als sein Blick zu meinen Lippen schweifte, wurde mir gleichzeitig heiß und kalt. ‚Was geht hier nur vor sich?' fragte ich mich und aus Angst, ihn zu verschrecken, ließ ich meinen Arm wieder sinken. Gibbs kam näher auf mich zu und mir wurde ganz schwummrig zu Mute, woran aber nicht der Alkohol Schuld hatte, den ich getrunken hatte. „Was… was wird das?" stotterte ich und meine Stimme klang atemlos. Er lächelte leicht und erwiderte: „Halt die Klappe, Tony." Jetzt war es an ihm, seinen Arm zu heben und er umfasste meinen Nacken, so wie er es vor fast 20 Stunden bereits einmal getan hatte. Noch vor 30 Minuten wäre ich vor dieser Berührung zurückgeschreckt, aber nun war es anders – genauso wie die ganze Situation.
Unwillkürlich ließ ich meinen Blick zu seinen Lippen schweifen und der Drang, sie auf meinen zu spüren wurde übermächtig – genauso wie der Drang, erneut in den Rausch zu fallen, der gestern von mir Besitz ergriffen hatte. Ich sah auf und in Gibbs' blauen Augen blitzte ein Verlangen auf, das mir einen Schauer der Erregung über meinen Körper jagte. Er verstärkte den Griff in meinem Nacken und brachte sein Gesicht noch näher an meines. Sein Atem roch leicht nach Whiskey und kitzelte meine Haut. Und ehe wir beide so richtig realisieren konnten, was da gerade passierte, trafen sich unsere Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss.

Fortsetzung folgt...
Chapter 9 by Michi
Die Zeit schien auf einmal still zu stehen. Das Einzige, was ich bewusst wahrnahm, war mein wie wild klopfendes Herz, Gibbs' Geschmack und seine Zunge, die in meinen Mund eintauchte und an meiner entlang fuhr. Seine Lippen fühlten sich noch genauso weich an, wie ich es in Erinnerung hatte und erneut fiel ich in den Rausch, nicht genug bekommen zu können. Seine Finger lösten sich von meinem Nacken und legten sich auf meinen Hinterkopf, der normalerweise das Ziel seiner Klapser war, aber heute strich er mir durch die Haare, zog mich noch näher an sich. Ich stand weiterhin mit dem Rücken zur Wand, aber jetzt trat ich einen kleinen Schritt vor, ohne unseren Kuss zu unterbrechen, legte einen Arm um seine Taille und presste seine Hüfte gegen meine. Seine wachsende Erektion drängte sich hart gegen meinen Oberschenkel. Vor einer Stunde hätte mich das noch abgeschreckt, aber jetzt war ich stolz darauf, dass ich es schaffte, ihn mit nur einem Kuss körperlich so zu erregen.
Jethro löste schließlich seinen Mund von meinem und fuhr meine linke Wange entlang, bis er an meinem Hals angelangt war und anfing, leicht mit seinen Zähnen über meine Haut zu schaben. „Das ist doch verrückt, was wir hier machen", keuchte ich und versuchte den Rest Verstand zusammenzuhalten, der mir geblieben war. „Verrückt ist nicht einmal annähernd der richtige Ausdruck dafür", erwiderte er atemlos an meinem Ohr, bevor er an dem Läppchen knabberte. Obwohl es eine sanfte Berührung war, schossen mir heiße Schauer der Erregung durch meinen Körper und ich konnte froh sein, eine weite Sporthose zu tragen. Im hintersten Winkel meines Gehirns flüsterte eine Stimme, dass es ein Fehler war, was wir taten und trotz des Wissens, dass es nachher nie wieder so sein würde wie vorher, schloss ich genießerisch die Augen und ließ mich erneut gegen die Wand drängen. Ich wollte jetzt nicht über die Konsequenzen unseres Tuns nachdenken, ignorierte das bisschen Vernunft, welches ich noch besaß und konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt. Gibbs presste seinen Körper an meinen und als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich in ein Blau so tief wie ein See. Ich verlor mich in seinem Blick, der voller Leidenschaft war. „Du schmeckst echt gut", flüsterte er mit vor Erregung rauer Stimme und ich erwiderte mit einem breiten Grinsen: „Und du nach Whiskey." Ein Lächeln huschte über seine Lippen, ein Lächeln, in dem ein Versprechen lag. In diesem Moment wussten wir beide mit Sicherheit, dass es kein Zurück mehr gab. Wir hatten einen Weg beschritten, den wir nur mehr vorwärts weiter gehen konnten.
„Küss mich, Tony." Diese drei kleinen Wörter brachten mich dazu, meine restlichen Bedenken über Bord zu werfen und ich presste meinen Mund hart auf seinen. Mit einem Mal fühlte es sich richtig an und ich hatte den Eindruck, nie etwas anderes gewollt oder getan zu haben. Jethro legte seine Hände auf meine Hüften, schob mein T-Shirt hoch und liebkoste meine bloße Haut, bevor er sich von mir löste, es mir komplett über den Kopf zog und es achtlos auf den Boden warf. Er trat einen Schritt zurück und betrachtete mich ausgiebig von oben bis unten. Allein sein Blick genügte, um mich halb verrückt werden zu lassen. Mir wurde ganz heiß, obwohl die Klimaanlage auf eine angenehme Temperatur eingestellt war. Wenn er schon so eine Wirkung auf mich hatte, nur weil er mich ansah, wie war es erst, wenn er anfing, meinen Oberkörper mit seinem Mund zu liebkosen? Ich löste mich endgültig von der Wand und kam auf ihn zu. „Zufrieden?" fragte ich neckend, zog ihm das Hemd aus der Hose und öffnete den ersten Knopf. „Nicht schlecht", erwiderte er lediglich. „Ist das alles, was dir dazu einfällt?" Ich schaffte den zweiten Knopf, gefolgt vom dritten und vierten. „Hmm", machte Gibbs und ließ mich nicht aus den Augen. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich es geschafft sein Hemd zu öffnen, streifte es ihm über die Schultern und ließ es zu Boden fallen. Ich betrachtete seinen muskulösen Brustkorb und legte eine Hand auf die Stelle, wo sein Herz schnell schlug. Langsam glitten meine Finger abwärts, liebkosten zärtlich seine Haut, fuhren über seinen Bauch, immer weiter hinunter, bis ich sie auf seine Erektion legte. Ich blickte ihn an, das Blau seiner Augen wurde dunkler und ihm entschlüpfte ein Stöhnen. Etwas zaghaft begann ich ihn durch die Hose zu streicheln und bemerkte mit Freuden, dass er härter wurde. Es war ein wenig seltsam, auf einmal keine weichen Rundungen unter meiner Hand zu spüren, sondern feste Muskeln. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass es sich so wunderbar anfühlen konnte, einen Mann zu liebkosen, den viel herberen Duft einzuatmen, so lange, bis mir leicht schwindelig wurde.
Ich erhöhte ein wenig den Druck, bis Gibbs' Atem schneller ging, ja beinahe keuchend und er mit einer Hand meinen rechten Oberarm umklammerte. „Nicht schlecht war vielleicht der falsche Ausdruck", presste er hervor und drängte sich mir entgegen. Zufrieden lächelte ich ihn an und küsste ihn voller Leidenschaft.
Ohne uns zu voneinander zu trennen, drehten wir uns ein wenig und ich wurde von Jethro richtig gehend ins Schlafzimmer gezerrt. Ich gab meine gesamte Zurückhaltung auf, löste mich von ihm und versetzte ihm einen Stoß, sodass er mit dem Rücken auf der weichen Matratze landete. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er mich an und als er mir seine Hand entgegenstreckte, ergriff ich sie ohne zu zögern und ließ mich von ihm hinunterziehen. Ich legte mich auf ihn, drückte meine Lippen auf seinen Hals und ließ sie über seine überraschend weiche Haut wandern. Mit meiner Zungenspitze zog ich eine feuchte Spur bis zu seiner Brust und nagte an seiner rechten Warze, die sich prompt zusammenzog und hart wurde. Gibbs stöhnte erstickt und für einen kurzen Moment hielt er die Luft an, als ich ihn zart biss und schließlich meine Erkundungstour wieder aufnahm. Ich bewegte mich immer tiefer, ließ meinen Mund über seinen Bauch gleiten, umkreiste seinen Nabel und erst als ich am Bund seiner Jeans angekommen war, hielt ich inne. Gekonnt spreizte ich seine Beine, kniete mich dazwischen und öffnete die Schnalle seines Gürtels, gefolgt vom Knopf. Quälend langsam zog ich den Reißverschluss nach unten und fing an, ihm die Hose über die Hüften zu zerren. Gibbs hob sein Becken, um es mir leichter zu machen. Kurze Zeit später glitt der Stoff über seine Oberschenkel und um es schneller zu erledigen, stand ich auf, entledigte ihn seiner Schuhe, Socken und schaffte es schließlich, ihm die Jeans komplett auszuziehen. Er lag fast nackt vor mir, nur mehr die dunkelblaue Boxershorts verdeckte sein Glied. Um ihn zu reizen, kam erneut meine Zunge ins Spiel. Ich fuhr seine Wade entlang, machte kurz Halt an der Kniekehle und arbeitete mich an der Innenseite des linken Oberschenkels weiter hinauf. Gleich darauf umfasste ich den Bund seiner Boxershorts, zog sie nach unten und warf sie irgendwo in eine Ecke, wo sie auf dem Boden landete. Ich betrachtete Jethro, der splitternackt vor mir lag und ich genoss es, dass er mir so ausgeliefert war. „Nicht schlecht", meinte ich und blickte ihm in seine Augen, die ein wenig glasig wirkten. Sein Lächeln war erotisch und ohne nachzudenken, senkte ich meinen Kopf und fuhr mit meiner Zunge über seinen harten Schaft. Seine Hüfte bog sich mir entgegen und er stöhnte meinen Namen voller Lust, was mich mit tiefer Befriedigung erfüllte. Ich nahm sein hartes Glied vollends in meinem Mund auf, setzte meine Zähne und Zunge gekonnt ein, so als ob ich das bereits mein ganzes Leben lang gemacht hätte. Seine Finger gruben sich in meine Haare, drängten meinen Kopf weiter nach unten und er schob sich noch tiefer in meinen Mund hinein. Sein lautes Keuchen erfüllte die vor Leidenschaft geschwängerte Luft und schickte Welle um Welle heißer Lust durch meinen Körper, bis mich eine Hitze erfasst hatte, die ich noch nie erlebt hatte. Sein Geschmack breitete sich überall in mir aus und als ich mit meiner Zunge zärtlich über die Eichel fuhr, entrang sich seiner Kehle ein ersticktes Stöhnen, das mir verriet, dass ich soeben einen mehr als sensiblen Punkt gefunden hatte, der ihm schier den Atem raubte.
Ich ließ nicht von ihm ab, verwöhnte ihn weiter, trieb ihn auf den Rand des Abgrundes zu. Als ich instinktiv spürte, wie er kurz vorm Höhepunkt stand, ließ ich von ihm ab und schob mich wieder nach oben, bis wir auf Augenhöhe waren. Sein Atem ging keuchend und strich warm, ja beinahe heiß, über meine Haut. Gibbs vergrub seine Hand in meinen Haaren, zog meinen Kopf zu sich und küsste mich voller Inbrunst. Seine Hände waren überall an meinem Körper, schienen jede ihm zugängliche Stelle gleichzeitig zu berühren und ehe ich mich versah, lag ich auf dem Rücken und wurde von seinem Gewicht auf die Matratze gedrückt. Er vergrub seine Zähne in meiner Schulter, schabte über meine Haut und innerhalb von Sekunden standen meine bereits angeheizten Nerven in Flammen. Seine Hände erkundeten jeden Zentimeter meines Körpers, so als ob er sich jede Einzelheit einprägen wollte. Seine Finger fuhren mal zärtlich, dann wieder beinahe fordernd über meine Haut und ließ sie fiebrig heiß werden. Meine Sporthose blieb nicht lange an ihrem Platz, sondern wurde gnadenlos von Jethro nach unten gezerrt. Er zog mich schneller aus als ich ihn, mit einer Ungeduld, die ich nie erwartet hätte. Als ich vollkommen nackt war, hätte ich mich eigentlich unbehaglich fühlen müssen, aber genau das Gegenteil war der Fall. Ich genoss es, wie er mich betrachtete, sich jede Vertiefung einprägte und es allein durch Blicke schaffte, mich derart zu erregen, dass ich begann, mich auf der weichen Matratze leicht hin und her zu winden. Gibbs legte sich auf mich, liebkoste meinen Oberkörper mit seiner Zunge, überzog ihn mit einer feuchten Spur und widmete besonders meiner rechten Brustwarze seine Aufmerksamkeit, während er über die andere mit seinem Daumen rieb, so lange, bis ich anfing, mich an ihm zu reiben, in der Hoffnung, endlich Erlösung von der süßen Qual zu finden, die er mir schenkte. Heiße Lust pulsierte durch meine Adern und mein gesamtes Blut schoss mir in meine Lenden. Mein Glied war steif und es pochte und dabei hatte er es kein einziges Mal berührt.
Seine Lippen wanderten nach einer schier endlosen Zeitspanne endlich tiefer und die kleinen Küsse, mit denen er meinen Körper bedeckte, ließen mich in Flammen aufgehen. Mir wurde schrecklich heiß und als er mich schließlich in seinen Mund aufnahm, hatte ich das Gefühl, zu vergehen, zu zerschmelzen. Ich krallte meine Finger in die Bettdecke und meiner Kehle entwand sich ein lautes Stöhnen. Als seine Zähne zart an meinem Schaft entlang schabten, wurde mir schwindelig und ich schloss die Augen, wartete auf die Erlösung, die diese Hitze aus meinem Inneren vertreiben würde. Jethro stellte sich unglaublich geschickt an und seine Zunge stellte mit meinem Glied Sachen an, die mich mehr als einmal unwillkürlich meine Hüfte von der Matratze heben ließ, um mich ihm weiter entgegenzudrängen. Sein Mund war wunderbar heiß und feucht und er schien von irgendwoher zu wissen, was mir am meisten gefiel und was meine Lust noch weiter anheizte.
Ich näherte mich unaufhaltsam dem Höhepunkt und ausgerechnet kurz vor der Erfüllung hörte er auf, genauso wie ich es bei ihm gemacht hatte. Wie durch einen dichten Nebel bekam ich mit, wie er sich höher schob, neben mir zu liegen kam und ich öffnete blinzelnd meine Augen. Mein Hals fühlte sich trocken an und ich brachte kein einziges Wort zu Stande, war nicht einmal fähig, irgendetwas zu denken. Jethro beugte sich vor und küsste mich, wobei ich mich selbst auf seiner Zunge schmecken konnte, was ich unglaublich erotisch fand. Gleichzeitig schob er seine Finger nach unten und legte sie um mein erigiertes Glied, das noch nie so hart gewesen war. Langsam fing er an, seine Hand vor und zurückzubewegen, wobei er geschickt seinen Daumen über den sensible Eichel wandern ließ, sie massierte, bis ich das Gefühl hatte, ich würde unter seinen Händen wie Eis unter der Sonne zerschmelzen.
Ich löste meinen Mund von seinem, da ich Angst hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Sein Gesicht verschwamm vor meinen Augen, als mich eine Ekstase überkam, die ich noch nie erlebt hatte. Seine Hand trieb mich dem Gipfel der Lust immer näher, seine Bewegung wurde von mal zu mal schneller und als mich der Höhepunkt mit einer ungekannten Heftigkeit überkam, erstickte er meinen Schrei mit seinem Mund, während ich seine Hand und meinen Bauch mit meiner ureigenen Essenz bedeckte. Die Wellen des Orgasmus überrollten mich und ließen meinen Körper unkontrolliert zucken. Ich krallte die Finger meiner linken Hand in Gibbs' Oberarm und ließ erst locker, als sich meine Muskeln wieder entspannten. Mein Atem ging in keuchenden Stößen und ich ließ mich in die Polster zurücksinken, nicht sicher, ob ich jemals wieder normal atmen konnte. Meine Haut war schweißbedeckt und glühte noch immer.
„Wow", brachte ich hervor und drehte meinen Kopf so, dass ich Jethro ansehen konnte, der lächelte. „Du kennst mich doch, Tony. Ich mache nie halbe Sachen." Seine Worte brachten mich leise zum Lachen und ich spürte, wie ich mich langsam entspannte und sich mein Atem nach und nach normalisierte. „Du bist doch nicht etwa bereits müde?" fragte er leise und begann erneut, an meinem Ohr zu knabbern, wodurch neuerliche kleine Schauer der Erregung durch meinen Körper schossen. Ich drehte mich zu ihm um und blickte ihn an. „Nein", hauchte ich und legte zart meine Lippen auf seine, wobei ich meine Hand tiefer gleiten ließ. Immerhin hatte er mir unglaubliche Freuden geschenkt also war es jetzt an mir, ihn über den Rand des Abgrundes zu schicken, in den ich vor wenigen Minuten selbst gefallen war.

Fortsetzung folgt...
Chapter 10 by Michi
Freitag, 20. Mai
11:17 Uhr


Die warmen und vor allem hellen Sonnenstrahlen holten mich aus einem tiefen und ungewohnt erholsamen Schlaf. Ich fühlte mich entspannt, so als ob ich eine Ganzkörpermassage hinter mir hätte. Mein noch leicht benebeltes Gehirn konnte mir jedoch nicht sagen, was ich gestern getan hatte, dass ich mich jetzt so wohl fühlte. Blinzelnd schlug ich die Augen auf und erkannte das Schlafzimmer der luxuriösen Hotelsuite, in der ich die letzten Tage verbracht hatte. Auf dem Boden lag meine Sporthose, die ich gestern getragen hatte und unwillkürlich fragte ich mich, wieso ich sie einfach dorthin geschmissen hatte. Aber ich wollte jetzt nicht darüber nachdenken, sondern noch ein wenig schlafen. Ich wollte bereits meine Lider schließen, als ich auf einmal eine kleine Bewegung hinter mir spürte. In diesem Moment registrierte ich den warmen Körper, der sich an meinen Rücken schmiegte, und den Atem, der mir in regelmäßigem Abstand über meine Haut im Nacken strich und ein angenehmes Kribbeln hinterließ. Ein kräftiger Arm war um mich geschlungen und eine Hand lag zart auf meinem nackten Bauch – eine große Hand, wie ich nach einem kurzen Blick feststellte, lange Finger, die mich vor Stunden überall gestreichelt und erregt hatten.
Die Erinnerungen der letzten Nacht rissen mich aus meinem wohligen Dämmerzustand und ich hatte Mühe, nicht aufzuspringen. Mein Herz klopfte wie verrückt und mein Hals wurde auf einmal staubtrocken. „Oh mein Gott", flüsterte ich fast tonlos und starrte auf meine Sporthose, die unverändert am Boden lag. Mit einem Mal war mir klar, weshalb sie sich dort befand und nicht auf einem Stuhl oder im Schrank. Gibbs hatte sie mir ungeduldig ausgezogen, um mich anschließend mit dem Mund zu verwöhnen – und er hatte mich mit seiner Hand zu einem atemberaubenden Höhepunkt gebracht. Ich könnte schwören, seine Zunge und Zähne noch immer zu spüren und alleine der Gedanke daran erhitzte mein Blut. Wir hatten beide von einander nicht genug bekommen können, hatten uns gegenseitig von einem Orgasmus zum nächsten befördert und als ich an unsere zwischenzeitliche mehr als heiße Dusche dachte, schloss ich leise stöhnend meine Augen. Unter dem Wasserstrahl hatten wir uns richtig geliebt und nicht nur mit dem Mund und den Händen verwöhnt. Es war unglaublich gewesen und eigentlich müsste ich jetzt erschrocken sein, dass ich mich einfach so fallen gelassen hatte, aber irgendwie schaffte ich das nicht. Unser ganzes Tun hatte sich richtig angefühlt und es war, als ob wir beide nie etwas anderes gemacht hätten. Jeder hatte auf unerklärliche Weise gewusst, was dem anderen gefiel und es ohne zu zögern angewandt. In der vergangenen Nacht waren wir nicht Kollegen oder Vorgesetzter und Mitarbeiter gewesen, sondern einfach zwei Männer, die ihrer Leidenschaft freien Lauf gelassen hatten – eine Leidenschaft, deren Geruch noch immer leicht in dem Zimmer hing.
Als ich so dalag, Gibbs eng an meinen Rücken geschmiegt, wurde mir klar, dass es zwischen uns nie wieder so sein würde wie vorher. Er war zwar immer noch mein Boss, aber die Zusammenarbeit, wie ich sie kannte, würde es wohl nicht mehr geben. Alleine der Kuss in dem Club hatte etwas verändert und unsere Freundschaft auf eine harte Probe gestellt, eine Freundschaft, die wir wahrscheinlich noch hätten retten können, wenn wir letzte Nacht nicht so weit gegangen wären. Ein Kuss im Rahmen eines Auftrages war eine Sache, aber Sex in gegenseitigem Einverständnis etwas anderes. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass es jemals so weit kommen würde, noch dazu mit einem Mann. Seit meiner Pubertät war ich nur mit Frauen ins Bett gegangen, hatte jedem Mädchen in enger Kleidung nachgesehen und dann änderte ein Undercover Einsatz alles. Es war ein Fehler gewesen, bei dieser Aktion mitzumachen, das hatte ich von Anfang an irgendwie gespürt, aber jetzt war es zu spät. Ich konnte die Zeit nicht mehr zurückdrehen. Nur, wollte ich das überhaupt? Alleine die Erfahrung gemacht zu haben, dass Gibbs so unglaublich zärtlich sein konnte, war unbezahlbar und dass ich es geschafft hatte, ihn mit meinem Mund zum Gipfel der Lust zu jagen und nicht auf die Palme, so wie ich es normalerweise tat, war ein unbeschreibliches Gefühl.
Ich erschrak über meine Gedanken, die ich soeben hatte. Das Ganze war doch mehr als verrückt. Ich sollte mich jetzt eigentlich unbehaglich fühlen, aber wenn ich ehrlich war, genoss ich es, dass Jethro so nahe bei mir lag. Es war anders als nach dem Kuss, wo ich so verwirrt über meine körperliche Reaktion gewesen war. Ich fühlte genau, dass sich zwischen uns etwas entwickelte und die kleine Knospe der Gefühle war dabei, aufzublühen, aber noch war sie geschlossen.
Frustriert schüttelte ich den Kopf, hielt aber sofort wieder inne, aus Angst, Gibbs zu wecken. Denn ich wusste nicht, wie ich ihm unter die Augen treten sollte, nicht nach dem was letzte Nacht passiert war. Ich hatte nicht einmal eine Ahnung, wie er reagieren würde, wenn er aufwachte. Würde er erschrecken, wenn ihn die Erinnerungen einholten? Würde er aus dem Bett springen und in seine übliche schlechte Laune verfallen? Oder würde er sich noch näher an mich schmiegen und mir freundlich einen guten Morgen wünschen?
Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, für ihn würde es noch schwerer werden als für mich. Er war der Typ Mensch, der seine Gefühle nie offen zeigte, außer gestern, als er mir offenbart hatte, dass er den Kuss genauso genossen hatte. Dieses Geständnis hatte mich mehr als verblüfft und es war diese Aussage gewesen, die meine gesamte Wut vernichtet hatte. Nur, wie würde er mit der neuen Situation umgehen? Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, in den normalen Alltagstrott zurückzukehren und so zu tun, als ob nie etwas zwischen uns passiert wäre. Alleine schon die Berührung seiner Hand an meiner Haut ließ die Erinnerungen und die Hitze, die in mir gelodert hatte, zurückkehren. Wie würde es erst sein, wenn ich erneut in seine blauen Augen – die mir einen Schauer der Erregung nach dem anderen über den Rücken gejagt hatten - blickte? Am liebsten würde ich es gar nicht herausfinden.
Eine Bewegung hinter mir riss mich aus meinen Gedanken und Panik stieg in mir auf. Nein, Gibbs durfte noch nicht aufwachen. Ich war noch gar nicht bereit, mich ihm zu stellen. Was sollten wir nur miteinander reden geschweige denn, wie miteinander umgehen?
Der warme Atem in meinem Nacken wurde unregelmäßiger und mein Herz begann wie wild zu klopfen, als die Finger über meinen Bauch streichelten, aber plötzlich in der Bewegung inne hielten. Anscheinend realisierte er gerade, mit wem er im Bett lag. Ich hörte ein ungläubiges Stöhnen, was mir ein kleines Lächeln auf die Lippen zauberte. Oh ja, für ihn war es definitiv schwer, wenn nicht sogar ein wenig peinlich.
Die Hand verschwand von meiner Haut und seine Stimme drang an mein Ohr: „Was haben wir nur getan?" Mein Grinsen wurde breiter. „Nun, ich kann mich noch sehr lebhaft daran erinnern", antwortete ich und kassierte prompt einen Schlag auf den Hinterkopf. „Au!" rief ich empört und rieb mir die schmerzende Stelle. „Ich habe nicht dich gefragt", sagte Gibbs gewohnt schroff. „Nun, dann hättest du die Frage eben leise stellen sollen." „Ich habe ja nicht gewusst, dass du bereits wach bist." Verlegenes Schweigen breitete sich zwischen uns aus und mein Blut rauschte viel zu laut in meinen Ohren. Jethro lag noch immer ziemlich nahe bei mir, machte aber keine Anstalten, ein wenig Platz zwischen uns zu schaffen. Sein Atem strich über meine Haut und ich wünschte, ich hätte nicht das Bedürfnis, seine Lippen erneut darauf zu spüren. Obwohl ich seine Nähe mehr als genoss, wusste ich, dass es ein Fehler wäre, wenn wir es erneut so weit kommen lassen würden wie letzte Nacht.
„Tja… äh…", stotterte ich, drehte mich auf den Rücken und setzte mich auf. Ich sah auf Gibbs hinunter, der mich aus seinen blauen Augen musterte, in denen eine Spur des Funkelns zurückgekehrt war, das ich nur zu gut kannte. Seine Haare waren zerzaust und wenn mich nicht alles täuschte, hatte ich ihm doch tatsächlich auf der Schulter einen Knutschfleck verpasst. Wenn er den entdeckte, würde er mich garantiert mit einem dutzend Kopfnüsse bestrafen. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und versuchte das Kribbeln zu ignorieren, welches in mir aufstieg.
„Ich denke, wir sollten langsam aufstehen", sagte ich und warf einen Blick auf die Uhr. „Es ist bereits nach halb zwölf." Überrascht zog Gibbs seine Augenbrauen in die Höhe. „So spät?" „Hmmm", erwiderte ich, wollte die Bettdecke zurückschlagen, überlegte es mir aber anders. Auf einmal wurde mir bewusst, dass ich vollkommen nackt war und unwillkürlich stieg mir eine Schamesröte ins Gesicht.
„Ähm, Boss, könntest du vielleicht wo anders hinsehen." „Wieso?" fragte er sofort und setzte sich ebenfalls auf. „Nun ja, meine Hose liegt dort auf dem Boden und na ja, ich will schließlich aufstehen und…" Mir wurde bewusst, dass ich mich eben wie ein Vollidiot aufführte und krallte meine Finger in die Decke. „Es gibt nichts, was ich von dir noch nicht gesehen hätte, Tony", erwiderte Gibbs und ihm huschte ein Lächeln über seine Lippen – ein Lächeln, das mir prompt einen Schauer über den Rücken jagte. „Jedenfalls, so weit ich mich erinnere", fügte er kurz darauf hinzu. Noch mehr Verlegenheit stieg in mir auf und ich wich seinem Blick aus, der mich total aus dem Konzept brachte. „Nun denn", meinte ich, sammelte meinen gesamten Mut, warf die Decke zur Seite und stand auf. Mir war mehr als bewusst, dass mich Jethro ansah, jede meiner Bewegungen verfolgte. Ich bückte mich und da ich meine Boxershorts nicht finden konnte, nahm ich die Hose und zog sie mir schnell über. Kaum war ich nicht mehr nackt, fühlte ich mich gleich viel besser.
„Wann wollte Ziva vorbeikommen?" fragte ich, nur um diese Stille zu durchbrechen, die sich schon wieder ausbreitete. „Gegen 16 Uhr." „Gut. Also, wenn ich es mir recht überlege, könnte ich etwas zu Essen vertragen." Die Worte: die letzte Nacht ging mir ganz schön an die Substanz lagen mir zwar auf der Zunge, aber ich fügte sie nicht hinzu. „Willst du auch was?" Gibbs überlegte ein paar Sekunden, dann erwiderte er: „Bestell einfach irgendetwas mit und einen starken Kaffee." Er machte immer noch keine Anstalten, aus dem Bett zu steigen. „Willst du jetzt den ganzen Tag liegen bleiben?" wollte ich wissen und versuchte, nicht allzu vorwurfsvoll zu klingen. „Nein, ich werde jetzt eine Dusche nehmen." Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, fing ich zu grinsen an. „Dir hat die Letzte wohl nicht genügt", sagte ich und als mich sein Blick traf, konnte ich froh sein, nicht tot umzufallen. „Ähm… ich bestell mal das Essen", sagte ich gleich darauf, da ich nicht sicher war, ob er mich erwürgen würde, wenn ich noch länger in dem Raum blieb. „Tu das, DiNozzo", erwiderte Jethro in gewohnt ärgerlichem Ton und ich beeilte mich, ins Wohnzimmer zu gehen, wo andere Kleidungsstücke von uns verstreut herumlagen. Keiner von uns hatte direkt von der gestrigen Nacht gesprochen, es nicht mit Wörtern ausgedrückt, aber das Ereignis stand zwischen uns. Wir gingen betont freundlich miteinander um – von der Kopfnuss mal abgesehen – aber keiner von uns schien zu wissen, wie er mit der Situation wirklich zu Recht kommen sollte. Wir waren beide verlegen, obwohl wir versuchten, es zu überspielen. Den Morgen danach hatten wir nun überstanden, aber wie würde es nachher mit uns weitergehen?

Gibbs sah Tony nach, der nur mit der Sporthose bekleidet ins Wohnzimmer ging. Sein Rücken wurde von den Sonnenstrahlen erhellt und er verfolgte jede Bewegung seiner geschmeidigen Muskeln, bis er aus seiner Sichtweite verschwunden war. Seufzend fuhr er sich durch die Haare und brachte sie noch mehr durcheinander. Die Erinnerungen an die letzte Nacht waren noch mehr als lebendig und er hätte schwören können, dass sich Tonys Geruch auf seiner Haut, in seiner Nase und in dem Raum festgesetzt hatte. Die Leidenschaft, die ihn mit einer ungekannten Heftigkeit überrollt hatte, war noch immer in einem Winkel seines Körpers verborgen und er wusste, eine einzige Berührung DiNozzos und sie würden erneut im Bett landen – ein mehr als verlockender Gedanke, wie er kurz darauf erschreckt feststellte. Seine Zunge, sein Mund und vor allem diese geschickten Finger hatten ihn an Orte geführt, die er nicht einmal mit seinen drei Ex-Frauen oder mit Jenny erreicht hatte. Er hatte gar nicht gewusst, dass er sich so fallen lassen konnte, an nichts mehr denken, außer an die Berührungen, die ihm fast den Verstand geraubt hatten. Tony war unglaublich gut, wenn es darum ging, in ihm eine Hitze zu erzeugen, die ihn fast verbrannte hätte. Alleine die Erinnerung daran, wie er ihn zum ersten Mal mit dem Mund verwöhnt hatte, ließ ihn erschauern. Gibbs schüttelte den Kopf, um die verführerischen Bilder aus dem Gehirn zu vertreiben und bemühte sich, in der Gegenwart zu bleiben – ein mehr als schwieriges Unterfangen. Und es war gerade das, was ihn auf sich selbst so wütend machte. Wie hatte er nur zulassen können, dass sie so weit gegangen waren? Er hätte gedacht, mit dem Gespräch würden sie die Sache mit dem Kuss klären, aber als ihm der junge Mann gestanden hatte, wie schwer es für ihn war, hatte ihn ein Zorn gepackt, dem er freien Lauf gelassen hatte und ohne dass er es beabsichtigt hatte, hatte er zugegeben, dass er die Minuten in dem Club ebenfalls genossen hatte. Und als Tony dann an die Wand gedrängt gestanden und ihn aus seinen grünen Augen verblüfft angesehen hatte, war ihn ihm das heftige Bedürfnis aufgestiegen, ihn zu berühren, ihn erneut zu küssen. Sein Verstand hatte ihm davon abgeraten, aber er hatte ihn zum ersten Mal in seinem Leben ignoriert und sich von seinen Gefühlen leiten lassen – von Gefühlen, über die er sich noch immer nicht im Klaren war.
Gibbs hatte seine gesamten Bedenken über Bord geworfen und es hatte ihm die beste Nacht eingebracht, die er je erlebt hatte. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass es Tony je schaffen würde, ihn so aus der Reserve locken, Seiten von ihm ans Tageslicht zu befördern, die er nicht einmal selbst gekannt hatte und das Ergebnis war, dass er sich voller Leidenschaft diesem Mann hingegeben hatte. In seinem tiefsten Inneren wusste er, er müsste sich jetzt unbehaglich fühlen oder die vergangen Stunden bereuen, aber er brachte es einfach nicht fertig – und diese Tatsache machte ihn noch wütender. Und jetzt hatten sie das Problem, dass sie nicht wussten, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Tony war verlegen, wich seinem Blick aus und versuchte, besonders nett zu sein. Jethro erging es nicht anders, aber er versuchte es mit seiner üblichen Art zu überspielen, was seinem Agent sofort eine Kopfnuss eingebrachte hatte. Er wusste, zwischen ihnen würde es nie wieder so werden wie früher, aber vielleicht war es möglich, ihre Freundschaft ein klein wenig zu retten. Auf alle Fälle würde er nicht zulassen, dass er DiNozzo verlor, als Kollege, als Freund und als… Gibbs schluckte, als ihm bewusst wurde, dass ihm soeben das Wort Liebhaber auf der Zunge gelegen hatte. ‚Hör auf!' ermahnte er sich selbst und fuhr sich erneut durch seine Haare. ‚Das war eine einmalige Sache und es wird nicht wieder passieren.' Nur, belog er sich damit nicht selbst? Er spürte, dass da plötzlich Gefühle für Tony waren, die er noch nicht einordnen konnte, die aber nicht unangenehm waren – Gefühle, die tiefer als Freundschaft gingen. Noch waren sie ganz klein, wie ein winziges Staubkorn, aber er war sich sicher, mit der Zeit würden sie anwachsen.
Frustriert schüttelte Jethro seinen Kopf und dabei fiel sein Blick auf die andere Betthälfte. Die Decke war achtlos zur Seite geworfen worden und unwillkürlich glitt ein Lächeln über seine Lippen. Wenn ihn nicht alles täuschte, war DiNozzo vorhin rot angelaufen, als ihm bewusst geworden war, dass er vollkommen nackt war – und so schüchtern hatte er ihn noch nie erlebt. Aber er hatte es schließlich gewagt, aufzustehen und Gibbs musste zugeben, dass sein junger Kollege eine bemerkenswert attraktive Kehrseite hatte, die nur noch vom Anblick von vorne übertroffen wurde. Jetzt verstand er auch, weshalb die Frauen so verrückt nach ihm waren.
Tonys Stimme drang zu ihm ins Schlafzimmer und er verstand die Worte Kaffee und den Namen eines exotisch klingenden Gerichts, das sicher schweineteuer war. Aber ihn sollte es nicht stören, immerhin würde der NCIS die Kosten übernehmen. Er freute sich schon darauf, wenn er Jen die saftige Rechnung präsentieren konnte.
Noch immer ein wenig wütend auf sich selbst, warf er die Decke zur Seite und stand auf. Ihm war bewusst, dass ihn DiNozzo ohne weiteres sehen konnte, versuchte sich aber nicht anmerken zu lassen, dass es ihm ein wenig unangenehm war. Plötzlich verstand er, wieso der junge Mann Hemmungen gehabt hatte, das Bett zu verlassen. Gibbs sah ins Wohnzimmer und erhaschte kurz einen Blick auf einen nackten Rücken, bevor er im Bad verschwand. Er schaltete das Licht ein, schloss die Tür und stützte sich anschließend mit den Armen neben dem Waschbecken ab. Blaue Augen blickten ihm vom Spiegel entgegen und überrascht stellte er fest, dass sein Gesicht entspannt wirkte. Heute sah er gar nicht wie der griesgrämige Mann aus, den er sonst immer zur Schau stellte. Verwundert runzelte er die Stirn, wandte sich bereits zur Dusche, als ihn etwas in seinen Bann zog. Langsam drehte er sich wieder zum Spiegel um und starrte ungläubig den bläulichen Fleck auf seiner Schulter an, der sich wunderbar von seiner Haut abhob. „Das kann doch nicht wahr sein", sagte er zornig und strich vorsichtig mit einem Finger über das Mal, in der Hoffnung, es so zum Verschwinden zu bringen, aber es blieb an Ort und Stelle. Gibbs schloss die Augen, zählte bis drei und öffnete sie erneut, aber das Bild war das gleiche geblieben. Tony hatte es tatsächlich geschafft, ihm einen Knutschfleck zu verpassen. Ärgerlich biss er die Zähne aufeinander und betrachtete weiter die bläuliche Verfärbung. Er konnte von Glück sagen, dass er ihm diesen Fleck nicht am Hals angehängt hatte, aber dennoch, dafür würde er DiNozzo mit einer mehr als saftigen Kopfnuss bestrafen – wenn nicht sogar mit zwei. Jethro erinnerte sich daran, wie sich sein junger Kollege in seine Schulter verbissen hatte, als er dabei gewesen war, ihn mit seinen Fingern erneut zu einem Höhepunkt zu bringen. Er konnte noch immer das lustvolle Keuchen hören und alleine das genügte, um sein Blut in Wallung zu bringen. „Reiß dich zusammen!" fuhr er sich selbst an und wandte sich von dem Spiegel ab. Wenn sie den Einsatz heute noch erfolgreich über die Bühne bringen wollten, dann musste er ganz schnell lernen, die Bilder der gestrigen Nacht aus seinem Gehirn zu verbannen. Nur fiel ihm das unendlich schwer. Tony hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen und damit meinte er nicht nur den Knutschfleck auf seiner Haut. Der junge Mann war ihm buchstäblich unter die Haut gegangen und ihm war klar, dass ihr Arbeitsverhältnis darunter leiden würde. So wie es aussah, stand ein neuerliches Gespräch vor der Tür, nur würde er diesmal aufpassen, dass sie sich nicht gleich wieder streiten und im Bett landen würden. Aber diesmal würde er nicht sofort mit DiNozzo reden, sondern warten, bis die Aktion am Abend vorbei war. Immerhin bestand die Gefahr, dass die geplante Aussprache nach hinten losgehen könnte und somit wäre der gesamte Einsatz gefährdet. Es war besser, wenn sie die restlichen Stunden weiter freundlich miteinander umgingen, auch wenn sich zwischen ihnen ständig Verlegenheit ausbreitete. Innerlich verpasste sich Gibbs selbst einen Klaps auf den Hinterkopf, weil er es überhaupt so weit hatte kommen lassen.
Wütender als vor ein paar Minuten stieg er in die Dusche, drehte den Wasserstrahl auf und stellte ihn auf kalt ein. Jethro schloss die Augen und versuchte nicht daran zu denken, wie sich Tony und er hier geliebt hatten, während das Wasser warm auf ihre Körper niedergeprasselt war und den Raum mit Dampf erfüllt hatte. Sein Herz fing schneller zu schlagen an und Hitze stieg in ihm auf. Sofort öffnete er die Augen, stellte den Strahl noch um ein paar Grad kühler ein und stützte sich mit beiden Händen gegen die Fliesen, so wie es DiNozzo getan hatte, kurz bevor er…
Gibbs schüttelte heftig den Kopf, vertrieb die Bilder aus seinem Gehirn und versuchte sich auf den Einsatz am Abend zu konzentrieren. Es wurde Zeit, dass er endlich vorbei war, sodass sie wieder in ihr normales Leben zurückkehren konnten. Er hoffte, wenn sie der Alltagstrott eingeholt hatte, würde sich die Situation zwischen ihm und Tony ein wenig entspannen und die Gefühle, die er zu entwickeln begann, würden verebben - denn er war einfach nicht der Typ, der gut mit so etwas umgehen konnte. Wenn er es sich recht überlegte, waren seine Gefühle noch nie so Achterbahn gefahren, nicht einmal bei seinen drei Ex-Frauen oder bei Jen. Nur DiNozzo hatte es geschafft, dies in ihm auszulösen – ein weiterer Grund für eine Kopfnuss, beschloss er und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Egal was die Zukunft bringen mochte, Gibbs war sich sicher, sie würden diese verzwickte Situation irgendwie meistern. Und falls er gezwungen wäre, über seine Gefühle zu sprechen, nur damit er und Tony wieder normaler miteinander umgehen konnten, so würde er dies machen – auch wenn es ihm mehr als schwer fallen würde.

Fortsetzung folgt...
Chapter 11 by Michi
Ich saß auf der Couch und zappte eher lustlos durch die zahlreichen Fernsehkanäle, um mich ein wenig abzulenken. Leider funktionierte es nicht so gut, wie ich vorher angenommen hatte. Ein wenig sehnsüchtig blickte ich zu Gibbs' Hemd, welches ich vom Boden aufgehoben und über die Lehne eines Sessels gelegt hatte. Ich versuchte immer noch, wenigstens ein wenig Reue zu empfinden, wegen der letzten Nacht, aber es wollte sich einfach kein schlechtes Gewissen einstellen. Es fühlte sich unheimlich richtig an, was wir getan hatten, auch wenn ich in Jethros Nähe am liebsten vor Verlegenheit im Boden versunken wäre. Ich wusste, wir würden erneut ein Gespräch führen müssen, um uns über die Situation klar zu werden, nur wie viel ich ihm von meinen Gefühlen erzählen sollte, wusste ich noch nicht. Ich hatte Angst, ihn zu verschrecken oder zu verärgern und damit unsere bereits lädierte Beziehung noch mehr kaputt zu machen. Mir war bewusst, dass es besser wäre, ich würde ihm die Wahrheit sagen, ihm erzählen, wie es tief in meinem Inneren aussah, aber alleine die Vorstellung, mit Gibbs darüber zu reden, war lächerlich. Immerhin war er der Meister ihm Verstecken der Gefühle und ich konnte mir nicht vorstellen, dass er dies ändern würde. Aber es würde nicht schaden, wenn wir beide ehrlich waren und ich hoffte, er würde einmal über seinen eigenen Schatten springen und mit mir darüber reden, wie es in seinem Inneren aussah.
Auf dem Fernseher erschien eine wirklich heiß aussehende Blondine mit den Maßen einer Pamela Anderson, die Werbung für ein neues Waschmittel machte. Ihr Körper steckte in einem engen roten Top und die Jeans waren abgeschnitten und enthüllten lange Beine. Normalerweise würde ich mich jetzt vorbeugen und beinahe in den Bildschirm reinkriechen, aber ich sah mir weiter lustlos den Spot an und nicht einmal die sinnliche Stimme der Frau ließ mich erschauern. Sie warf gekonnt ihre lange Mähne über den Rücken und lächelte verführerisch in die Kamera. Wahrscheinlich würden sofort sämtliche Männer, die diese Werbung geschaut hatten, das Waschmittel kaufen, das sicher nicht das hielt, was einem versprochen wurde. Vor ein paar Tagen hätte ich mir sicher den Kopf darüber zerbrochen, wie ich ihren Namen und ihre Telefonnummer herausfinden konnte, aber mittlerweile hatte sich die Situation gravierend geändert. Irgendwie schien ich auf einmal auf Typen mit grauen Haaren und blauen Augen zu stehen, die gerne ihre Mitarbeiter mit einer Kopfnuss bestraften und ständig übellaunig durch die Gegen liefen.
Ich schüttelte den Kopf und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Gibbs hatte es geschafft, mich innerhalb von wenigen Tagen zu bekehren und ich sollte ihm eigentlich deswegen böse sein, aber nicht einmal das brachte ich zustande. Das Einzige, was mir der Gedanke an meinen Boss einbrachte, war ein erwartungsvolles Kribbeln.
Mit einem Seufzer schaltete ich den Fernseher aus, stand auf und ging ins Schlafzimmer. Es war Zeit, dass ich mir endlich etwas anderes anzog, immerhin lief ich noch immer fast nackt durch die Gegend. Die Badezimmertür war geschlossen und leises Wasserrauschen drang an meine Ohren. Ohne dass ich es beeinflussen konnte, stiegen Bilder in meinem Gehirn auf – Bilder der Szene, was wir beide dort drinnen getrieben hatten. Mein Hals wurde staubtrocken und ehe ich mich die Erinnerungen komplett überfluten konnten, betrat ich den begehbaren Kleiderschrank, zog mir die Sporthose aus und suchte mir frische Boxershorts und Jeans. Anschließend zog ich mir noch ein dunkelrotes T-Shirt über den Kopf. Ich drehte mich um und prallte prompt mit Gibbs zusammen, der es wieder einmal geschafft hatte, sich lautlos anzuschleichen. Er war nackt, bis auf das weiße Handtuch, das er sich um die Hüften gebunden hatte. Seine Haare waren feucht und vereinzelt tropfte Wasser auf seinen Oberkörper. Wir waren uns so unglaublich nahe und mein Herz begann wie wild in meiner Brust zu schlagen. Ich war nicht fähig zu denken, geschweige denn, dass ich ein Wort zustande brachte. Sein Atem strich warm über meine Haut und überzog mich mit einem Kribbeln. In mir breitete sich schmerzliches Verlangen nach einer Berührung aus – die auch eine Sekunde später kam, nur in einer Form, mit der ich nicht gerechnet hatte. Jethro hob seinen Arm und verpasste mir einen kräftigen Klaps auf den Hinterkopf, der mich sofort in die Wirklichkeit zurückholte. „Hey!" rief ich erbost und trat einen Schritt zurück. „Was habe ich jetzt schon wieder angestellt?!" Ärger schwang in meiner Stimme mit und ich rieb mir die schmerzende Stelle. „DAS hast du angestellt", antwortete er und deutete mit einem Finger auf den Knutschfleck an seiner Schulter. Es hätte mich gewundert, wenn er ihn nicht entdeckt hätte und mir glitt unwillkürlich ein Grinsen über meine Lippen, welches ihm ein gefährliches Funkeln in die Augen zauberte. „Findest du das etwa witzig?" fragte er und kam auf mich zu. Ich schluckte und versuchte, einen ernsten Gesichtsausdruck aufzusetzen, was mir aber nicht so recht gelang. „Was kann ich denn dafür, wenn du es schaffst, mich alleine mit deinen Fingern so weit zu treiben, dass ich…" Ich brach ab und erneut schoss mir das Blut ins Gesicht. Verlegen kratzte ich mich am Kopf und räusperte mich, bevor ich hinzufügte: „Sei lieber froh, dass ich dir den Knutschfleck nicht am Hals verpasst habe." Obwohl ich zu gerne gesehen hätte, wie er die bläuliche Verfärbung Ziva oder McGee erklärte, wobei sich mir aber der Gedanke aufdrängte, dass die beiden nicht lange leben würden, wenn sie auch nur ein Wort darüber verlieren würden.
„Beiß das nächste Mal gefälligst nicht so fest zu", erwiderte Gibbs und mir klappte der Unterkiefer hinunter. Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, was er eben gesagt hatte und versuchte gleichzeitig, den freudigen Hüpfer meines Herzens zu ignorieren. „Das… nächste Mal?" fragte ich zögernd nach, da ich mir nicht wirklich sicher war, die Worte richtig verstanden zu haben. Und zum ersten Mal seit wir uns kannten, konnte ich beobachten, wie Jethro meinem Blick auswich und lieber den Boden betrachtete. „Ich habe damit gemeint, dass… ach verdammt, wo bleibt der Kaffee? Hast du nicht gesagt, du bestellst welchen?" wechselte er prompt das Thema und der Tonfall in seiner Stimme verriet mir, dass ich am besten kein Wort mehr darüber verlieren sollte, was er eben gesagt hatte. „Es ist Mittag, da haben die in der Küche sicher viel zu tun", antwortete ich und versuchte, meinen Puls, der bei der Aussicht, erneut mit Gibbs zu schlafen, in die Höhe geschossen war, in den normalen Bereich zurückzubringen. „Dann mach denen mal Feuer unterm Hintern", meinte er gewohnt grantig und ich war froh, dass sich nicht erneut die Verlegenheit zwischen uns ausbreitete. Seine schlechte Laune ertrug ich viel lieber, das gab mir das Gefühl der Normalität zurück.
Der begehbare Schrank kam mir auf einmal ziemlich klein vor und Jethro war mir noch immer so nahe. Ich könnte problemlos einen Arm ausstrecken, um ihn zu berühren. Nur würde das nicht ohne Folgen bleiben. „Mal sehen, was sich machen lässt", erwiderte ich und drängte mich an ihm vorbei ins Schlafzimmer, überlegte es mir aber noch einmal anders und drehte mich erneut um. „Übrigens, deine Handschellen kannst du wieder einpacken." Gibbs wandte sich zu mir um und sagte: „Vielleicht brauche ich sie ja noch." Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das wird nicht nötig sein. Hör zu, ich weiß, dass wir erneut miteinander reden müssen und ich werde diesmal nicht davonlaufen. Nur finde ich, wir sollten das Gespräch bis nach dem Einsatz verschieben." Ich rechnete bereits mit einem Widerspruch, aber Jethro nickte zustimmend. „Da gebe ich dir ausnahmsweise Recht, Tony." „Tatsächlich?" Ein breites Grinsen bildete sich auf meinen Lippen. „Treib es nicht zu weit", erwiderte er schroff. „Und jetzt besorg mir endlich einen Kaffee." „Bin schon dabei, Boss." Ich drehte mich um, erfreut darüber, dass wir ein normales Gespräch zustande gebracht hatten, ohne uns an die Gurgel zu gehen oder im Bett zu landen. ‚Vielleicht wird doch noch alles gut', dachte ich und warf noch einmal einen Blick über meine Schulter. Gibbs stand mit dem Rücken zu mir und ließ gerade das Handtuch auf den Boden fallen. ‚Oder auch nicht', fügte ich hinzu und betrachtete ihn sehnsüchtig. Begehren stieg in mir auf und ich beobachtete, wie er in eine Boxershorts schlüpfte. Ich spürte, wie mein Widerstand schwächer wurde und wollte mich gerade vollständig zu ihm umdrehen, als mich ein Klopfen an der Tür und das Wort „Zimmerservice" in die Wirklichkeit zurückholten. Eilig ging ich in den anderen Raum, überwältigt von den Gefühlen in meinem Inneren. Obwohl ich für eine Sekunde geglaubt hatte, alles würde wie früher werden, wurde mir jetzt bewusst, dass dies wohl reines Wunschdenken war.

Kaum war der Zimmerservice – ein junger Mann mit vielen Pickeln – weg, kam Gibbs vollständig angezogen in den Wohnraum. Ich hatte gerade mal eine Sekunde um zu registrieren, dass er sich für eine Jeans und ein schwarzes Hemd, bei dem die ersten beiden Knöpfe offen standen, entschieden hatte. Dann stürmte er an mir vorbei, ignorierte alles und jeden und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, dessen Geruch alleine genügte, um mich munter zu machen. Er trank die Hälfte in einem Zug aus und schien nicht einmal zu merken, dass das Getränk heiß war. Kopfschüttelnd betrachtete ich ihn und mir lag bereits ein Kommentar auf der Zunge, als er mir seinen berühmt-berüchtigten Blick schenkte. So zog ich es vor, mich auf mein Essen zu konzentrieren, dessen Namen ich bereits wieder vergessen hatte, das jedoch äußerst lecker aussah. Bevor ich auch nur den ersten Bissen hinunterschlucken konnte, genehmigte sich Jethro eine zweite Dosis Koffein.
„Irgendwann wirst du noch an Bluthochdruck sterben, wenn du dieses Zeugs weiter in rauen Mengen in dich hineinschüttest", sagte ich mit vollem Mund, was ihn dazu veranlasste, eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen. „Dieses Zeugs heißt Kaffee", erwiderte er, nahm einen Schluck und fügte hinzu: „Und hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man nicht mit vollem Mund spricht?" „Da habe ich anscheinend nicht aufgepasst, als sie dieses Thema angeschnitten hat." Ich grinste ihn schief an und schob mir erneut ein Stück Fleisch, das leicht nach Curry schmeckte, in den Mund. Gibbs setzte sich in einen Sessel, stellte die Tasse ab, zog seinen eigenen Teller zu sich heran und beugte sich vor, um mich durchdringend anzusehen. Prompt steigerte sich meine Herzfrequenz und ich hatte Mühe, mich nicht zu verschlucken. Ein Hauch seines Aftershaves stieg mir in die Nase und ich sog unwillkürlich tief die Luft ein. „Wenn das so ist, muss ich dir wohl Tischmanieren beibringen", sagte er mit einem Ton in der Stimme, der mir einen erregenden Schauer über den Rücken jagte. Mühsam schluckte ich den Bissen hinunter, der mir auf einmal viel zu groß vorkam und mir fast im Hals stecken blieb. „Ach ja?" brachte ich schließlich ein wenig atemlos hervor und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, das mir die Aussicht, er wolle mir Manieren beibringen, durchaus gefiel. „Wie willst du das machen? Mir noch mehr Kopfnüsse verpassen?" Er lächelte leicht, schnappte sich eine Gabel und meinte: „Mir wird schon was einfallen." Dabei blickte er die Handschellen an, die noch immer auf dem Tisch lagen. Erneut stieg in mir ein erwartungsvolles Kribbeln auf und um ihm nicht zu zeigen, dass er mich schon wieder aus dem Konzept brachte, senkte ich meinen Kopf und konzentrierte mich auf mein Essen. Mir war seine Nähe mehr als bewusst, aber da ich ihn nicht mehr direkt ansah, beruhigte sich mein Herzschlag ein wenig.
Keiner von uns wusste so recht, was er sagen sollte, deswegen breitete sich schon wieder das verlegene Schweigen aus. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich keine Ahnung, was ich reden sollte und so vertiefte ich mich in die Betrachtung von Gibbs, wie er nach und nach seinen Teller leerte. Das schwarze Hemd betonte seine blauen Augen äußerst vorteilhaft und mir wurde erneut bewusst, wie attraktiv er war. Wieso war mir das vorher noch nie aufgefallen? „Zufrieden mit dem, was du siehst, DiNozzo?" riss er mich aus meinen Gedanken und blickte mich amüsiert an. Ich räusperte mich und versuchte einen Satz zustande zu bringen, was mir jedoch nicht gelang. „Also, ich wollte nur… das heißt… ich…" Verwirrt brach ich ab und senkte meinen Blick auf meinen fast leeren Teller. Jetzt war ich schon so weit, dass ich anfing wie McGee zu stottern. Gott, dieser Mann brachte mich durcheinander.
Erneut schwiegen wir uns an, diesmal noch verlegener. Da mir diese Stille ziemlich auf den Keks ging und keiner von uns Anstalten machte, sie zu unterbrechen, schnappte ich mir die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Diesmal erschien keine Blondine, die Waschmittel anbot, sondern eine Person, deren Anblick mich gleich in eine viel bessere Laune versetzte. „Klasse", sagte ich, als Magnum gerade dabei war, mit seinem roten Ferrari über eine Straße in Hawaii zu rasen.
„Diesen Mist braucht du dir gar nicht anzusehen", meinte Gibbs, als er aufgesehen hatte und schluckte den Bissen hinunter, den er noch vor einer Sekunde gekaut hatte. „Hast du nicht vor kurzem gemeint, ich soll nicht mit vollem Mund reden? Wer muss hier jetzt wem Tischmanieren beibringen?" fragte ich wagemutig und ignorierte seine Aussage, dass Magnum Mist wäre, obwohl es mich ein wenig kränkte. Immerhin war es meine absolute Lieblingsserie und ich sah sie wirklich gerne, trotz der Tatsache, dass ich alle Folgen bereits kannte. Jethro schüttelte nur seinen Kopf, ging auf meine Frage nicht ein, sondern erwiderte eine Spur ärgerlich: „Das ist nicht die Unterhaltung, die ich beim Essen haben will. Entweder du suchst dir einen anderen Sender oder du schaltest den Fernseher aus." Ich blickte ihn verblüfft an und spürte, wie Wut, die die gute Laune in rasender Geschwindigkeit verdrängte, in mir aufstieg. „Das ist jetzt nicht dein Ernst." „Doch, das ist es." „Willst du mir etwa vorschreiben, was ich mir im Fernsehen ansehen darf?! Soweit kommt es noch!" Zornig knallte ich den Besteck auf den Tisch und blickte Gibbs direkt in die Augen, der verblüfft eine Braue hob. „Ich will mir nur nicht diese Sendung ansehen", sagte er beherrscht ruhig, obwohl an seiner Schläfe eine Ader pochte – ein nicht allzu gutes Zeichen. „Tja, aber ich will es. Das ist zufällig meine zweite Lieblingsfolge und die 40 Minuten wirst du wohl aushalten." Jethro sah mich an, überrascht darüber, dass ich es wagte, ihm zu widersprechen. „Wenn du es nicht anders willst, dann formuliere ich es eben wie einen Befehl." Ungläubig starrte ich ihn an und versuchte zu verarbeiten, was da gerade vor sich ging. „So ist das also!" schrie ich, unfähig, meine Wut zurückzuhalten. „Wenn dir etwas nicht in den Kram passt, dann lässt du wieder den Boss raushängen!" „Ich bin ja auch dein Boss, DiNozzo!" konterte er genauso laut und obwohl ich wusste, dass er Recht hatte, traf mich diese Aussage wie ein harter Schlag. Ein großer Stein begann sich auf mein Herz zu legen und drückte unbarmherzig zu.
„Ich verstehe! Also bin ich für dich weiter nur ein Untergebener, der auf deine Befehle hören muss! Und ich hätte gedacht, nach letzter Nacht hätte sich etwas zwischen uns verändert! Aber da liege ich wohl falsch!" Ich schob meinen Teller zur Seite und versuchte das Zittern zu unterdrücken, das meine Hände erfasst hatte. Ich hatte wirklich geglaubt, er würde mich jetzt anders behandeln, mich nicht nur als Mitarbeiter und Befehlsempfänger ansehen, aber anscheinend hatte ich mich gewaltig in ihm getäuscht.
„Das ist auch der Grund, weshalb es Regel 12 gibt", sagte Gibbs bemüht ruhig, was ihm aber sichtlich schwer fiel. „Jetzt komm mir nicht mit deinen Regeln!" schrie ich ihn an. „Wenn du so versessen auf deren Einhaltung bist, hättest du gestern Nacht unser Treiben beenden sollen, aber das hast du nicht! Also, reg dich nicht auf, wenn wir sie gebrochen haben!" Frustriert fuhr er sich mit einer Hand durch sein noch immer leicht feuchtes Haar und zerzauste es. Obwohl ich dermaßen wütend war, bemerkte ich, dass es ihn noch attraktiver machte und der Stein auf meinem Herzen wurde noch schwerer. Auf einmal wurde mir bewusst, dass die Gefühle für Jethro, die mich seit dem Kuss in dem Club peinigten, tiefer als Freundschaft gingen und obgleich sie noch sehr klein waren, tat es mir schrecklich weh zu wissen, dass ich für ihn auch weiterhin nur sein Untergebener war.
„Hör auf, Tony", meinte er laut und sah mich an. „Ich will mich nicht mit dir streiten." „Nein?!" fragte ich und sprang auf. „Wieso nicht?! Hast du etwa Angst, wir würden erneut im Bett landen?! Aber da kann ich dich beruhigen! Es wird kein nächstes Mal geben!" Meine Worte taten mir selbst weh, aber ich wusste, es war das Beste, hier und jetzt einen Schlussstrich zu ziehen, bevor meine Gefühle noch tiefer gingen und es später viel komplizierter wurde.
Ich stürmte zur Tür, riss sie auf und ehe sie ins Schloss fiel, hörte ich Gibbs rufen: „Tony, warte!" Aber ich ignorierte ihn und stürmte auf den Aufzug zu. Ich musste unbedingt raus hier, weg von dem Mann, der es geschafft hatte, mein gesamtes Leben umzukrempeln und der einfach nicht mehr aus meinem Kopf verschwinden wollte.

Der Knall, mit dem die Tür ins Schloss geworfen worden war, war nicht sonderlich laut, aber trotzdem hallte das Geräusch doppelt so stark in Gibbs' Ohren wider. Seine Hand umkrampfte die Gabel, die er noch immer in den Fingern hielt und er starrte fassungslos auf die Stelle, auf der Tony vor ein paar Sekunden gestanden hatte. Wieder einmal war er abgehauen und hatte eine Stille hinterlassen, die lediglich von den Stimmen aus dem Fernseher unterbrochen wurde, aber selbst diese rückten in den Hintergrund. Es schien ihm, als ob alles nur mehr wie durch Watte gefiltert an sein Ohr drang. Sein Herz schlug ungewohnt schnell und verursachte einen Schmerz in seiner Brust, den er nicht kannte. Die Worte, dass es kein nächstes Mal zwischen ihnen geben würde, sollten ihn eigentlich erleichtern, taten es aber nicht – im Gegenteil. Jethro fühlte sich niedergeschlagen und sogar schuldig, dass DiNozzo erneut die Flucht vor ihm ergriffen hatte. Wieso hatte er es nur so weit kommen lassen? Wieso hatte er zugelassen, dass sie sich schon wieder stritten? Wieso hatte er sich aufgeregt, nur weil sein Kollege sich Magnum ansehen wollte? Es waren lauter Fragen, auf die er keine Antwort hatte und vielleicht auch nie eine finden würde. Auf ihn machte es den Eindruck, als ob sie momentan entweder nur verlegen schweigen oder einander laut anschreien konnten. Von einem vernünftigen Gespräch waren sie meilenweit entfernt, dabei war es so notwendig wie die Luft zum Atmen. Gibbs wusste, sie mussten unbedingt eine Lösung finden, wollten sie in Zukunft weiter zusammenarbeiten.
Seufzend legte er die Gabel auf den Tisch und schnappte sich die Tasse mit dem bereits ausgekühlten Kaffee. Er trank einen Schluck und verzog das Gesicht, aber Koffein war Koffein und das hatte er jetzt bitter nötig. Frustriert schüttelte er den Kopf und versuchte zu begreifen, was vor wenigen Minuten zwischen ihm und Tony passiert war. Mittlerweile taten ihm seine eigenen Worte leid. Er hatte den Schmerz in den Augen des jungen Mannes gesehen, als er gesagt hatte, er wäre sein Boss. Es war schlechthin eine Tatsache aber er hätte nie damit gerechnet, dass er ihn damit so sehr verletzen würde, was in ihm ein mieses Gefühl hinterließ, genauso wie die Worte, dass es kein nächstes Mal geben würde. Tief in seinem Inneren wollte er erneut eine Nacht mit Tony verbringen, aber er wusste, es wäre besser, wenn dies nie geschehen würde. Der Teil von ihm, der von seinem Verstand beherrscht wurde, wusste, das es gut war, dass DiNozzo einen Schlussstrich gezogen hatte, aber sein Herz schrie förmlich, wenn er nur daran dachte, ihn nie mehr zärtlich berühren oder nie wieder seine Lippen spüren zu dürfen. Gibbs war in einer Situation, die er nicht im Entferntesten kannte und er wusste nicht, wie er mit seinen Gefühlen umgehen sollte. Vielleicht war das der Grund, weshalb er so wütend auf sich war, dass er es versaut hatte. „Verdammt!" schrie er, stellte die Tasse mit einem lauten Knall auf dem Tisch ab und vergrub sein Gesicht in den Händen. Zum ersten Mal in seinem Leben wusste er nicht, was er tun sollte. Wie sollte er es nur schaffen, sich mit Tony zu versöhnen, wenn dieser seine Worte immer falsch zu verstehen schien und die wildesten Sachen hineininterpretierte? Aber wenn er ehrlich war, war er noch nie gut darin gewesen, Gespräche zu führen, außer bei einem Verhör, wo er noch jedem Verbrecher ein Geständnis herausgepresst hatte.
Jethro sah auf und blickte auf den Fernseher, wo gerade eine Werbung lief. Eine junge Frau mit leuchtend roten Haaren warb für Hundefutter und hatte einen treuherzig dreinblickenden Welpen auf dem Arm. Sie war unbestreitbar attraktiv und ihre blauen Augen schienen ihn förmlich zu durchbohren. Nur löste sie in ihm keine Empfindung aus, außer der Erkenntnis, dass er nicht mehr auf Rothaarige stand. Nein, er verzehrte sich nach einem Mann, der anscheinend nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte und das machte ihn noch zorniger. Wie hatte er es nur so weit kommen lassen können? Eine Frage, die er sich in den letzten Stunden häufig gestellt hatte. Und hatte er nicht deswegen Regel 12 aufgestellt, um eben so eine Situation zu vermeiden? Aber Gibbs hatte ja nicht gewusst, dass er sie einmal mit Tony brechen würde und dessen Vorwurf, dass er sich nicht aufregen sollte, weil sie sie gebrochen hatten, kam ihm in den Sinn. Er musste ihm Recht geben, denn er hätte ihr Treiben beenden können, aber er hatte es einfach nicht gewollt. Und jetzt hatten sie das Desaster. Ihre Freundschaft schien zerstört zu sein und dann war da noch der Auftrag, der in ein paar Stunden über die Bühne gehen würde. Jethro konnte nur hoffen, dass Tony die Zeit nutzen würde, um sich abzureagieren und professionell genug war, um den Einsatz durchziehen zu können. Er wusste, es würde nicht leicht werden, zumal eine große Spannung zwischen ihnen herrschte. Und wenn die Aktion erfolgreich verlaufen war, dann würde er versuchen, die Beziehung, welche die beiden in den letzten Jahren aufgebaut hatten, ein klein wenig zu retten und er konnte nur hoffen, dass dann der Schmerz, der sein Herz zu zerreißen drohte, wieder verschwinden würde. Und auf einmal wurde ihm bewusst, dass sich Tony zuvor geirrt hatte. Ihm hatte die Nacht etwas bedeutet – viel mehr, als er sich im Moment eingestehen wollte.

Fortsetzung folgt...
Chapter 12 by Michi
Kurz nach 16 Uhr

Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich mit einem leisen Pling und ich verließ zögerlich die Kabine. Ich wollte noch nicht in die Suite zurückkehren und erneut auf Gibbs treffen, aber ich wusste, Ziva war bereits hier und wunderte sich sicher, weshalb ich nicht anwesend war.
Die letzten Stunden hatte ich damit verbracht, eher ziellos durch Washington zu wandern, um einen halbwegs freien Kopf zu bekommen, was mir nicht so recht gelungen war. Überall in der Stadt waren verliebte Pärchen Händchen haltend unterwegs, was den Schmerz in meinem Inneren verstärkte. Früher hatte mich dieser Anblick erfreut, aber heute versetzte er mich in eine niedergeschlagene Laune. Ständig musste ich an Gibbs und unseren Streit denken, der eigentlich total unsinnig gewesen war. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass er mich alleine mit Worten so sehr verletzen konnte, dass es mir schier das Herz zerriss. Ihm schien unsere gemeinsame Nacht nicht so viel zu bedeuten wie mir und diese Tatsache machte mich unendlich traurig. Ich hatte wirklich angenommen, zwischen uns wäre es jetzt anders, aber er hatte unmissverständlich klar gemacht, dass sich für ihn an unserem Verhältnis nichts geändert hatte. Und dabei hatte ich immer angenommen, er hätte einen weichen Kern – anscheinend hatte ich mich gründlich geirrt.
Irgendwann war mir bewusst geworden, dass es keine Lösung war, wenn ich ständig davonlief. Normalerweise ging ich keinem Konflikt aus dem Weg, aber bei Jethro war es etwas anderes. Alleine seine Gegenwart machte mich fast verrückt und mir war wieder einmal nur die Flucht geblieben, um in Ruhe nachdenken zu können. Aber dies war nicht das Richtige und mir war klar geworden, dass wir nur gemeinsam einen Weg durch dieses Chaos finden konnten, das wir selbst produziert hatten – egal wie schwer es werden würde. Dies war auch der Grund, weshalb ich mich entschieden hatte, zurückzugehen – das und der Einsatz, welcher in ein paar Stunden über die Bühne gehen würde. Gibbs und meine persönlichen Probleme konnten warten, jetzt zählte es, die Hintermänner zu schnappen. Vielleicht würden wir hinterher endlich ein vernünftiges Gespräch zustande bringen, ohne uns gegenseitig an die Gurgel zu springen.
Ich blieb vor der Suite stehen, atmete noch einmal tief durch und öffnete die Tür. Bei meinem Eintreten musterten mich drei Augenpaare. Jethro saß in einem Sessel und ich konnte seine Erleichterung förmlich spüren, als er mich erblickte. Ich konnte mir vorstellen, dass er sich nicht sicher gewesen war, ob ich rechtzeitig oder überhaupt zurückkommen würde. Ziva trug wieder ihr Zimmermädchenoutfit und saß neben McGee auf dem Sofa, der wie üblich einen Anzug anhatte. Mit seinem Erscheinen hatte ich gar nicht gerechnet und so war ich umso überraschter, ihn zu sehen.
Ich schloss die Tür, ließ mich in den verbleibenden freien Stuhl fallen und streckte meine Beine von mir. „Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme, aber ich habe die Zeit übersehen", sagte ich, obwohl es nicht wirklich der Wahrheit entsprach. Gibbs zog wissend eine Augenbraue in die Höhe und alleine seine Anwesenheit genügte, um den Schmerz in meinem Inneren zu verstärken. Noch immer trug er die Jeans und das schwarze Hemd und seine Augen leuchteten mit einer Intensität, die mir unheimlich war. Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, fing mein Herz schneller zu klopfen an und trotz der verletzenden Worte, die zwischen uns gefallen waren, stieg in mir das Bedürfnis auf, ihn zu berühren.
„Jetzt bist du ja hier, DiNozzo", erwiderte er beinahe emotionslos, was mich daran erinnerte, dass ich für ihn nur ein Mitarbeiter war. Ich zügelte meine Wut, die schon wieder in mir aufstieg und spürte förmlich, wie sich zwischen uns eine Spannung aufbaute, die beinahe knisterte. Es war ein Wunder, dass zwischen uns keine Blitze zuckten.
„Ähm, ist mit euch alles in Ordnung?" fragte McGee ein wenig schüchtern und blickte zwischen mir und meinem Boss hin und her. „Alles bestens, Bambino", meinte ich und lehnte mich zurück. Sogar er schien zu bemerken, dass sich die Atmosphäre mit meinem Erscheinen verändert hatte, war aber klug genug, nicht weiter nachzufragen. „Ich bin einfach nur froh, wenn dieser Einsatz endlich vorbei ist", fügte ich hinzu und fühlte eine gewisse Befriedigung, als ich merkte, dass sich Gibbs versteifte und ein wenig auf der Sitzfläche hin und her rutschte. „Das sind wir alle", erwiderte Ziva und fuhr sich durch ihre langen Haare. „Ich kann es kaum erwarten, dieses dämliche Kleid endlich loszuwerden." „Also, ich finde, es steht dir super", meinte ich mit einem breiten Grinsen, das mir ein wenig gekünstelt vorkam, aber sie schien es mir abzukaufen. In meinem Inneren tobte ein Chaos, aber äußerlich war ich der fröhliche Tony – ich hätte Schauspieler werden sollen.
Meine Kollegin warf mir einen vernichtenden Blick zu, setzte bereits zu einem Konter an, als Gibbs sie unterbrach: „Können wir jetzt weitermachen? Wir haben schließlich nicht den ganzen Tag Zeit." Seine Stimme war gewohnt schroff und er hatte sich wieder voll im Griff, jedenfalls nach außen hin. „Tschuldigung, Boss", erwiderte ich, wobei ich das letzte Wort besonders betonte, was nicht einmal Ziva entging. Verwundert tauschte sie einen Blick mit McGee, aber beide behielten ihre Gedanken für sich. Jethro sah mich wütend an und wenn mich nicht alles täuschte, glomm für eine Sekunde Schmerz in seinen Augen auf. Aber kurz darauf wirkte er wie immer und ich hatte das Gefühl, mich getäuscht zu haben.
Tim räusperte sich, betrachtete die Holzmaserung des Tisches, bevor er seine Aufmerksamkeit uns widmete: „Wir haben gestern und heute Vormittag das gesamte Fabrikgelände durchsucht und geeignete Positionen gefunden, wo heute Abend ein paar Agenten postiert werden. Diese Stellen liegen sehr gut versteckt und man würde sie nur finden, wenn man direkt davor stehen würde." „Das gesamte Gelände besteht aus drei großen Lagerhallen und zahlreichen Bürogebäuden, die nicht sonderlich gepflegt aussehen", übernahm Ziva. „Wir haben herausgefunden, dass dort früher einmal Glas verarbeitet wurde, aber die Firma ging vor fünf Jahren den Fluss hinunter." „Es heißt den Bach hinunter", korrigierte ich sie automatisch. „Ist doch dasselbe", meinte sie. „Na, wenn du es sagst." Ich grinste sie an und ignorierte den ungeduldigen Blick, den uns Gibbs zuwarf.
„Jedenfalls werden wir euch heute Abend nicht aus den Augen lassen", fuhr Ziva fort und holte aus ihrer Schürze ein kleines Kästchen hervor, welches sie aufklappte. Darin lagen zwei kleine Ohrstöpsel, die ich nur zu gut kannte. „Direktor Sheppard meinte, ihr sollt sie diesmal heil lassen. Sie war nicht gerade erfreut, als ihr die anderen einfach so kaputt gemacht habt." „Das war Gibbs", erwiderte ich prompt. „Er hat sie die Toilette runtergespült." „Ja, aber es war deine Idee, dass uns niemand in dem Club zuhören soll", verteidigte er sich und ich war nicht der Einzige, der ihn verwundert ansah. Seit wann rechtfertigte er sein Tun? „Seid ihr sicher, dass alles in Ordnung ist?" fragte nun auch Ziva neugierig. „Was sollte denn nicht stimmen, Officer David?" meinte ich und hob eine Augenbraue. „Ich weiß auch nicht, aber ihr beide benehmt euch komisch, so als ob ihr…" „Können wir weitermachen?" mischte sich der Chefermittler schroff ein und beugte sich vor. Ihm war nicht entgangen, dass unsere beiden Kollegen langsam Lunte rochen, was bei der Stimmung, die zwischen uns herrschte, nicht verwunderlich war. In seine Augen trat ein gefährliches Funkeln, was ihn mehr als attraktiv machte. Mein Puls schoss in die Höhe und um zu kaschieren, was in meinem Inneren vorging, meinte ich lässig: „Ja, lasst uns endlich weiterkommen. Gibt es noch etwas Wichtiges, was wir wissen sollten?" McGee sah auf und antwortete: „Direktor Sheppard meinte, du sollst wieder die Brille tragen, damit wir alles bildlich mitverfolgen können. Abby kann dann die Gesichter der Männer gleich mit den Datenbanken abgleichen und sie eventuell identifizieren. Falls etwas schief gehen sollte, wären wir sofort zur Stelle, um euch da raus zu holen. Es ist für alles gesorgt." „Es wird schon gut gehen", sagte Gibbs, erhob sich und holte sich eine Flasche Wasser. „Wir werden uns diese Verbrecher schnappen und endlich wieder in unser altes Leben zurückkehren." „Dein Wort in Gottes Ohr", erwiderte ich und erntete prompt einen bösen Blick. Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mich deswegen unwohl fühlte und meinte: „Wir haben noch etwa vier Stunden, bevor wir aufbrechen. Will jemand etwas Essen? Geht auf Kosen des NCIS." Während Jethro kopfschüttelnd sein Wasser trank, stürzten sich Ziva und McGee begeistert auf die Essenskarte, die auf dem Tisch lag.
Noch ahnten wir nicht, dass dieser Abend eine Überraschung für uns bereithielt, die sich als lebensgefährlich herausstellen sollte.

Genau um 21:30 Uhr verließen wir die Tiefgarage des Hotels, um uns zu dem Treffpunkt mit den Hintermännern zu begeben. Gibbs saß wieder einmal hinter dem Steuer des Sportwagens, den ich bis jetzt kein einziges Mal fahren durfte. Und wahrscheinlich bekam ich auch keine Gelegenheit mehr dazu, da der Einsatz in ein paar Stunden beendet sein würde.
Während wir mit hoher Geschwindigkeit durch das nächtliche Washington fuhren, zog ich es vor, aus dem Seitenfenster zu sehen. Obwohl der Tag sich dem Ende zuneigte, waren viele Menschen unterwegs, die den Beginn des Wochenendes gebührend feiern wollten. Vor den Clubs waren regelrechte Warteschlangen und auf den Bürgersteigen tummelten sich die Nachtschwärmer. Ich würde jetzt auch lieber zu ihnen gehören, als hier mit Jethro in dem engen Fahrzeug zu sitzen. Zwischen uns hatte sich ein Schweigen ausgebreitet, das nur von den Verkehrsgeräuschen unterbrochen wurde. Seit Ziva und McGee die Suite verlassen hatten, hatten wir nur das Nötigste miteinander gesprochen. Wir hatten es vermieden, uns anzusehen oder uns zu nahe zu kommen, aus Angst, etwas Unüberlegtes zu tun, was die bereits viel zu komplizierte Situation noch verschlimmern würde. Ich hatte die restlichen Stunden im Schlafzimmer verbracht und hatte die Zeitung gelesen, während sich Gibbs vor den Fernseher gesetzt und ständig den Kanal gewechselt hatte, wie ich durch die offen stehende Tür mitbekommen hatte. Obwohl ich es überhaupt nicht ausstehen konnte, nichts mit ihm zu reden, hatte ich es nicht über mich gebracht, ein Gespräch anzufangen. Wer wusste schon, welche Worte dann zwischen uns gefallen wären und vielleicht wäre der Einsatz endgültig geplatzt. Die Zeit war für meinen Geschmack viel zu langsam verronnen und als es endlich kurz vor halb zehn Uhr gewesen war, war ich mehr als erleichtert, endlich etwas tun zu können, was mich von meinen Gefühlen und den Gedanken über Jethro ablenkte – allerdings nicht für lange, denn kaum hatten wir in dem Wagen Platz genommen, war die Stimmung noch drückender als in dem Hotelzimmer, da jetzt viel weniger Freiraum zwischen uns war.
Ich warf einen kurzen Blick auf Gibbs, der sich auf die Straße konzentrierte und das Lenkrad so fest umklammerte, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Die Laternen erhellten sein Gesicht in regelmäßigen Abständen und ich konnte erkennen, dass er seine Zähne aufeinander presste. Er schien wütend zu sein und das ließ er an den anderen Verkehrsteilnehmer aus, die das Pech hatten, sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten. Normalerweise würde ich mich aufregen, wenn er waghalsig andere Fahrzeuge überholte, aber heute war mir das nur Recht. Immerhin würden wir unser Ziel schneller erreichen und ich könnte endlich seiner körperlichen Nähe entfliehen, die gleichzeitig Sehnsucht und leichtes Unbehagen in mir hervorrief.
Ich rückte die Brille zu Recht, die mir ein wenig hinuntergerutscht war und zuckte leicht zusammen, als Jethro bei gelb über eine Kreuzung raste und fast in den Vordermann krachte, als dieser abrupt abbremste, da ein Fußgänger einfach über die Straße lief. Mein Herzschlag erhöhte sich und ich betete darum, heil unser Ziel zu erreichen. An diesem Abend hatte er einen fast schlimmeren Fahrstil als Ziva und das sollte etwas heißen.
„Hey, Leute, seid ihr überhaupt noch da?" drang Abbys Stimme in mein Ohr und prompt tauchte ein Bild der jungen Frau vor meinen Augen auf, wie sie im Labor stand, ein Headset auf dem Kopf, und wild auf die Computertastatur einhämmerte. Gemeinsam mit Direktor Sheppard verfolgte sie die Aktion in ihren geheiligten Hallen, während Ziva und McGee bereits in der Nähe der verlassenen Fabrik auf unser Eintreffen warteten. „Wo sollten wir denn sonst sein, Abbs?" fragte Gibbs in seiner üblichen netten Weise und überholte einen Kleinwagen, der von einem alten Mann gefahren wurde, der kaum über das Lenkrad hinweg sah. „Was ist los mit euch? Ihr seid so still", sagte sie und an dem Geräusch, dass zu uns durchdrang, nahm ich an, dass sie gerade einen Schluck CafPow zu sich nahm. „Es ist alles Bestens", antwortete ich und widerstand der Versuchung, erneut aus dem Seitenfenster zu blicken, stattdessen starrte ich stur geradeaus. „Das hoffe ich", mischte sich Jenny ein. „Es darf nichts schief gehen." „Wird es auch nicht", knurrte Jethro und bog mit quietschenden Reifen in eine ruhigere Straße ab. Erneut breitete sich Schweigen aus, noch eine Spur drückender als vor ein paar Minuten.
„McGee, wie sieht es aus?" fragte der Chefermittler, als wir nur mehr eine Meile von unserem Ziel entfernt waren. „Vor etwa einer halben Minute ist ein Wagen auf das Gelände gefahren und ist in einem Lagerhaus verschwunden. Wir haben die Insassen nicht erkannt, da die Scheiben getönt waren. Sonst ist alles ruhig, Boss." So weit ich wusste, hatten Ziva und er sich eine Position auf einem kleinen Hügel gesucht, von welchem sie das ganze Gebiet überblicken konnten. „Na, dann kann es ja los gehen", meinte ich und richtete mich ein wenig auf. Die Umgebung hatte sich vollkommen geändert. Am Straßenrand gab es keine Laternen mehr, das einzige Licht kam von den Scheinwerfern unseres Wagens. Das Gras auf den Wiesen wucherte vor sich hin und vereinzelt lag Müll am Wegrand. Es gab keine Häuser und nichts deutete daraufhin, dass es hier Menschen gab. „Nette Gegend", war Abbys Kommentar dazu. Kurz darauf erreichten wir ein hohes Tor aus Maschendrahtzaun, welches offen stand. Seitlich davor befand sich ein verlassenes Wachhäuschen, von dem die Scheiben zerbrochen waren und der ehemals weiße Anstrich war von Graffitis übersät – eines greller als das andere. „Da kann man ja noch Schimpfwörter dazulernen", sagte die Forensikerin, als ich die Schriften einer eingehenden Musterung unterzog, bevor wir auf das Gelände fuhren. Der Asphalt war an einigen Stellen aufgebrochen und Unkraut wuchs in den Ritzen. Das gesamte Areal war riesig und lag zum größten Teil in Dunkelheit. Die Gebäude und Lagerhallen zeichneten sich als Schatten ab und das schwache Licht des Halbmondes verlieh dem Ganzen einen gruseligen Touch. Vereinzelt konnte man erkennen, dass ein paar Fenster der Häuser vernagelt waren und dass der Verputz abbröckelte.
Gibbs ging vom Gas herunter und fuhr langsam über das Gelände. „In welchem Lagerhaus ist der Wagen verschwunden?" fragte er. „Im mittleren", antwortete Ziva sofort.
Wir brauchten nicht lange, um unser Ziel zu erreichen und sofort wussten wir, dass wir richtig waren. Zwar waren die beiden Tore geschlossen, aber die Tür dazwischen stand offen und ließ einen bleichen Lichtschimmer ins Freie. Jethro hielt den Wagen an, öffnete die Tür und stieg aus. Ich folgte ihm und ich spürte, wie mein Körper vermehrt Adrenalin ausschüttete. Der Grund war diesmal nicht mein Kollege, sondern die Aufregung, die sich in mir breit machte. „Seid vorsichtig", sagte Jenny und ihre Stimme klang ungewohnt besorgt. Ich blickte zu Gibbs, der mir zunickte und gemeinsam gingen wir auf die Lagerhalle zu. Aus der Nähe wirkte sie noch riesiger und heruntergekommener. Im Inneren herrschte ein Zwielicht, welches von einer nackten Glühbirne erzeugt wurde, die über der Tür hing und es nicht wirklich schaffte, die Dunkelheit zu vertreiben. Die Halle war groß und in der Dämmrigkeit konnte man gerade noch erkennen, dass in etwa drei Metern Entfernung links ein Gang in den hinteren Teil des Gebäudes führte. Sowohl der Boden als auch die Wände bestanden aus Beton, der an einigen Stellen Schmutzflecken aufwies. Vereinzelt lagen kaputte Werkzeuge herum, ansonsten gab es hier drinnen nichts – außer den schwarzen Lieferwagen, der hinter einem der Tore stand und dessen hintere Türen offen standen. Mindestens ein halbes Dutzend Kisten befanden sich auf der Ladefläche und warteten darauf, ausgeladen zu werden. „Und wo sind die Männer?" fragte McGee. Seine Stimme ließ mich leicht zusammenzucken, da ich komplett vergessen hatte, dass wir mit der Außenwelt in Kontakt standen. Ich drehte mich einmal im Kreis, und blickte mich genauso wie Gibbs suchend um. Ein paar Sekunden später räusperte sich links von uns jemand und drei Personen tauchten aus dem dunklen Gang auf. Alle waren groß, muskulös und hatten einen einheitlich kurzen Haarschnitt. Sie trugen dunkle Anzüge und machten den Eindruck von gewalttätigen Türstehern. An den Gürteln steckten Holster mit Waffen, was mich daran erinnerte, dass Jethro und ich ebenfalls unsere Pistolen mitführten, gut versteckt unter den Hemden, die wir trugen. „Ihr seid früh dran", sagte der Rechte und an seiner unheimlichen Stimme erkannte ich denjenigen, der uns vor zwei Tagen im Hotel angerufen hatte. „Rafe hatte wieder einmal einen Bleifuss", erwiderte ich und grinste, was aber nicht so gut anzukommen schien, jedenfalls verrieten mir das ihre unbewegten Mienen.
Auf einmal erklangen erneut Schritte und eine vierte Person erschien, nur blieb sie im Schatten stehen, sodass wir nicht einmal die Umrisse erkennen konnten. Prompt drehten sich die Drei um und Flüsterlaute drangen an mein Ohr, so leise, dass ich kein einziges Wort verstehen konnte. Unwillkürlich stellten sich meine Nackenhaare auf und ich sah zu Gibbs, der sich versteifte. Er schien ebenso zu spüren, dass irgend etwas nicht stimmte. Meine Herzfrequenz steigerte sich, aber dennoch zwang ich mich, einen möglichst gelassenen Eindruck zu machen. Nach nicht einmal einer halben Minute hallten erneut laute Schritte durch die Halle und die Person verschwand wieder in dem Gang. Die Männer drehten sich um und funkelten uns bedrohlich an. „Stimmt etwas nicht?" fragte Jethro und seine Hand wanderte langsam zu seiner linken Hüfte, an der sich das Holster mit seiner Waffe befand. „Sagen Sie uns das", antwortete der Mittlere und während der Linke zur Tür ging, um sie zu schließen, kamen die beiden anderen auf uns zu. „Was geht da vor sich?" hörte ich Jennys Stimme.
„Jake, sperr ordentlich ab!" befahl der Größte. Ich spürte, wie uns die Kontrolle entglitt und die ganze Sache schien auf einmal gewaltig schief zu gehen. Meine Hand fuhr zu meiner Hüfte, aber bevor ich die Waffe erreichen konnte, blickte ich in die Mündung einer Pistole. „Was soll das?" wollte ich wissen, aber als Antwort bekam ich lediglich ein Knurren. Jethro hatte ebenfalls keine Chance, da er genauso wie ich in den Lauf einer Waffe blickte. Sie kamen immer näher und als ich Anstalten machte, einen Schritt zurückzuweichen, überwand derjenige, der uns angerufen hatte, innerhalb einer Sekunde die Distanz zwischen mir und ihm und packte mich grob am Oberarm. Ohne ein Wort zu verlieren, riss er mir die Brille vom Gesicht und warf sie zu Boden. „Hey!" rief ich erbost und versuchte mich aus dem harten Griff zu befreien. Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie Gibbs entwaffnet und mit dem Gesicht voran an die Wand gepresst wurde. „Verdammt, was soll das?!" wiederholte ich meine Frage von vorhin, wurde aber wie mein Kollege ein paar Sekunden vorher an die Mauer gepresst. Meine Wange fuhr unsanft an dem Beton entlang und ich spürte, wie mir starke Finger meine Pistole abnahmen. Kurz darauf entfernte er den Stöpsel aus meinem Ohr, ließ ihn auf die Erde fallen und trat darauf. „Halt die Klappe, Nathan", antwortete er endlich, drehte mich um und brachte sein Gesicht nahe an meines, sodass sein Atem warm über meine Haut strich. „Oder sollte ich dich lieber Anthony DiNozzo nennen?" Mir gefror das Blut in den Adern und Angst stieg in mir auf, als mir bewusst wurde, dass soeben unsere Tarnung aufgeflogen war. „Wie…?" begann ich, wurde aber sofort unterbrochen: „Das erfährt ihr noch bald genug." Ich suchte verzweifelt nach einem Ausweg, nur fand ich keinen. Gibbs befand sich neben mir und wurde genauso in Schach gehalten. Er hatte seine Gefühle besser unter Kontrolle als ich, aber ich wusste, er war gleichermaßen geschockt, dass plötzlich alles nach hinten losging. „Sie machen einen gewaltigen Fehler", sagte er ruhig und durchbohrte sein Gegenüber mit seinen blauen Augen. „Schnauze, Bulle!" schrie der andere. „Wir sind Bundesagenten", meinte ich darauf. „Da besteht ein gewaltiger Unterschied." „Ich kann beide nicht ausstehen", erwiderte mein Bewacher und versetzte mir unmittelbar einen harten Schlag ins Gesicht, sodass mir prompt Blut aus der Nase floss und meinen Mund mit einem ekligen metallischen Geschmack füllte. „Hören Sie auf!" schrie Gibbs und versuchte sich zu befreien. Ich bekam nicht einmal die Möglichkeit, die Blutung zu stillen, denn ich wurde erneut grob am Arm gepackt, von der Wand weggezerrt und in den dunklen Gang geführt, indem vor ein paar Minuten die vierte Person verschwunden war. Noch immer versuchte ich zu realisieren, was da gerade passierte. Weshalb war unsere Tarnung aufgeflogen? Wir hatten doch nichts gesagt oder unternommen, was den Verdacht dieser Männer erregen konnte, dass etwas nicht stimmte. Aber trotzdem hatten sie es irgendwie herausgefunden.
Jethro und ich wurden durch einen langen Gang gelotst, von dem zahlreiche Türen abzweigten. Am Ende des Flures führte eine Treppe in das Untergeschoss. Gnadenlos wurden wir weitergezerrt, bogen einmal links und dann wieder rechts ab und nach ein paar Sekunden hatte ich komplett die Orientierung verloren. Plötzlich drängte sich mir ein Gedanke auf: Wo blieb unsere Verstärkung? Es musste doch klar sein, dass wir in Schwierigkeiten steckten, zumal die Verbindung nach außen unterbrochen worden war. Würden uns unsere Kollegen in diesem Labyrinth rechtzeitig finden? Ich konnte es nur hoffen.
Am Ende des schmalen Ganges blieben wir vor einer Tür stehen, die Jake sofort öffnete. Der kleine Raum wurde von einer Glühbirne hell erleuchtet. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein Regal, das jedoch bis auf eine dicke Staubschicht leer war. Davor stand ein einzelner Stuhl, auf dem eine Person saß, die bei unserem Eintreten den Kopf hob. Ich blieb mit einem Ruck stehen und hatte das Gefühl, meine gesamten Muskeln würden mir den Dienst versagen. Trotz der warmen und muffigen Luft wurde mir eiskalt und die Umgebung fing sich leicht zu drehen an. Ich vergaß meine pochende Nase und das Blut, welches mir noch immer über das Kinn floss. Nur am Rande bekam ich mit, wie Gibbs neben mir zum Stehen kam und mir einen verwunderten Blick zuwarf. Meine Konzentration galt der Frau, die auf dem sicher unbequemen Sessel saß. Ihr aufreizender Körper steckte in einem schlichten dunkelblauen Kostüm, das sie mit einer weißen Bluse und schwarzen Pumps kombiniert hatte. Ihre langen blonden Haare hatte sie zu einem festen Knoten geschlungen und ihr liebliches Gesicht hatte einen kalten Ausdruck angenommen. Die hellblauen Augen funkelten mich mörderisch an und in der rechten Hand hielt sie eine Waffe, die genau auf mich zielte. Mein Hals war auf einmal staubtrocken und ich musste mehrmals schlucken, um den großen Kloß loszuwerden. Mein Herz schlug wie wild in meiner Brust und ich fragte mich, ob ich eine Wahnvorstellung hatte. Aber auch nach mehreren Sekunden blieb das Bild unverändert und schließlich öffnete ich meinen Mund, um krächzend nur ein einziges Wort zu sagen – wobei es eher zu einer Frage wurde: „Melinda?!"

Fortsetzung folgt...
Chapter 13 by Michi
„Stimmt etwas nicht?" Gibbs' Stimme hallte viel zu laut in Zivas Ohren wider. Sie und McGee saßen in dem Dienstwagen, der auf einer kleinen Anhöhe geparkt war und von dieser Position aus konnten sie das gesamte Areal überblicken. Sämtliche Gebäude wurden lediglich vom bleichen Halbmond beleuchtet, der hoch am Himmel stand.
Die junge Frau hob ein Fernglas an ihre Augen und versuchte durch die offene Tür in das Innere der Lagerhalle zu spähen, was jedoch auf Grund des ungünstigen Winkels nicht möglich war. „Sagen Sie uns das", antwortete ein Mann in dem Moment, in dem die Tür zur mittleren Lagerhalle geschlossen wurde und das bisschen Licht, welches nach draußen gedrungen war, durch nächtliche Schwärze ersetzt wurde. Ziva spürte sofort, dass etwas nicht stimmte und ihr stellten sich sämtliche Nackenhaare auf. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass der Einsatz gerade nach hinten losging. Sie ließ das Fernglas sinken und blickte zu McGee, der neben ihr saß und konzentriert die Vorgänge im Inneren der Lagerhalle mit Hilfe eines Laptops verfolgte. Auf seinem Kopf hatte er ein Headset, über das er mit Abby in Kontakt stand. Sein Gesicht erschien in dem Licht des Bildschirmes ungewöhnlich bleich, was aber auch daran liegen konnte, dass er soeben eine Großaufnahme einer der Männer vor sich hatte, der sich Tony gefährlich näherte und plötzlich eine Waffe in der Hand hielt.
„Was soll das?" fragte der Agent und leichte Panik schwang in seiner Stimme mit. Anscheinend schienen die beiden gerade zu realisieren, dass sie in ziemlichen Schwierigkeiten steckten. Für eine Sekunde erschien Gibbs auf dem Bildschirm, der von einer zweiten Person in Schach gehalten wurde. „Verdammt", sagte McGee und versuchte nicht den Eindruck zu erwecken, er wäre nervös, obwohl seine Hände leicht zu zittern anfingen. „Was ist los?" wollte Ziva wissen und beugte sich zu ihrem Kollegen hinüber, damit sie auf den Laptop blicken konnte. Sie bekam gerade noch mit, wie ein Riese auf DiNozzo zuging und selbst aus dieser Entfernung ließ ihr der Typ einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Seine Miene war unbewegt, strahlte aber dennoch eine Aura des Bösen aus, die ihnen mehr als unheimlich war. Eine große Hand erschien auf dem Bildschirm. Innerhalb einer Sekunde war der Verbrecher verschwunden und die beiden sahen nur noch grauen Betonboden.
„Hey!" rief Tony wütend und erinnerte sie daran, dass sie ihre Kollegen immer noch hören konnten. „Verdammt, was soll das?" fragte er. Ein paar Sekunden später war ein lautes Krachen zu hören, und auch die Stimmen waren verstummt. Stille breitete sich im Inneren des Wagens aus und hinterließ zwei Agenten, die erst realisieren mussten, was da gerade geschehen war. McGee saß leicht geschockt da und begann auf die Tastatur einzuhämmern, in der Hoffnung, wieder eine Verbindung herstellen zu können. Aber er wusste, dass es sinnlos war. Die Männer hatten die Ohrstöpsel entfernt und sie zerstört.
„Abby, bekommst du ein Signal?" fragte er in das Headset. „Nein, ich fürchte, wir haben den Kontakt verloren." Ihre sonst so fröhliche Stimme wurde nun von Angst beherrscht. „Was ist da nur passiert?" „Ich denke, ihre Tarnung ist aufgeflogen", antwortete Ziva und strich sich eine Strähne ihres Haares, die ihr ins Gesicht gerutscht war, hinter das rechte Ohr. Außen hin wirkte sie kühl und ruhig, aber in ihrem Inneren brodelte es. Ihr war bewusst, dass ihre Kollegen in Lebensgefahr schwebten, aber sie wusste, wenn sie jetzt etwas überstürzen würden, wären die beiden innerhalb von Sekunden tot – wenn das nicht bereits der Fall war. Eine nie gekannte Furcht überkam sie und nur mit Mühe schaffte sie es, sie zurückzudrängen. Panik würde die Situation nur verschlimmern und so atmete sie tief durch, um ihr Gehirn zu logischem Denken zu zwingen.
„Hast du den Typen identifizieren können, der Tony bedroht hat?" fragte Ziva, wieder ganz die professionelle Agentin. „Ja, habe ich", antwortete Abby prompt und Aufregung ersetzte die Angst in ihrer Stimme. „Ich schicke die Daten auf McGees Computer." Kurz darauf erschien ein Foto auf dem Bildschirm, das genauso wie das lebende Subjekt mehr als bedrohlich wirkte. Er war noch jünger, aber unverkennbar der Gangster, obwohl er auf dem Bild fast schulterlange blonde Haare hatte und ein einfaches weißes T-Shirt trug.
„Marvin Brown, 36 Jahre alt", begann die Forensikerin. „Geboren und aufgewachsen in Houston. Bereits im Alter von 16 Jahren hat er das erste Mal im Gefängnis gesessen - wegen Diebstahls. Seitdem wuchs sein Vorstrafenregister, das jetzt länger als mein neuer schwarzer Schal ist, der übrigens äußerst…" „Abby!" unterbrach sie McGee. „Bleib beim Thema." „Entschuldige. Also, wo war ich? Ah ja, Marvin saß bis vor zwei Jahren wegen Einbruchs und Körperverletzung. Ab diesem Zeitpunkt verliert sich seine Spur. Es gibt keine bekannte Adresse und bei seinen Eltern ist er auch nicht untergekommen, da beide vor vier Jahren bei einem Autounfall getötet wurden. Die einzige Verwandte die er noch hat, ist seine Schwester Melinda, 30 Jahre alt, wohnhaft in Washington. Wartet, ich schicke euch ein Bild." Ein paar Sekunden später wurde ein Gesicht neben Marvin sichtbar, was Zivas Herzschlag in die Höhe jagte. „Mein Gott", flüsterte sie und blickte zu McGee, der sie verständnislos betrachtete. „Was ist?" fragte er und runzelte die Stirn. Er konnte sich nicht vorstellen, weshalb seine Kollegin so geschockt von dieser Frau war, zumal sie sehr attraktiv war. Sie war das genaue Gegenteil ihre Bruders – zierlich und hatte ein liebliches Gesicht. Nur die blonden Haare und die hellblauen Augen wiesen darauf hin, dass sie verwandt waren.
„Das ist Tonys Freundin", antwortete Ziva und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass sie diese Tatsache komplett aus der Ruhe brachte. „Ich habe sie einmal gesehen, als sie ihn vom Hauptquartier abgeholt hat. Das war vor ungefähr zwei Wochen." Sie schauderte bei der Erinnerung, dass der Begrüßungskuss der beiden viel länger ausgefallen war, als es üblich war. Tim begriff, was seine Kollegin damit sagen wollte. Geschockt blickte er auf das Foto der jungen Frau, die aussah, als ob sie keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte. „Glaubst… glaubst du etwa, sie steckt in dem Waffendeal mit drinnen?" wollte er wissen und kratzte sich am Kopf. „Wie drückt es Gibbs immer so schön aus: es gibt keine Zufälle und ich denke, in diesem Fall trifft das ebenfalls zu." „Das ist ja echt verrückt. Tony hat eine Freundin, die kriminell ist", meinte Abby. „Ob er das weiß?" „Nun, wahrscheinlich findet er es in diesem Moment heraus", erwiderte Ziva und fuhr sich mit einer Hand über ihr Gesicht. Jetzt war ihr auch klar, weshalb die Tarnung der beiden aufgeflogen war und sie hatte das Gefühl, dass ihnen die Zeit davon lief. „Hat Melinda auch ein Vorstrafenregister?" fragte sie neugierig. „Allerdings, jedoch nicht so ellenlang wie das ihres Bruders", antwortete McGee, der die Informationen von seinem Laptop abrief. „Im Alter von 20 Jahren beging sie innerhalb von einem Monat 10 Ladendiebstähle und saß deswegen einmal kurz im Gefängnis. Anschließend ist sie von Houston nach Washington gezogen und wurde eines Tages aufgegriffen, als sie versuchte, Diebesgut außer Landes zu schmuggeln. Seit etwa einem Jahr ist sie wieder auf freiem Fuß und seitdem hat sie nicht einmal einen Strafzettel kassiert." „Sieht so aus, als ob sie sich mit ihrem Bruder zusammengetan hat", sagte Ziva. „Jetzt können wir nur hoffen, dass sie genug an Tony hängt, um ihn so lange am Leben zu lassen, bis wir da drinnen sind. Das Ganze gilt natürlich auch für Gibbs", fügte sie nach einem Seitenblick von McGee hinzu. „Los, holen wir sie da raus." Tim ließ sich das kein zweites Mal sagen, verabschiedete sich von Abby und stieg gemeinsam mit seiner Kollegin aus, die soeben mit den anderen Agenten in Kontakt trat, die auf dem gesamten Gelände verstreut waren. Vorsichtig gingen sie den kleinen Hügel hinunter und gelangten durch das offene Tor auf das Areal. Das einzige Geräusch kam von ihren Schritten und den zirpenden Grillen.
Es dauerte nicht lange, bis sie mit der Verstärkung vor dem Lagerhaus ankamen, in dem Tony und Gibbs verschwunden waren. Zwei der Männer schafften es innerhalb kürzester Zeit die nicht sehr stabile Tür einzutreten. Mit gezückten Waffen stürmten sie das Gebäude, fanden jedoch nur einen schwarzen Lieferwagen, der Holzkisten enthielt. Die Luft roch muffig und abgestanden. Die zahlreichen Taschenlampen der Agenten vertrieben die Dunkelheit und sie durchsuchten strategisch die große Halle.
„Ziva, ich habe etwas gefunden", sagte McGee und hielt die Brille in der Hand, die er vor ein paar Sekunden vom Boden aufgehoben hatte. Die Gläser waren leicht zerkratzt, aber ansonsten wirkte sie unversehrt. „Nur, wo sind sie?" fragte er schließlich, nachdem er die Brille in die Tasche seiner Jacke gesteckt hatte. Die junge Frau drehte sich einmal im Kreis und bemerkte den Gang, der links abzweigte. „Ich schätze, sie sind da lang", meinte sie und deutete in die Dunkelheit hinein. „Das ist jedenfalls der einzige Weg und sie haben garantiert die Lagerhalle nicht verlassen, da wir es sonst mitbekommen hätte. Außerdem sind die Waffen noch hier." Tim nickte zustimmend und winkte den Agenten, die noch immer verstreut herumliefen. „Na, dann mal los", meinte Ziva und entsicherte ihre Waffe. Sie wollte auf alle Fälle vorbereitet sein, falls sie auf einen der Verbrecher oder vielleicht auf die ganze Bande stoßen sollte. Innerlich betete sie, dass Tony und Gibbs noch am Leben waren, auch wenn die Chance dafür nicht allzu gut stand.

Ich hatte das Gefühl, dass die Zeit stillstand, sämtliche Geräusche traten in den Hintergrund und ich konzentrierte mich nur auf die junge Frau. Sie wirkte entspannt, wie sie so vor mir saß und die Waffe direkt auf mich richtete, die für ihre kleine Hand beinahe zu groß war. Ihre langen Beine, die von einem für sie ungewöhnlich schlichten Rock verhüllt wurden, hatte sie lässig übereinander gelegt. Die bloße Haut an ihren Unterschenkeln schimmerte leicht in dem hellen Licht der Glühbirne – genauso wie die blonden Haare. Ihr dezent mit rotem Lippenstift geschminkter Mund verzog sich zu einem hämischen Grinsen, als sie meinen fassungslosen Gesichtsausdruck bemerkte. Obwohl wir über einen Monat zusammen gewesen waren und ziemlich viel Zeit miteinander verbracht hatten, hatte ich das Gefühl, eine Fremde vor mir zu haben. Zusammen mit den engen Miniröcken, die sie so gerne getragen hatte, war ihr dümmliches Blondinenimage verschwunden, welches sie ständig an den Tag gelegt hatte und hatte einer eiskalten Entschlossenheit Platz gemacht. Ihre hellblauen Augen, die mich oft voller Humor gemustert hatten, erinnerten mich jetzt an Eiskristalle und anstatt dass mir der Blick einen wohligen Schauer über den Rücken jagte, stellten sich auf meiner Haut sämtliche Härchen auf. Melinda schien mein Unbehagen zu spüren, denn ihr Lächeln wurde noch breiter, wobei es jedoch ihre Augen nicht erreichte. Ihr vorher so liebliches Gesicht hatte einen Ausdruck angenommen, den ich noch nie gesehen hatte und der mir mehr Angst machte, als die Tatsache, dass unsere Tarnung aufgeflogen war oder dass ich von einem riesigen Kerl festgehalten wurde, der mir langsam die Blutzufuhr des Armes abschnitt.
Nach endlosen Sekunden stellte die junge Frau ihre Füße nebeneinander auf den Boden, stand auf und kam langsam auf mich zu, wobei die Waffe ständig auf meine Brust zeigte. Sie war um einen Kopf kleiner und musste deshalb zu mir aufsehen, was sie aber nicht sonderlich zu stören schien. Einen Schritt vor mir blieb sie stehen, hob ihren freien Arm und strich mir federleicht mit einem Finger über mein Gesicht. Noch vor Tagen hätte ich diese Berührung genossen, aber jetzt rief sie in mir das genaue Gegenteil hervor. Ich versteifte mich und versuchte so zu tun, als ob sie in mir keine Empfindung hervorrufen würde. Melindas Blick schweifte zu meiner blutigen Nase, die sie mit einem leichten Stirnrunzeln zur Kenntnis nahm und sah dann zu dem Mann, der mich noch immer festhielt. „Marvin, ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht immer so hart zuschlagen", sagte sie und ließ mich los. Selbst ihre Stimme hatte sich geändert. Sie war nicht mehr schrill, sondern tiefer und ein wenig rauchig. Der Eindruck, eine fremde Person vor mir zu haben, verstärkte sich noch mehr.
„Tut mir leid, aber er ist ein Bulle und die kann ich überhaupt nicht ausstehen", antwortete der Angesprochene und verstärkte seinen Griff, sodass ich leicht zusammenzuckte. „Und wie ich bereits vorhin erwähnt habe, sind wir keine Bullen sondern Bundesagenten", erwiderte ich ärgerlich. „Da gibt es einen bedeutenden Unterschied, aber den werden Sie wahrscheinlich…" „Tony", unterbrach mich Gibbs und schüttelte warnend seinen Kopf. In seinen Augen lag ein ungekannter besorgter Ausdruck und da diese Sorge mir galt, hielt ich prompt den Mund. Mir war klar, wenn ich die Wörter, die mir auf der Zunge lagen, aussprechen würde, war eine blutige Nase noch das kleinste Übel. Deshalb presste ich vorsichtshalber meine Lippen aufeinander und schwieg. Mit einem Mal war der Streit zwischen uns nur mehr zweitrangig und mir wurde bewusst, dass wir jetzt zusammenhalten mussten, um diese Situation zu überstehen. Tief in meinem Inneren hoffte ich, dass es in Zukunft eine Gelegenheit geben würde, bei der ich mich mit Jethro aussprechen konnte, aber bis es so weit war, mussten wir einer verrückten Bande von Waffenhändlern entkommen, die wahrscheinlich von einer Frau geleitet wurde, mit der ich im letzten Monat mehrmals im Bett gewesen war. Ekel packte mich, als ich daran dachte und ich schluckte ein paar Mal, um den bitteren Geschmack in meinem Mund loszuwerden.
Melinda wandte sich von mir ab und sah zu meinem Boss, der direkt neben mir stand und von einem weiteren Mann festgehalten wurde. Der Dritte hatte vor etwa einer Minute den Raum verlassen und war seitdem nicht wieder aufgetaucht. Mir war auch egal, wo er war, denn somit standen unsere Chancen, von hier zu entkommen, besser, als wenn wir es mit vier Personen zu tun hatten.
„Sie sind sicher Special Agent Gibbs", stellte die junge Frau fest und blickte in sein regloses Gesicht. Verschwunden war der besorgte Ausdruck und in seinen Augen lag ein kaltes Funkeln, das dem Melindas in nichts nachstand. „Tony hat mir bereits sehr viel von Ihnen erzählt und nicht alles davon war nett. Er behauptet, Sie würden ihn ständig mit Kopfnüssen bestrafen und die zahlreichen Überstunden, die Sie ihm aufgebrummt haben, waren für unsere Beziehung nicht unbedingt förderlich." Jethro sah zu mir und hob eine Augenbraue. „Ach, hat er das gesagt?" fragte er mit ruhiger Stimme, aber ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er innerlich brodelte wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand. „Nun, dass mit den Kopfnüssen will ich nicht abstreiten, aber nicht alle Überstunden gehen auf mein Konto." Verwirrt trat Melinda einen Schritt zurück. „Was soll das heißen?!" fuhr sie ihn an und wedelte dabei mit der Waffe vor seinem Gesicht herum. „Das heißt", übernahm ich die Antwort, wobei ich Gibbs verfluchte, dass er unbedingt die Wahrheit sagen musste, „dass ich manchmal freiwillig länger gearbeitet habe." Sie verstand die Botschaft hinter den Worten und ihre Augen funkelten zornig. „Ich habe ja gewusst, dass du nicht mit mir zusammen sein willst!" schrie sie mich an und ihre mir allzu bekannte schrille Stimme kehrte wieder zurück. „Du enttäuschst mich wirklich, Tony!" Ich schnaubte und erwiderte: „Ach ja? Und was ist mit dir? Ich bin nicht derjenige, der verschwiegen hat, dass er seinen Lebensunterhalt mit kriminellen Machenschaften verdient. Und ich habe das Gefühl, dass unsere Beziehung von vornherein eine Lüge war, oder?" Überrascht stellte ich fest, dass Schmerz in ihren Augen aufglomm und ihre Hand, die die Waffe hielt, fing leicht zu zittern an. „Zugegeben, ich habe dich damals in der Bar deswegen angesprochen, weil ich wusste, dass du beim NCIS arbeitest", sagte sie und straffte ihre Schultern. „Ich hatte gedacht, wenn du dich in mich verliebst, würde ich dir mühelos entlocken können, was ihr alles bei euren Ermittlungen über Schmugglereien mit Waffen herausfindet und ob ein Verdacht besteht, ob ihr uns zu nahe kommt. Aber mit der Zeit wurdest du mir richtig sympathisch und ich habe angefangen dich zu mögen." Ihre Stimme war immer leiser geworden. Ihre Worte trafen mich härter als Marvins Schlag vor ein paar Minuten. Ich fühlte mich beschmutzt und ausgenutzt, obwohl ich bereits länger wusste, dass ich Melinda nicht liebte und auch nie geliebt hatte. Dennoch schmerzte mich das Wissen, dass sie nur mit mir zusammen gewesen war, um mir Informationen zu entlocken. „Und das soll ich dir glauben?" fragte ich laut und bemerkte mit einer gewissen Genugtuung, wie sie zusammenzuckte. „Es ist die Wahrheit", meinte Melinda und ließ die Waffe ein wenig sinken. „Ich habe zu meinem Bruder gesagt, dass ich nach diesem Deal aussteigen werde, weil ich in Betrachtung gezogen habe, mit dir ein neues Leben zu beginnen." Ihre Worte berührten mich auf eine seltsame Art, aber dennoch verdrängten sie das Gefühl, ausgenutzt worden zu sein, nicht. „Dein Bruder?" fragte ich überrascht. „Das bin ich", antwortete Marvin hinter mir und sein warmer Atem strich mir über mein linkes Ohr. „Aber dann musste ich etwas erfahren, was mich sehr verletzt hat und weshalb ich meine Entscheidung wieder rückgängig gemacht habe." Melinda trat einen Schritt zurück und sah abwechselnd zu Gibbs und mir, der dem Gespräch zwischen uns schweigend gelauscht hatte. „Anscheinend stehst du neuerdings auf Männer", sagte sie verächtlich und hob erneut ihre Waffe. „Ich habe Marvin in den Club geschickt, damit er Nathan und Rafe beobachtet und ein paar Fotos schießt, um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich die sind, die sie eben sind. Die Idee mit der Knutschecke kam von mir. Und als er mit den Bildern zurückkam und sie mir zeigte, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen." Melinda wurde immer lauter und ihre Stimme hallte laut in dem kleinen Raum wider. „Zuerst dachte ich, es wäre ein dummer Scherz, aber mein Bruder versicherte mir, dass diese Szene echt war. Zu diesem Zeitpunkt ging er noch davon aus, dass wirklich Rafe und Nathan in dem Club waren, aber ich belehrte ihn eines Besseren. Kannst du dir vorstellen, was das für ein Schock für mich gewesen ist, als ich erkannt habe, dass mein Freund minutenlang mit einem Mann rumknutscht?! Und Marvin hat gemeint, dass ihr nicht mehr die Finger voneinander lassen konntet. Mir wurde bewusst, dass ihr euch nur als die beiden Waffenschmuggler ausgebt, aber dennoch hat es mich verletzt. Ich habe immer geglaubt, du würdest auf Frauen stehen und ich habe niemals damit gerechnet, dass du für einen Undercovereinsatz so weit gehst. Ich habe mir einzureden versucht, dass alles nur gespielt war, aber Marvin versicherte mir, dass der Kuss zwischen euch beiden mehr als nur echt war." Obwohl mir ihre Worte Unbehagen einflößen sollten, taten sie es nicht - ich fühlte mich nicht einmal schuldig. „Soll ich mich jetzt etwa entschuldigen?" fragte ich und erwiderte trotzig ihren Blick. „Das kannst du vergessen. Und soll ich dir noch etwas verraten? Ich habe Gibbs' Küsse mehr genossen als deine." Ich war mächtig sauer und das ließ ich die junge Frau spüren, obgleich ich in dieser brenzligen Situation den Mund nicht so weit aufreißen sollte. Jethro hielt für einen kurzen Moment die Luft an und stieß sie dann in einem Zug wieder aus. Marvin hingegen versetzte mir einen harten Schlag in meine rechte Seite, der mich halb einknicken ließ. „So redest du nicht mit meiner Schwester", zischte er boshaft. Gnadenlos durchfuhr mich der Schmerz, aber ich richtete mich wieder auf und ignorierte ihn einfach. Melinda sah mich verletzt an und eine Sekunde später kehrte die eiskalte Entschlossenheit zurück. Sie hob die Waffe, sodass die Mündung direkt auf mein Herz zielte, welches anfing, wie wild in meiner Brust zu schlagen. Mir war bewusst, dass ich den Bogen gerade gewaltig überspannt hatte, aber meine Worte waren lediglich die reine Wahrheit gewesen.
Ich sah zu Gibbs, der meinen Blick erwiderte und erneut erschien der besorgte Ausdruck in seinen Augen. Er ballte seine Hände zu Fäusten, denn auch ihm war nicht entgangen, dass sich die Stimmung in dem Raum plötzlich verändert hatte. Spannung lag in der Luft, die beinahe knisterte und nur darauf wartete, sich zu entladen. „Ich bin von dir enttäuscht, Tony", sagte Melinda erneut und seltsam ruhig, aber dennoch drohend. „Marvin hat mir vorgeschlagen, euch beide sofort umzulegen, aber ich wollte unbedingt sehen, wie du darauf reagierst, wenn du erfährst, dass ich nicht die bin, für die du mich gehalten hast. Und dein Gesichtsausdruck war eine kleine Entschädigung dafür, dass du mich derart verletzt hast." Adrenalin rauschte durch meine Adern, als sie die Waffe entsicherte. Das Geräusch hallte laut in dem Raum wider und ließ mich zusammenzucken. Gibbs neben mir spannte sich an und sagte: „Legen Sie die Waffe nieder. Wir finden auch anders eine Lösung." „Halten Sie die Klappe!" herrschte sie ihn an. „Sie sind doch an allem schuld! Aber ich kann Ihnen sagen, dass Sie Tony niemals bekommen werden! Wenn ich ihn nicht haben kann, dann wird das niemand!" Schweiß bildete sich auf meiner Stirn, als mir bewusst wurde, was sie damit meinte. „Melinda, das bringt…" „Hör auf!" schrie sie und nickte Marvin zu, der mich daraufhin losließ und zur Seite trat. Bevor ich auch nur realisieren konnte, dass ich nicht weiter festgehalten wurde, bog sie ihren Zeigefinger über den Abzug und kurz darauf ertönte ein lauter Knall, der von den Wänden um ein Vielfaches verstärkt wurde.

Fortsetzung folgt...
Chapter 14 by Michi
Im selben Moment, in dem der Schuss erklang, erhielt ich einen harten Stoß, durch den ich auf den Boden geschleudert wurde. Ich hatte nicht einmal Zeit, den Sturz mit meinen Händen abzufangen und so landete ich brutal auf meiner rechten Schulter. Für zwei Sekunden wusste ich nicht, wo oben und unten war und erst der elektrisierende Schmerz, der meinen gesamten Körper durchfuhr, riss mich aus dem desolaten Zustand. Ich presste meine Lippen aufeinander, um keinen Schrei auszustoßen und blieb benommen liegen. Vor meinen Augen tanzten kleine bunte Sterne und die Umgebung drehte sich leicht. In meinen Ohren rauschte laut das Blut und ich fragte mich, weshalb ich plötzlich auf der Erde lag, ohne mir die Kugel eingefangen zu haben, die für mich bestimmt gewesen war. Der graue Betonboden hörte auf zu schwanken und so riskierte ich es, mich aufzurichten, wobei jedoch mein rechter Arm sofort unter meinem Gewicht einknickte. Meine Schulter pochte schmerzhaft und ich wusste, ich hatte sie mir bestenfalls böse geprellt. Ich richtete mich vorsichtig auf und hob den Kopf. Mein erster Blick fiel auf Melinda, die mitten im Raum stand, die Waffe erhoben und den Eindruck erweckte, nicht genau zu wissen, was sie machen sollte. Sie starrte nicht mich an, sondern einen Punkt links von mir. Erst jetzt vernahm ich das laute Keuchen neben mir und auf einmal wurde mir glasklar, weshalb ich lebend - und nicht tödlich verwundet - auf dem Boden lag. Angst schnürte mir die Kehle zu und ich musste mich richtiggehend dazu zwingen, in die Richtung des Geräusches zu sehen. Mein Herz schlug wie wild in meiner Brust, als ich mich komplett aufsetzte und zu Gibbs blickte, der auf der Stelle lag, an der ich vor nicht einmal einer halben Minute gestanden hatte. Blut tränkte sein Hemd an der rechten Schulter, die er mit seiner linken Hand umklammerte. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, aber er machte keine Anstalten, einen Schrei auszustoßen oder auch nur ein leises Stöhnen von sich zu geben. Auf seiner Stirn hatten sich Schweißtropfen gebildet, die langsam seine Schläfen hinunter rannen. Ich konnte meine Augen nicht mehr von meinen Boss losreißen, der mir das Leben gerettet und an meiner Stelle die Kugel eingefangen hatte. Er musste es irgendwie geschafft haben, sich von seinem Bewacher zu befreien und hatte mich aus der Schussbahn befördert. Erleichtert stellte ich fest, dass er nicht tödlich getroffen worden war, aber das Geschoss hatte seine Schulter durchschlagen, da sich unter seinem Körper eine Blutlache ausbreitete. Mir wurde bewusst, wenn er nicht bald Hilfe bekommen würde, dann würde er hier verbluten. Aber so lange ich noch am Leben war, würde ich das nicht zulassen.
„Gibbs", brachte ich schließlich hervor und kniete mich hin, wobei ich jedoch sofort in der Bewegung inne hielt, als Melinda ihre Waffe erneut auf mich richtete. Sie schien sich von ihrem Schock erholt zu haben. „Mir geht es gut, Tony", antwortete er keuchend, aber seine leise Stimme strafte ihn Lügen. „Er scheint dich ja sehr zu mögen, wenn er es riskiert, an deiner Stelle zu sterben", meinte die junge Frau ungerührt. „Noch ist er nicht tot." Sie schüttelte den Kopf und hob die Pistole, sodass ich direkt in die Mündung blickte. „Jetzt mach endlich", sagte Marvin hinter mir, was mich daran erinnerte, dass wir nicht alleine waren. Die beiden Männer machten keine Anstalten, einzugreifen, da sie anscheinend der Ansicht waren, wir würden uns sowieso nicht mehr wehren können.
„Jetzt wird dich dein Boss kein zweites Mal retten können." Melinda lächelte mich gehässig an. Ich sah zu Jethro, der noch immer auf dem Boden lag. Seine linke Hand war mittlerweile blutverschmiert und sein Hemd klebte an seinem Körper. Wenn ich hier und jetzt sterben sollte, dann sollte nicht meine Mörderin das Letzte sein, was ich sah, sondern jemand, den ich mehr als nur einen Freund mochte. Gibbs bedeutete mir sehr viel, aber selbst in dieser Situation konnte ich meine Gefühle noch nicht einordnen und es stimmte mich traurig, dass ich es wohl auch in Zukunft nicht machen konnte. Mein Boss erwiderte meinen Blick und in seinen Augen konnte ich Schmerz und Angst erkennen, aber diese Angst galt nicht ihm selbst, sondern mir. Mein Herz verkrampfte sich und ich wartete bereits auf den tödlichen Knall, der jedoch ausblieb und auch nie ertönen sollte.
„Leg die Waffe weg, Miststück, oder du wirst diejenige sein, die eine Kugel zwischen die Augen bekommt!" schrie Ziva von der Tür aus. Ihr Ton ließ keinen Widerspruch zu. Melinda starrte zu meiner Kollegin und schließlich zu mir. „Es ist vorbei", sagte ich. „Tu am Besten was sie sagt, sonst wird sie ihre Drohung wahr machen." „Schieß endlich!" rief Marvin und als er zu seiner Schwester stürmen wollte, um ihr die Waffe aus der Hand zu reißen und es selbst zu erledigen, traf ihn eine Kugel im Oberschenkel und ließ ihn laut schreiend zu Boden gehen. Melinda war so abgelenkt, dass sie nicht einmal richtig mitbekam, wie mindestens ein halbes Dutzend Agenten in den Raum stürmten und sie und den anderen Mann überwältigen. Aber das bekam ich nur aus den Augenwinkeln mit, denn meine Konzentration galt Gibbs. Ich kroch zu ihm hinüber, entfernte seine Hand von der Wunde und drückte meine kräftig darauf, in der Hoffnung, so die Blutung ein wenig zu stillen. „Nicht so fest", presste er hervor und verzog sein Gesicht. Seine Stimme war gewohnt schroff und unendliche Erleichterung durchfuhr mich, als mir bewusst wurde, dass es endlich vorbei war. „Du musst durchhalten", sagte ich. „Die Kugel hat mich in der Schulter erwischt und nicht in der Brust. Es braucht mehr als das, um mich umzubringen." Gegen meinen Willen bildete sich ein Lächeln auf meinen Lippen, aber dennoch blieb eine kleine Spur Angst. „Wieso hast du das getan?" fragte ich und bekam nur am Rande mit, wie sich Marvin heftig gegen seine Verhaftung wehrte. „Ich wollte nicht schon wieder einen neuen Agenten einarbeiten", antwortete er, aber etwas in seinen Augen sagte mir, dass er nicht die ganze Wahrheit sagte. Als ich bereits ansetzte, um ihn darauf anzusprechen, kniete sich McGee neben mir nieder. „Ein Krankenwagen ist bereits unterwegs", meinte er, zog sich seine NCIS Jacke aus und presste sie auf die Wunde, sodass ich meine Hände, die bereits voller Blut waren, wegnehmen konnte. Nur knapp widerstand ich der Versuchung, sie an meiner Hose abzuwischen. „Wo wart ihr so lange, Bambino?" fragte ich eine Spur vorwurfsvoll. Er sah mich an und erwiderte: „Hast du eine Ahnung, was für ein Labyrinth das ist? Wenn wir nicht auf den einen Typen gestoßen wären und ihn nicht dazu gebracht hätten, uns zu verraten, wo ihr seid, würdest du jetzt ein Loch in deinem Kopf haben." „Entschuldige." Das eine Wort kam mir erstaunlicherweise leicht über die Lippen und Tim war genauso überrascht wie ich. „Schon in Ordnung."
Ich wandte mich wieder Gibbs zu. „Kannst du aufstehen?" wollte ich wissen. „Wie bereits erwähnt, die Kugel hat meine Schulter erwischt und nicht einen anderen Körperteil." Er richtete sich auf, aber bereits diese Bewegung trieb ihm alle Farbe aus seinem Gesicht. Tapfer biss er die Zähne aufeinander und ließ sich von mir und McGee helfen, bis er aufrecht stand. Melinda wurde gerade aus dem Raum geführt und sie warf mir noch einen letzten Blick zu, den ich jedoch eiskalt erwiderte. Noch immer brodelte in mir das Gefühl, ausgenutzt worden zu sein und ich wusste, es würde eine Weile dauern, bis ich es loswerden würde. „Ich habe schon immer gewusst, dass dich deine Frauengeschichten einmal in Schwierigkeiten bringen werden", sagte Ziva und ihre Mundwinkel zuckten verräterisch. „Wirklich witzig, Officer David", erwiderte ich und stützte Gibbs, der mehr als unsicher auf den Beinen war. Seine körperliche Nähe erfüllte mich diesmal nicht mit Unbehagen, sondern es fühlte sich so an, als ob sein Körper genau für meine Hände geschaffen wäre. Während ich mit McGees Hilfe Jethro aus dem Raum führte, dachte ich über die Worte meiner Kollegin nach. Ich wusste, sie hatte Recht und es war ein Wunder, dass ich überhaupt noch lebte. Mein Instinkt verriet mir, dass ich wohl in naher Zukunft keine Freundin mehr haben würde, denn wie hatte es Melinda so schön ausgedrückt? Anscheinend stand ich neuerdings auf Männer.


Washington D.C.
Bethesda
Samstag, 21. Mai
04:45 Uhr


Seit fast vier Stunden saß ich nun im Warteraum des Bethesda und wartete darauf, dass ein Arzt zu uns kommen würde, um uns über Gibbs' Zustand aufzuklären. Ich war mit ihm mit dem Krankenwagen mitgefahren und war demnach auch der Erste an diesem Ort gewesen, den ich nie freiwillig aufsuchte. Das letzte Mal als ich im Bethesda gewesen war, hatte ich mir die Lungenpest eingefangen gehabt und noch heute rann es mir kalt über den Rücken, wenn ich daran dachte. Damals war ich nur knapp dem Tod entronnen, aber ich war in meinem Überlebenskampf nicht alleine gewesen. Kate war die meiste Zeit bei mir geblieben, obwohl ich sie ständig mit diversen Filmen genervt hatte. Sie hatte mich gefragt, ob ich Angst hätte und ich hatte lässig nein geantwortet. Aber in meinem Inneren hatte es ganz anders ausgesehen und ich hatte wirklich gedacht, mein letztes Stündchen hätte geschlagen. Als Gibbs dann zu mir gekommen war und mir gesagt hatte, ich würde nicht sterben, hatte ich auf einmal gewusst, dass alles gut werden würde. Ich hatte gespürt, dass er sich Sorgen um mich gemacht hatte und jetzt war ich es, der sich Sorgen um ihn machte und nicht nur deswegen, weil er mein Boss war. Jethro hatte mir das Leben gerettet und sein eigenes dabei riskiert. Ich wollte gar nicht daran denken, wenn ihn die Kugel weiter links getroffen hätte. Dann würden wir jetzt nicht hier auf diesen äußerst ungemütlichen Plastiksesseln sitzen und warten. Alleine der Gedanke, dass er wegen mir gestorben wäre, war unerträglich, genauso wie der Gedanke, mein gesamtes Leben ohne ihn verbringen zu müssen.
Frustriert hob ich meinen Kopf und blickte mich in dem Warteraum um. Die Wände waren in einem nüchternen weiß gestrichen und ein paar Bilder mit verschiedenen Motiven versuchten ein bisschen Farbe in die Umgebung zu bringen. Die linke Seite wurde von einem großen Fenster eingenommen und ermöglichte mir einen Blick in die Nacht hinaus, die bald vorüber sein würde. An der Mauer waren die braunen Plastiksessel angeschraubt und in den Ecken standen Grünpflanzen, die ein wenig trostlos wirkten, genauso wie das gesamte Krankenhaus.
Geistesabwesend rieb ich mir meine geprellte Schulter, die vor Stunden von einem Arzt untersucht worden war, dessen Haare genauso weiß waren, wie sein Kittel. Er hatte gemeint, ich hätte verdammt viel Glück gehabt, dass ich mir nichts gebrochen hätte und mich mit dem Hinweis, das Gelenk nicht allzu viel zu belasten, wieder entlassen. Während ich behandelt worden war, war Gibbs bereits in den OP gebracht worden und Ziva hatte Jen, Ducky und Abby verständigt, die innerhalb von 20 Minuten im Bethesda angekommen waren. Wie zu erwarten, hatte mich die Forensikerin mit Fragen bestürmt und so hatte ich ihr und auch den anderen erzählt, was alles passiert war, als die Verbindung unterbrochen worden war. Seitdem jedoch hatten wir fast nichts mehr miteinander gesprochen und jeder hatte sich seine eigenen Gedanken gemacht.
Jetzt war es fast Morgen und es war ruhig in dem Warteraum. Die Stille wurde nur durch das Atmen meiner Kollegen durchbrochen und hin und wieder klingelte in der Ferne ein Telefon. Ich fuhr mir mit einer Hand über die Augen, versuchte die Müdigkeit zu vertreiben und lächelte bei dem Anblick, der sich mir bot. Abby hatte ihren Kopf auf McGees Schulter gelegt und schlief selig, genauso wie Tim. Ziva war ebenfalls in das Reich der Träume entflohen. Ducky war munter und las in einer von den medizinischen Zeitschriften, die zahlreich auf einem der kleinen Tische lagen. Direktor Sheppard hingegen stand bei dem großen Fenster und sah bereits seit mehreren Minuten in die Nacht hinaus. Die Sorge, die in dem Raum herrschte, war beinahe greifbar und drückte stark auf mein Gemüt. ‚Wieso brauchen die nur so lange?' fragte ich mich sicher zum hundertsten Mal und blickte in den Gang, der zur Schwesternstation führte. Es war kein Arzt in Sicht und so ließ ich mich wieder zurücksinken. Ich dachte an Gibbs, an unsere gemeinsame Nacht und an unseren Streit. Das Wissen, dass er vielleicht gestorben wäre, bevor die Situation zwischen uns geklärt war, machte mich traurig. Ich hätte mir wahrscheinlich mein gesamtes Leben lang Vorwürfe gemacht, dass ich nicht mehr die Möglichkeit gehabt hätte, mich wegen meiner Worte zu entschuldigen, die ich ihm an den Kopf geworfen hatte. Mittlerweile taten sie mir leid und es machte mich wütend, dass erst eine lebensbedrohliche Situation mir die Augen geöffnet hatte. Auch wenn Jethro meine Entschuldigung annehmen würde, würde es ein steiniger Weg werden, den wir vor uns hatten. Nur, wie es mit uns weitergehen sollte, das wusste ich nicht. Ich für meinen Teil konnte sicher nicht so tun, als ob zwischen uns nie etwas geschehen wäre und wenn ich es mir recht überlegte, wollte ich das auch nicht. Zu schön waren die Erinnerungen an die Stunden, die wir gemeinsam in dem äußerst gemütlichen Hotelbett verbracht hatten und ich hoffte ein wenig, dass wir dieses Erlebnis irgendwann einmal wiederholen würden.
Eine Bewegung von links riss mich aus meinen Gedanken und ich sah, wie Ducky die Zeitschrift auf den Tisch zurücklegte und gespannt in den Gang blickte. Erst jetzt hörte ich die leisen Schritte, die sich uns näherten und deshalb stand ich auf. Ein Mann Mitte 40 kam auf uns zu, dessen schwarze Haare an den Schläfen leicht ergraut waren. Er trug das für einen Chirurgen typische grüne Gewand und selbst aus dieser Entfernung strahlte er eine professionelle Ruhe aus. Jen drehte sich ebenfalls um und gespannt verfolgten wir jeden Schritt, den er machte.
„Agent DiNozzo?" fragte er. „Das bin ich", antwortete ich und reichte ihm meine Hand. „Ich bin Doktor Brennen und habe Agent Gibbs operiert." „Wie geht es ihm?" fragte Direktor Sheppard sofort und ihre aufgeregte Stimme weckte Ziva, McGee sowie Abby, die sich etwas verwirrt umsah, aber dann realisierte, wo sie sich befand. „Den Umständen entsprechend. Er hat viel Blut verloren, was wir jedoch durch ein paar Konserven behoben haben. Die Operation ist erfolgreich verlaufen und Agent Gibbs ist bereits aus der Narkose erwacht. Wir haben ihn auf ein Einzelzimmer gebracht und ich würde sagen, dass er in drei Tagen wieder nach Hause kann." Unendliche Erleichterung durchflutete mich und erst jetzt bemerkte ich, dass ich die Luft angehalten hatte, und sie nun langsam entweichen ließ. „Können wir zu ihm?" wollte Abby wissen und richtete sich ihre Rattenschwänze, die durch den Schlaf ein wenig verrutscht waren. Doktor Brennen überlegte ein paar Sekunden, schließlich nickte er. „Aber nur ein paar Minuten. Agent Gibbs braucht noch absolute Ruhe. Er liegt in Zimmer 311." „Danke." Die Forensikerin drückte dem Arzt sanft die Hand und als sie sich gemeinsam mit den anderen auf den Weg machte, blieb ich an Ort und Stelle stehen. Ich ließ mich auf einen der Plastiksessel nieder und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Die Anspannung der letzten Stunden fiel von mir ab und Müdigkeit breitete sich aus. Am liebsten würde ich mich hier und jetzt einfach zusammenrollen und schlafen.
„Tony?" Ich sah auf und blickte zu Ducky, der vor mir stand. „Willst du denn nicht mit?" Ich schüttelte den Kopf. „Du hast den Arzt doch gehört. Gibbs braucht Ruhe und es wird sicher reichen, wenn ihm die anderen einen Besuch abstatten." Die Wahrheit jedoch war, dass ich Jethro noch nicht unter die Augen treten wollte, auch wenn ich froh darüber war, dass er wieder gesund werden würde. Zu groß war die Angst, dass meine Kollegen herausfinden würden, was zwischen uns geschehen war.
Der Pathologe ließ sich neben mir auf einen Stuhl nieder und musterte mich durch seine Brille hindurch. Es war das erste Mal, dass ich in seiner Gegenwart nervös wurde, zumal ich wusste, dass ihm nie etwas entging. „Was ist los?" fragte er sanft. „Weshalb willst du wirklich nicht zu Gibbs?" Er hatte mich durchschaut, das war mir sofort klar. Ich zog es vor, auf meine leicht zitternden Hände zu starren und schwieg. Mein Verstand sagte mir, dass ich mich ihm anvertrauen sollte, aber ich brachte keine Worte über meine Lippen. „Der Einsatz hat euch beide ganz schön durcheinander gebracht, nicht wahr? Abigail hat mir von eurem Kuss in dem Club erzählt und ich habe bereits da geahnt, dass das nicht ohne Folgen bleiben würde." Ducky sprach leise, aber dennoch verstand ich ihn hervorragend. Seine Stimme klang nicht vorwurfsvoll, sondern gutmütig, so als ob er mit einem Kind sprechen würde. Ich blickte auf und ihm direkt in die Augen. „Ich wünschte, es wäre nur der Kuss, Ducky", erwiderte ich und war selbst von meinen Worten überrascht, da ich eigentlich gar nichts sagen hatte wollen. Aber etwas an dem älteren Mann ließ den Schutzschild in meinem Gehirn bersten. Er schwieg und wartete, bis ich bereit war, mich ihm anzuvertrauen. „Du hast Recht, zwischen mir und Gibbs hat sich etwas verändert. Und ich fürchte, es wird nie wieder so wie früher werden. Zu viel ist geschehen." Zuerst spiegelte sich Verwirrung auf Duckys Gesicht, machte aber schließlich Verständnis Platz. „Damit meinst du nicht den Kuss, oder?" Ich schüttelte den Kopf und blickte erneut auf meine Hände. Sollte ich ihm wirklich alles erzählen? Ich überlegte hin und her, aber die Entscheidung wurde mir abgenommen. „Ihr habt miteinander geschlafen, nicht wahr?" Es war eher eine Feststellung als eine Frage und ich hob abrupt meinen Kopf. In seinen Augen lag nichts weiter als Neugier und Gutmütigkeit und nicht Ekel oder Vorwurf, womit ich ursprünglich gerechnet hatte. Vielleicht kannte ich den Pathologen doch nicht so gut, wie ich angenommen hatte. „Es ist einfach passiert, Ducky", erwiderte ich leise, aus Angst, jemand könnte unserem Gespräch lauschen, obwohl weit und breit niemand zu sehen war. „Wir waren beide betrunken und wir hatten einen Streit. Das eine führte zum anderen und schließlich sind wir im Bett gelandet." Ich fuhr mir durch meine Haare und seltsamerweise fühlte ich mich jetzt besser, da ich jemanden hatte, dem ich mich anvertrauen konnte. „Ist wirklich der Alkohol schuld daran?" wollte er wissen und neigte leicht seinen Kopf. „Wart ihr wirklich so sehr betrunken, dass ihr nicht mehr gewusst habt, was ihr tut?" Und erneut hatte er mich durchschaut. „Ich schätze, das war nur ein Vorwand", gab ich zu und lächelte leicht. „Wir hätten jederzeit aufhören können." „Aber das habt ihr nicht." „Nein. Ich weiß auch nicht, wieso. Wir konnten einfach nicht die Finger voneinander lassen."
Ducky nickte verständnisvoll und fragte: „Und, wie fühlst du dich jetzt?" „Verwirrt", antwortete ich ehrlich. „Ich weiß nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll und deshalb haben Gibbs und ich erneut gestritten. Ich habe ihm vorgeworfen, dass er den Boss raushängen lässt, wenn ihm etwas nicht gefällt und obwohl ich weiß, dass er mein Vorgesetzter ist, verletzt es mich, dass er mich weiter wie einen Untergebenen behandelt." Ich lächelte traurig. „Jetzt verstehe ich mehr denn je, weshalb es Regel Nummer 12 gibt."
Der Pathologe schwieg ein paar Sekunden, in denen ich erneut meine Hände betrachtete, die aufgehört hatten, zu zittern. Es fühlte sich gut an, sich endlich alles von der Seele reden zu können, zumal ich wusste, dass Ducky es für sich behalten würde. „Liebst du ihn, Tony?" Das war die Frage, die ich mir in den letzten Stunden bereits selbst gestellt hatte, sogar unzählige Male, und die ich nicht beantworten konnte. „Ich weiß es nicht", erwiderte ich und sah Ducky in die Augen. „Aber ich habe Gefühle für Gibbs. Nur weiß ich noch nicht, in welche Schublade ich sie stecken soll. Das alles ist so schrecklich kompliziert. Ich meine, ich bin mein gesamtes Leben lang mit Frauen ausgegangen und dann ändert ein Undercovereinsatz alles. Das ist doch verrückt, oder?" „Keineswegs." Ducky lächelte und legte mir sanft eine Hand auf meinen linken Unterarm. „Hast du dir schon einmal überlegt, weshalb deine Beziehungen nie lange gehalten haben? Und Jethro war dreimal verheiratet. Vielleicht seid ihr beide einfach nicht für Frauen bestimmt." Seine Worte waren leise gesprochen, aber dennoch hallten sie laut in meinen Ohren wider. „Sondern füreinander", fügte er hinzu, was mein Herz schneller schlagen ließ. Ich spürte, dass es die reine Wahrheit war, aber dennoch fand ich es lächerlich. Gibbs und ich als ein Paar? Das konnte doch nur schief gehen, obwohl ich zugeben musste, die Vorstellung war mehr als verlockend.
„Was soll ich denn jetzt machen, Ducky?" „Rede mit Jethro. Sag ihm, was du fühlst." Ich schnaubte und schüttelte den Kopf. „Ich weiß doch nicht einmal selbst, was ich fühle. Und Gibbs ist ein Meister, wenn es darum geht, nicht zu zeigen, was in seinem Inneren vorgeht." „Aber anders werdet ihr wohl keine Lösung finden. Und es wäre doch schade, wenn einer von euch deswegen das Team verlassen würde." Der Pathologe hatte wieder einmal Recht. Wenn wir die Situation nicht bald klären würden, dann würde in naher Zukunft ein Schaden entstehen, der wohl nicht mehr gut zu machen wäre. Und ich für meinen Teil wollte das Team nicht verlassen, es war für mich wie ein zweites zu Hause. Obwohl es mir schwer fiel, fällte ich eine Entscheidung.
„Ich schätze, es ist Zeit, dass ich Gibbs einen Besuch abstatte." Ducky lächelte mich an, drückte aufmunternd meinen Unterarm und ließ mich los. „Ihr werdet das sicher schaffen", sagte er. „Aber es wird nicht einfach werden." „Das ist mir bewusst", erwiderte ich und stand auf. Ich bewegte meine Schultergelenke, um die Verspannung zu lösen, hielt aber inne, als mich ein scharfer Schmerz durchfuhr. „Alles in Ordnung?" Ich nickte und verließ den Warteraum, drehte mich aber noch einmal um. „Danke, Ducky." „Gern geschehen." Er griff erneut nach einem Magazin und so ging ich langsam den Gang entlang, bis ich vor Zimmer 311 hielt. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich war ungewohnt nervös. Ich wischte meine feuchten Handflächen an meiner Hose ab, holte tief Luft und hob schließlich den Arm, um zögernd an die Tür zu klopfen.

Das Geräusch war sicher laut genug, um im Inneren des Zimmers gehört zu werden, nur hatte ich das Gefühl, es würde nur dumpf an meine Ohren dringen, da mein Blut in eben jenen dröhnend rauschte. Mein Herz schlug wild in meiner Brust und ich musste mich richtiggehend zwingen, nach dem Knauf zu greifen. Ohne eine Antwort abzuwarten – und bevor mich der Mut verlassen konnte – öffnete ich die Tür und betrat das Krankenzimmer, welches lediglich gedämpft erhellt wurde. Die Wände waren weiß gestrichen und von zwei Bildern mit abstrakten Motiven verziert. Unter dem Fenster, welches sich gegenüber der Tür befand, stand ein großer Holztisch mit zwei Stühlen. Ansonsten gab es noch eine weitere Tür, die jedoch geschlossen war und zum Bad führte.
Ich interessierte mich nicht sonderlich für die spärliche Einrichtung, sondern konzentrierte mich auf Gibbs, der in dem Bett aufrecht saß, was ihm durch das erhobene Kopfteil der Matratze ermöglicht wurde. Zur zusätzlichen Stütze befand sich in seinem Rücken ein großes Kissen. Er trug eines dieser grässlichen Krankenhaushemden - die einem irgendwie das Aussehen eines zum Tode Geweihten verliehen – und man konnte ein kleines Stück des weißen Verbandes erkennen, der die Schusswunde bedeckte. Um das Gelenk ruhig zu stellen, lag sein rechter Arm in einer Schlinge, die ihm sicher bereits jetzt gewaltig auf den Keks ging. Obwohl Jethro noch relativ blass war, war wieder ein wenig Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt, aber trotzdem sah er ungewohnt kränklich aus. In seinen Augen, die mir entgegenblickten, lag ein erschöpfter Ausdruck, den ich von ihm nicht kannte. Dennoch durchfuhr mich ein Glücksgefühl, ihn so zu sehen – lebendig und nicht tot. Mir war bewusst, dass das Ganze auch ganz anders ausgehen hätte können und er nun bei Ducky in der Pathologie liegen könnte. Bei diesem Gedanken stellten sich mir sämtliche Härchen auf und ich drängte ihn mühsam zurück. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich zu überlegen, was hätte sein können. Es reichte schon, dass Gibbs wegen mir angeschossen worden war, weswegen mich bereits viel zu viele Schuldgefühle quälten. Eigentlich sollte ich derjenige sein, der in diesem Zimmer lag und nicht er.
„Tony", riss mich Abby aus meinen Gedanken und mir wurde bewusst, dass ich noch immer bei der Tür stand, die ich ganz schnell schloss. Meine drei Kollegen und Direktor Sheppard hatten sich um Jethros Bett versammelt und blickten mir nun allesamt entgegen. Ich kam mir unwillkürlich vor, als ob mich ein besonders heller Scheinwerfer anstrahlen würde. „Ich habe mich schon gefragt, wo du bleibst." „Tut mir leid", erwiderte ich und trat näher an die kleine Versammlung heran. „Ducky hat mich mit einer seiner Geschichten aufgehalten." Gibbs hob prompt eine Augenbraue, da er meine Lüge durchschaut hatte. Sein Gesichtsaudruck verriet mir, dass er wusste, dass ich mit dem Pathologen gesprochen hatte – aber die anderen schienen mir meine Ausrede abzukaufen. „Und wo ist Ducky?" fragte McGee und sah zur Tür, in der Erwartung, sie würde jede Sekunde aufgehen. „Er wollte noch einen Artikel in einer dieser Medizinzeitschriften zu Ende lesen. Außerdem meinte er, es wäre besser, wenn er erst vorbei schauen würde, wenn hier etwas Ruhe eingekehrt ist", erwiderte ich so überzeugend wie möglich, wobei mir das Zucken um Gibbs' Mundwinkel nicht entging. Ihm war wohl mehr als bewusst, dass ich nicht die Wahrheit sagte, aber er machte keine Anstalten, die anderen aufzuklären. Ich fühlte mich ein wenig unbehaglich unter seinem durchdringenden Blick und so zog ich es vor, die weiße Bettdecke zu mustern, die sicher viel zu warm für diese Jahreszeit war. Aber mein Boss hatte keinen einzigen Schweißtropfen auf der Stirn, schließlich schaffte er es sogar bei über 30 Grad im Schatten einen heißen Kaffee zu trinken, ohne dass er vor Hitze zerging.
„Doktor Mallard hat Recht", sagte Jenny und diese Worte ließen mich abrupt aufsehen. „Du brauchst jetzt unbedingt deine Ruhe, Jethro." „Mir geht es gut", meinte er mit ungewohnt kratziger Stimme und ich fragte mich, weshalb er nicht nach der Wasserflasche griff, die auf dem kleinen Nachtkästchen neben seinem Bett stand. Die Antwort gab ich mir gleich selbst: weil Wasser kein Koffein enthielt. Um mir ein Grinsen zu verkneifen, biss ich mir auf die Unterlippe und wartete auf eine Auseinandersetzung der beiden. „Du wurdest angeschossen", fuhr die Direktorin in einem scharfen Ton fort. „Der Arzt hat dich für mindestens zwei Wochen krankgeschrieben und selbst dann solltest du noch warten, bis du wieder im Außendienst arbeitest." Der Chefermittler brummte etwas, das nach „lächerlich" klang und eine Welle der Zuneigung stieg in mir auf. Er war hart im Nehmen und alleine der Gedanke, dass er mehr als einen Tag nur an seinem Schreibtisch verbringen sollte, war absurd. Ich wusste, egal wie sehr Jen dagegen wäre, wenn Jethro den Verband los war, würde er wieder aktiv auf Verbrecherjagd gehen.
„Von wegen lächerlich", sagte sie und fügte hinzu: „Wir werden dich jetzt alleine lassen, damit du wieder zu Kräften kommst. Versuch etwas zu schlafen." Sie drückte ihm die unverletzte Schulter – eine sehr vertraut wirkende Geste – und in mir stieg prompt Eifersucht auf. Eifersucht auf eine Frau, die höhergestellt war als Gibbs. Ich schluckte das Gefühl hinunter und als sich meine Kollegen von ihm verabschiedeten, blieb ich auf meinem Platz stehen und rührte mich nicht, auch nicht, als sie zur Tür gingen. „Kommst du, Tony?" fragte Ziva und drehte sich noch einmal zu mir um. „Gleich. Ich will noch kurz mit Gibbs sprechen." Sie zuckte die Schultern und Jen setzte bereits zur Widerrede an, als die junge Frau einfach die Tür schloss und somit ihren Protest im Keim erstickte, wofür ich ihr mehr als dankbar war.
Schweigen breitete sich in dem kleinen Raum aus und um irgendetwas zu tun, holte ich mir einen der beiden Stühle, stellte ihn neben das Bett und ließ mich darauf nieder. Bewusst hatte ich mich mit dem Rücken zum Fenster gesetzt, da ich wusste, ich würde sonst nur in die Nacht hinaussehen, anstatt zu meinem Boss. Nervosität befiel mich und ich knetete meine Hände. Ich fühlte mich ein wenig wie ein unartiger Junge, der wegen einem bösen Streich zum Direktor zitiert worden war. Mein Herz begann viel zu schnell zu schlagen und ich unterdrückte den Impuls, nach der Wasserflasche zu greifen, um meinen Hals zu befeuchten. Ich wusste, das Gespräch, welches ich gleich mit Gibbs führen würde, würde über unser beider Zukunft entscheiden – und darüber, wie wir miteinander umgehen würden.
„Du hast mit Ducky gesprochen?" riss er mich aus meinen Gedanken. Ich blickte auf und ihm direkt in die blauen Augen. „Er hat eher mit mir gesprochen", antwortete ich und rutsche auf der harten Sitzfläche umher, um eine angenehmere Position zu finden. „Wie viel weiß er?" „Alles." Es war besser, ihm die Wahrheit zu sagen, denn spätestens wenn der Pathologe ihn besuchen würde, würde er es sowieso erfahren. „Aber ich kann nicht wirklich etwas dafür. Irgendwie hat er gemerkt, dass zwischen uns etwas gelaufen ist." Ich hatte keine Ahnung, weshalb ich mich verteidigte, aber ich hatte das Gefühl, Gibbs würde es mir übel nehmen, dass ich mit jemandem über unsere gemeinsame Nacht geredet hatte. „Tja, Duck entgeht eben nichts", meinte er und lächelte leicht. „Es hätte mich eher gewundert, wenn er nichts bemerkt hätte." Überrascht hob ich meine Augenbrauen und zugleich war ich erleichtert, dass er mir nicht den Kopf abreißen würde. Das wäre bei nur einem funktionsfähigen Arm zwar mehr als schwer gewesen, aber Gibbs wäre nicht Gibbs, wenn er nicht eine Möglichkeit gefunden hätte, dieses kleine Problem zu umgehen.
Erneut breitete sich Schweigen aus und die Stille war mehr als drückend, aber ich wollte sie nicht unterbrechen. Ich wusste einfach nicht, wie ich anfangen sollte. Mein Gehirn fühlte sich auf einmal wie leergefegt an und mir wollten nicht die richtigen Worte einfallen. Außerdem hatte ich Angst, dass wir erneut streiten würden und somit die Kluft zwischen uns noch größer werden würde.
Ich sah zu Gibbs, in der Hoffnung, er würde das Gespräch beginnen, aber er blickte leicht geistesabwesend auf den ausgeschalteten Fernseher, der an der gegenüberliegenden Wand angebracht war. ‚Was er wohl gerade denkt?' fragte ich mich und rieb mir die geprellte Schulter, die ein wenig zu schmerzen angefangen hatte. Auf seinem Gesicht zeigte sich keine Gefühlsregung und wahrscheinlich konnte nicht einmal jemand der, telepathische Fähigkeiten besaß, herausfinden, was gerade in seinem Gehirn vorging. Auf einmal hatte ich Zweifel, dass wir heute auf einen grünen Zweig kommen würden, zumal ich die Befürchtung hegte, er würde mit mir nicht über seine wahren Gefühle reden – wenn er überhaupt welche für mich hatte. Was war, wenn ich für ihn nur weiter ein Freund sein würde, ungeachtet dessen, was wir letzte Nacht miteinander erlebt hatten? Das machte mir am meisten Angst, aber egal wie weh es tun würde, ich musste wissen, wie er zu mir stand, welche Gefühle er hatte. Mit Unwissen würde ich noch schwerer zu Recht kommen als mit der reinen Wahrheit.
Ich fuhr mir durch die Haare und obwohl ich nicht wirklich wusste, was ich sagen sollte, öffnete ich meinen Mund und lediglich vier Wörter kamen über meine Lippen: „Es tut mir leid." Gibbs riss seinen Blick vom ausgeschalteten Fernseher los und drehte seinen Kopf so schnell in meine Richtung, dass ich die Befürchtung hatte, er würde sich seine Halswirbel verrenken. Er hob seine Augenbrauen und musterte mich eindringlich, sodass ich erneut anfing auf dem unbequemen Stuhl herumzurutschen. Ich wartete gespannt auf eine Erwiderung, wobei ich damit rechnete, dass er mit einer seiner Regeln anfangen und sagen würde, man solle sich nie entschuldigen, da dies ein Zeichen der Schwäche sei. „Was tut dir leid, Tony?" fragte er jedoch ruhig, womit er mich mehr als überraschte und ich ein paar Sekunden brauchte, um mich daran zu erinnern, was ich überhaupt gesagt hatte. Ich räusperte mich. „Einfach alles", antwortete ich und hielt tapfer seinem Blick stand. „Unser Streit, die Worte, die ich dir an den Kopf geworfen habe und dass du meinetwegen angeschossen wurdest." Unwillkürlich beugte ich mich vor, legte meine Unterarme auf meine Oberschenkel und fuhr fort, bevor mich der Mut verlassen konnte. „Weswegen hast du das getan? Weshalb hast du mich aus der Schusslinie gestoßen und dadurch riskiert, selbst zu sterben? Und komm mir nicht wieder damit, dass du keinen neuen Agenten einarbeiten willst. Wir wissen beide, dass das eine Ausrede ist." Jethro schwieg und schien zu überlegen, was er sagen sollte. Ich wartete gespannt auf seine Antwort und hoffte, nein ich musste seine wahren Beweggründe erfahren. Und ich würde so weit nachhaken, bis er sich mir anvertrauen würde und wenn es die restliche Nacht und den darauf folgenden Tag dauern würde.
„Du willst die Wahrheit wissen?" fragte er nach ein paar Sekunden, die mir jedoch wie eine Ewigkeit vorgekommen waren. Ich nickte und daraufhin beugte er sich zu mir herunter, um sein Gesicht, welches er schmerzhaft verzog, möglichst nahe an meines zu bringen – dennoch änderte er seine Position nicht. In seine blauen Augen war das altbekannte Funkeln zurückkehrt und hatte die Erschöpfung verdrängt. Ich schluckte unwillkürlich und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mich unbehaglich zu fühlen begann. „Die Wahrheit ist, dass ich es nicht ertragen hätte können, dich zu verlieren." Die Worte schwebten im Zimmer und ließen mich nicht mehr los. Ich blickte Gibbs mit offenem Mund an, als ich realisierte, dass er mir mit nur einem Satz erzählt hatte, wie es in seinem Inneren aussah - er war dabei, mir seine Gefühle zu offenbaren. Mich durchströmte ein herrlich warmes Gefühl, als mir bewusst wurde, dass ich ihm anscheinend mehr bedeutete als einer seiner Agenten oder ein gewöhnlicher Freund.
Jethro lehnte sich wieder zurück und schien selbst überrascht zu sein, dass er plötzlich mit offenen Karten spielte, aber es tat unheimlich gut zu wissen, dass er mir nichts verheimlichen würde – denn dies würde er bestimmt nicht tun, nicht nachdem er gewagt hatte, den ersten Schritt zu machen.
„Weißt du, wie viele Schuldgefühle ich deswegen habe, dass du an meiner Stelle angeschossen wurdest? Diese Kugel war für mich bestimmt und meinst du etwa, ich würde es schaffen, ohne dich weiterzuleben? Vor allem mit dem Wissen, dass du für mich gestorben wärst?" Ich blickte auf meine Hände, um seinen blauen Augen zu entkommen, in denen ich jedes Mal versinken könnte. Mein Atem ging schneller als gewohnt und ich musste mich zwingen, weiter ruhig sitzen zu bleiben und nicht daran zu denken, dass ich das starke Bedürfnis verspürte, auf und ab zu laufen.
„Es war meine Entscheidung, Tony", sagte Gibbs und obwohl ich es nicht wollte, veranlasste mich der sanfte Ton in seiner Stimme dazu, aufzusehen. „Und deswegen brauchst du dir nicht die Schuld geben. Wenn einer die Schuld daran hat, dass ich angeschossen wurde, dann ist es deine verrückte Freundin Melinda." „Ex-Freundin", erwiderte ich prompt, was ihm ein kleines Lächeln entlockte. „Ich glaube, in Zukunft wirst du dir zweimal überlegen, mit welcher Frau du ausgehst." Jethro hatte es sicher nicht beabsichtigt, aber seine Worte verletzten mich. Wie konnte er nur annehmen, dass ich jetzt, nachdem wir miteinander geschlafen hatten, noch an dem weiblichen Geschlecht interessiert war? Ich schüttelte frustriert den Kopf, fuhr mir durch meine Haare und sagte eher zu der weißen Bettdecke als zu ihm: „Ich hatte noch nie so wenig Interesse an Frauen wie jetzt." Mit Mühe zwang ich mich ihn direkt anzusehen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich erkannte, bei welcher Stelle unser Gespräch angekommen war – die Stelle, vor der ich mich am meisten gefürchtet hatte. „Weißt du, in einem Punkt hat Melinda Recht gehabt." Ich holte tief Luft und bevor mich der Rest Mut, den ich zusammengekratzt hatte, verlassen konnte, fügte ich schnell hinzu: „Ich stehe neuerdings auf Männer." Gibbs musterte mich schweigend und ich hatte das Gefühl, er würde in mein Innerstes sehen. „Verrückt, nicht wahr?" fuhr ich fort, da er keine Anstalten machte, etwas zu erwidern und ich war ihm deswegen sogar ein wenig dankbar. So hatte ich die Chance, endlich alles loszuwerden, bevor ich mich dafür entscheiden konnte, mich wie eine Auster zu verschließen. „Ich bin mein gesamtes Leben mit Frauen ausgegangen, hatte unzählige Freundinnen und ich hätte es nie für möglich gehalten, dass es jemals anders sein könnte. Aber du hast es geschafft, mich zu bekehren und momentan weiß ich nicht, ob ich dir dafür dankbar sein oder ob ich dich deswegen erschießen soll." Mir war mehr als bewusst, dass ich dabei war, wegen meiner nicht sehr klugen Wortwahl den Bogen zu überspannen, aber darüber konnte ich mir auch später Sorgen machen. Ich ignorierte Gibbs' bösen Blick und sprach ungehindert weiter, bevor er mich unterbrechen konnte. „Jedoch weiß ich Eines mit Sicherheit. Mir hat unsere gemeinsame Nacht ziemlich viel bedeutet, auch wenn du es anscheinend nicht so siehst." Gleich darauf hätte ich mir selbst eine saftige Kopfnuss verpassen können, als ich den verletzten Ausdruck in seinen Augen, der mir durch Mark und Bein ging, bemerkte.
„Glaubst du das wirklich?" fragte er kühl und binnen einer Sekunde hatte sich die Atmosphäre komplett verändert. Mich hätte es nicht gewundert, wenn sich plötzlich vor meinem Mund eine kalte Atemwolke gebildet hätte, so frostig kam es mir plötzlich in dem Zimmer vor. „Ich wollte…" begann ich, wurde aber sofort von einem funkelnden Blick unterbrochen, der es beinahe geschafft hätte, mein Herz zum Stehen bleiben zu bringen.
„Du kennst mich anscheinend doch schlechter, als ich angenommen habe, Tony", sagte Jethro genauso kühl wie vor ein paar Sekunden. „Glaubst du wirklich, diese Nacht ist einfach spurlos an mir vorüber gegangen? Glaubst du wirklich, die Stunden, die wir gemeinsam verbracht haben, haben mir nichts bedeutet? Ich habe dir sogar verziehen, dass du mir einen Knutschfleck verpasst hast und als du gesagt hast, es würde zwischen uns kein nächstes Mal geben, hätte ich eigentlich erleichtert sein müssen, aber das war ich nicht. Und weißt du auch weshalb? Weil ich mir innerlich gewünscht habe, dass es erneut so weit kommen würde, dass wir eine Nacht miteinander verbringen." Der letzte Satz hallte laut in meinen Ohren wider und ich starrte beschämt zu Boden. Ich konnte es nicht fassen, dass Gibbs so offen mit mir redete und seine Worte hatten es geschafft, dass ich mich jetzt mehr als mies fühlte. Seit unserem Streit vor einigen Stunden hatte ich angenommen, er würde in mir nur einen Untergebenen sehen, aber das stimmte nicht. Wie hatte ich mich nur so täuschen können? Ich blickte zu meinem Boss, dessen blaue Augen mich weiterhin kalt anfunkelten, wodurch ich mich noch schlechter fühlte. Mir wäre es lieber gewesen, wenn er mich angebrüllt hätte, aber die Worte waren so ruhig über seine Lippen gekommen, dass es mir beinahe Angst einjagte.
„Es tut mir leid", flüsterte ich fast unhörbar. „Entschuldige dich niemals, Tony. Das ist ein Zeichen der Schwäche." Seine Stimme klang zwar noch immer frostig, hatte aber zu meiner Erleichterung etwas an Wärme dazu gewonnen. „Ich weiß. Aber ich entschuldige mich trotzdem. Weil es richtig ist und weil ich es möchte." Gibbs seufzte, schüttelte leicht den Kopf und zu meiner größten Überraschung lächelte er leicht. „Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du ziemlich stur bist?" „Ja. Du, vor einer Sekunde. Und du brauchst dich deshalb nicht zu beschweren, denn dein Kopf ist härter als Granit." Ich grinste und mit einem Mal war die frostige Atmosphäre verschwunden. Das Zimmer wirkte plötzlich viel freundlicher, obwohl sich an der spärlichen Einrichtung nichts geändert hatte und ohne dass wir darüber gesprochen hatten, wusste ich, dass wir bald auf einen grünen Zweig kommen würden, was unsere gemeinsame Zukunft betraf. „Wir sind schon ein seltsames Gespann, oder?" fragte ich und lehnte mich zurück. Ich war zum ersten Mal seit der Einsatz begonnen hatte wirklich entspannt. Gibbs ließ ein Brummen hören, was ich als Zustimmung wertete. Ungeachtet dessen, dass wir jetzt lockerer miteinander umgingen, waren wir noch nicht fertig und das wussten wir beide.
„Wie geht es jetzt weiter?" wagte ich den Anfang, da ich die Befürchtung hatte, wir würden sonst nie darüber sprechen. Jethro zuckte mit den Schultern, was ihn sogleich schmerzhaft zusammenzucken ließ. „Ich weiß es nicht", gab er zu, wobei seine Stimme leicht gepresst klang, aber ich nahm an, dass das von der Wunde herrührte und nicht davon, dass er einmal keine Lösung wusste. „Nun, ich für meinen Teil kann nicht so tun, als ob zwischen uns nie etwas gelaufen wäre", sagte ich und hoffte, nicht schon wieder die falsche Wortwahl getroffen zu haben. „Das verlange ich auch gar nicht." Jethro blickte mich mit einem Lächeln an, so als ob er ein störrisches Kind vor sich hätte. „Aber ich würde es gut heißen, wenn wir es für uns behalten. Und dir muss klar sein, dass ich dich jetzt deswegen nicht bevorzugen werde. Ich bin immerhin dein Vorgesetzter." Ich seufzte und diesmal verletzten mich seine Worte nicht, da ich innerlich bereits damit gerechnet hatte. „Das weiß ich, aber ich hatte schon gedacht, ich würde jetzt weniger Kopfnüsse bekommen." „Ja, das hättest du wohl gerne", sagte er, lachte laut auf und sah mich mit dem liebevollen Blick an, der mich immer wieder aufs Neue verwunderte und der es jedes Mal schaffte, mir einen angenehmen Schauer über den Rücken zu jagen.
„Ich will ehrlich zu dir sein, Jethro", meinte ich und mir war nicht wirklich bewusst, dass ich ihn zum ersten Mal mit seinem Vornamen anredete, wobei es ihm jedoch nicht entging. Ich beugte mich vor, holte tief Luft und fuhr fort: „In den letzten Tagen habe ich Gefühle für dich entwickelt, die tiefer als Freundschaft gehen, nur weiß ich noch nicht, wie ich sie interpretieren soll. Das Ganze ist ziemlich schnell gegangen und hat mich förmlich überrollt. Es ist für mich noch immer verwunderlich, dass ich mich mit einem Mann eingelassen habe." Ich hielt inne, überlegte kurz und korrigierte schließlich den letzten Teil des Satzes. „Falsch, nicht mit irgendeinem Mann, sondern mit dir, Jethro." Ohne nachzudenken griff ich nach seiner linken Hand, umschlang seine Finger mit meinen und blickte ihm in die Augen. „Aber ich brauche Zeit. Zeit, um mir über meine wahren Gefühle klar zu werden." Gibbs sah mich weiterhin an und ich wartete gespannt auf seine Reaktion. „Ich kann jetzt nicht unbedingt behaupten, dass mir gefällt, was du da gerade gesagt hast, aber ich akzeptiere deine Entscheidung." Er drückte meine Hand und erleichtert stellte ich fest, dass der liebevolle Ausdruck nicht verschwunden war. „Und ich weiß, dass es ein Fehler wäre, wenn wir es überstürzen würden. Es wäre schade, wenn es zwischen uns nicht klappen würde, zumal ich dich ziemlich gern habe – mehr als einen Freund, Tony." Seine Stimme war immer leiser geworden, dafür hatte sie einen sanften Ton angenommen, den ich von ihm gar nicht kannte, der es aber schaffte, den riesigen Brocken, der seit unserem Streit auf meinem Herzen lastete, endgültig zu vernichten.
Unendliche Erleichterung durchflutete mich und ich lächelte breit. „Danke", sagte ich nur. „Wofür?" „Dafür, dass du mich verstehst." Unsere Finger waren noch immer verschlungen und als ich Gibbs so ansah, wurde der Wunsch, ihn zu küssen fast übermächtig. Aber ich hielt mich zurück, da ich wusste, es würde alles zunichte machen, was wir soeben nur mit Mühe wieder repariert hatten. Uns beiden war klar, dass unsere alte Freundschaft wohl nie wieder in ihrer ursprünglichen Form zurückkehren würde, aber wir konnten wenigstens normal miteinander umgehen, ohne gleich verlegen zu werden und das war immerhin ein großer Fortschritt.
Ein Klopfen riss uns aus unserer Zweisamkeit und bevor wir unsere Finger ganz lösen konnten, ging bereits die Tür auf. Ducky steckte seinen Kopf in das Zimmer und blickte uns gespannt entgegen. „Ich wollte nur mal sehen, ob ihr euch die Köpfe eingeschlagen habt, nachdem so lange nichts zu hören war." „Hey, Duck", begrüßte Gibbs seinen Freund, der dies als Aufforderung verstand, den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss. Er kam auf uns zu, lächelte und meinte: „Wie ich sehe, habt ihr euch ausgesprochen?" Der Pathologe deutete auf unsere miteinander verschlungenen Finger. Jethro hatte erneut zugedrückt, als er bemerkt hatte, wer uns besuchen kam. „Es ist alles geregelt", antwortete er. „Das freut mich. Es wäre echt schade gewesen, wenn ihr euch nicht mehr vertragen hättet." „Finde ich auch", erwiderte ich, löste vorsichtig meine Hand aus der von Gibbs, stand auf und warf einen Blick aus dem Fenster. Erstaunt stellte ich fest, dass die Sonne langsam über den Horizont wanderte. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass wir so lange miteinander geredet hatten. „Ich werde dich jetzt alleine lassen und unsere Sachen aus dem Hotel holen. Außerdem glaube ich, dass Ducky sicher ein wenig ungestört mit dir plaudern will." Ich grinste bei der Vorstellung, dass der Pathologe seinen Freund in Kürze mit einer seiner zahlreichen Geschichten nerven würde.
„Das hätte ich beinahe vergessen. Ziva hat dafür gesorgt, dass dieser äußerst schnelle Sportwagen hierher gebracht wurde", sagte Ducky und setzte sich auf den Stuhl, von dem ich mich kurz vorher erhoben hatte. Ich nickte als Zeichen des Verständnisses, ging zur Tür und öffnete sie, als mich Gibbs' Stimme inne halten ließ. „Tony?" „Ja?" Ich drehte mich zu ihm um. „Mir ist bewusst, dass der Einsatz jetzt vorbei ist und wir wieder in unser altes Leben zurückkehren." Ich hob fragend eine Augenbraue, da ich nicht wusste, worauf er hinauswollte. „Und ich finde, du solltest den Ohrring behalten. Er gefällt mir." Überrascht blickte ich ihn an. „Du meinst, er steht mir?" „Allerdings." Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, grinste ich breit und da ich nicht wirklich wusste, was ich darauf erwidern sollte, trat ich auf den Gang hinaus und schloss die Tür.
Das Krankenhaus erwachte langsam zum Leben und auf einmal kam es mir überhaupt nicht mehr trostlos vor. Ich lehnte mich an die Wand neben dem Zimmer und griff mir an das rechte Ohr. Eigentlich hatte ich vorgehabt, den Schmuck zu entfernen, aber wenn Jethro meinte, ich solle ihn behalten, dann würde ich das auch tun - wobei mir bewusst war, dass ich das nicht musste. Nur würde ich mir einen anderen Ring besorgen, zumal dieser einem Toten gehörte.
Ich stieß mich von der Wand ab, ging Richtung Ausgang und trat kurz darauf in den herrlich frischen Morgen hinaus. Tief sog ich die Luft in meine Lungen, drehte mich noch einmal um und betrachtete das Gebäude, in dem der Mann lag, der mein gesamtes Leben verändert hatte. Noch immer konnte ich unseren Händedruck spüren und ich war unbeschreiblich glücklich. Ich wusste, es würde noch eine Zeit lang dauern, bis sich Gibbs und ich zusammengerauft hatten. Trotzdem begann die kleine Knospe der Gefühle, die gestern noch geschlossen war, aufzublühen, um sich langsam in ihrer vollen Blüte zu entfalten.

Ende!!!!
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