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Ich saß auf der Couch und zappte eher lustlos durch die zahlreichen Fernsehkanäle, um mich ein wenig abzulenken. Leider funktionierte es nicht so gut, wie ich vorher angenommen hatte. Ein wenig sehnsüchtig blickte ich zu Gibbs' Hemd, welches ich vom Boden aufgehoben und über die Lehne eines Sessels gelegt hatte. Ich versuchte immer noch, wenigstens ein wenig Reue zu empfinden, wegen der letzten Nacht, aber es wollte sich einfach kein schlechtes Gewissen einstellen. Es fühlte sich unheimlich richtig an, was wir getan hatten, auch wenn ich in Jethros Nähe am liebsten vor Verlegenheit im Boden versunken wäre. Ich wusste, wir würden erneut ein Gespräch führen müssen, um uns über die Situation klar zu werden, nur wie viel ich ihm von meinen Gefühlen erzählen sollte, wusste ich noch nicht. Ich hatte Angst, ihn zu verschrecken oder zu verärgern und damit unsere bereits lädierte Beziehung noch mehr kaputt zu machen. Mir war bewusst, dass es besser wäre, ich würde ihm die Wahrheit sagen, ihm erzählen, wie es tief in meinem Inneren aussah, aber alleine die Vorstellung, mit Gibbs darüber zu reden, war lächerlich. Immerhin war er der Meister ihm Verstecken der Gefühle und ich konnte mir nicht vorstellen, dass er dies ändern würde. Aber es würde nicht schaden, wenn wir beide ehrlich waren und ich hoffte, er würde einmal über seinen eigenen Schatten springen und mit mir darüber reden, wie es in seinem Inneren aussah.
Auf dem Fernseher erschien eine wirklich heiß aussehende Blondine mit den Maßen einer Pamela Anderson, die Werbung für ein neues Waschmittel machte. Ihr Körper steckte in einem engen roten Top und die Jeans waren abgeschnitten und enthüllten lange Beine. Normalerweise würde ich mich jetzt vorbeugen und beinahe in den Bildschirm reinkriechen, aber ich sah mir weiter lustlos den Spot an und nicht einmal die sinnliche Stimme der Frau ließ mich erschauern. Sie warf gekonnt ihre lange Mähne über den Rücken und lächelte verführerisch in die Kamera. Wahrscheinlich würden sofort sämtliche Männer, die diese Werbung geschaut hatten, das Waschmittel kaufen, das sicher nicht das hielt, was einem versprochen wurde. Vor ein paar Tagen hätte ich mir sicher den Kopf darüber zerbrochen, wie ich ihren Namen und ihre Telefonnummer herausfinden konnte, aber mittlerweile hatte sich die Situation gravierend geändert. Irgendwie schien ich auf einmal auf Typen mit grauen Haaren und blauen Augen zu stehen, die gerne ihre Mitarbeiter mit einer Kopfnuss bestraften und ständig übellaunig durch die Gegen liefen.
Ich schüttelte den Kopf und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Gibbs hatte es geschafft, mich innerhalb von wenigen Tagen zu bekehren und ich sollte ihm eigentlich deswegen böse sein, aber nicht einmal das brachte ich zustande. Das Einzige, was mir der Gedanke an meinen Boss einbrachte, war ein erwartungsvolles Kribbeln.
Mit einem Seufzer schaltete ich den Fernseher aus, stand auf und ging ins Schlafzimmer. Es war Zeit, dass ich mir endlich etwas anderes anzog, immerhin lief ich noch immer fast nackt durch die Gegend. Die Badezimmertür war geschlossen und leises Wasserrauschen drang an meine Ohren. Ohne dass ich es beeinflussen konnte, stiegen Bilder in meinem Gehirn auf – Bilder der Szene, was wir beide dort drinnen getrieben hatten. Mein Hals wurde staubtrocken und ehe ich mich die Erinnerungen komplett überfluten konnten, betrat ich den begehbaren Kleiderschrank, zog mir die Sporthose aus und suchte mir frische Boxershorts und Jeans. Anschließend zog ich mir noch ein dunkelrotes T-Shirt über den Kopf. Ich drehte mich um und prallte prompt mit Gibbs zusammen, der es wieder einmal geschafft hatte, sich lautlos anzuschleichen. Er war nackt, bis auf das weiße Handtuch, das er sich um die Hüften gebunden hatte. Seine Haare waren feucht und vereinzelt tropfte Wasser auf seinen Oberkörper. Wir waren uns so unglaublich nahe und mein Herz begann wie wild in meiner Brust zu schlagen. Ich war nicht fähig zu denken, geschweige denn, dass ich ein Wort zustande brachte. Sein Atem strich warm über meine Haut und überzog mich mit einem Kribbeln. In mir breitete sich schmerzliches Verlangen nach einer Berührung aus – die auch eine Sekunde später kam, nur in einer Form, mit der ich nicht gerechnet hatte. Jethro hob seinen Arm und verpasste mir einen kräftigen Klaps auf den Hinterkopf, der mich sofort in die Wirklichkeit zurückholte. „Hey!" rief ich erbost und trat einen Schritt zurück. „Was habe ich jetzt schon wieder angestellt?!" Ärger schwang in meiner Stimme mit und ich rieb mir die schmerzende Stelle. „DAS hast du angestellt", antwortete er und deutete mit einem Finger auf den Knutschfleck an seiner Schulter. Es hätte mich gewundert, wenn er ihn nicht entdeckt hätte und mir glitt unwillkürlich ein Grinsen über meine Lippen, welches ihm ein gefährliches Funkeln in die Augen zauberte. „Findest du das etwa witzig?" fragte er und kam auf mich zu. Ich schluckte und versuchte, einen ernsten Gesichtsausdruck aufzusetzen, was mir aber nicht so recht gelang. „Was kann ich denn dafür, wenn du es schaffst, mich alleine mit deinen Fingern so weit zu treiben, dass ich…" Ich brach ab und erneut schoss mir das Blut ins Gesicht. Verlegen kratzte ich mich am Kopf und räusperte mich, bevor ich hinzufügte: „Sei lieber froh, dass ich dir den Knutschfleck nicht am Hals verpasst habe." Obwohl ich zu gerne gesehen hätte, wie er die bläuliche Verfärbung Ziva oder McGee erklärte, wobei sich mir aber der Gedanke aufdrängte, dass die beiden nicht lange leben würden, wenn sie auch nur ein Wort darüber verlieren würden.
„Beiß das nächste Mal gefälligst nicht so fest zu", erwiderte Gibbs und mir klappte der Unterkiefer hinunter. Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, was er eben gesagt hatte und versuchte gleichzeitig, den freudigen Hüpfer meines Herzens zu ignorieren. „Das… nächste Mal?" fragte ich zögernd nach, da ich mir nicht wirklich sicher war, die Worte richtig verstanden zu haben. Und zum ersten Mal seit wir uns kannten, konnte ich beobachten, wie Jethro meinem Blick auswich und lieber den Boden betrachtete. „Ich habe damit gemeint, dass… ach verdammt, wo bleibt der Kaffee? Hast du nicht gesagt, du bestellst welchen?" wechselte er prompt das Thema und der Tonfall in seiner Stimme verriet mir, dass ich am besten kein Wort mehr darüber verlieren sollte, was er eben gesagt hatte. „Es ist Mittag, da haben die in der Küche sicher viel zu tun", antwortete ich und versuchte, meinen Puls, der bei der Aussicht, erneut mit Gibbs zu schlafen, in die Höhe geschossen war, in den normalen Bereich zurückzubringen. „Dann mach denen mal Feuer unterm Hintern", meinte er gewohnt grantig und ich war froh, dass sich nicht erneut die Verlegenheit zwischen uns ausbreitete. Seine schlechte Laune ertrug ich viel lieber, das gab mir das Gefühl der Normalität zurück.
Der begehbare Schrank kam mir auf einmal ziemlich klein vor und Jethro war mir noch immer so nahe. Ich könnte problemlos einen Arm ausstrecken, um ihn zu berühren. Nur würde das nicht ohne Folgen bleiben. „Mal sehen, was sich machen lässt", erwiderte ich und drängte mich an ihm vorbei ins Schlafzimmer, überlegte es mir aber noch einmal anders und drehte mich erneut um. „Übrigens, deine Handschellen kannst du wieder einpacken." Gibbs wandte sich zu mir um und sagte: „Vielleicht brauche ich sie ja noch." Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das wird nicht nötig sein. Hör zu, ich weiß, dass wir erneut miteinander reden müssen und ich werde diesmal nicht davonlaufen. Nur finde ich, wir sollten das Gespräch bis nach dem Einsatz verschieben." Ich rechnete bereits mit einem Widerspruch, aber Jethro nickte zustimmend. „Da gebe ich dir ausnahmsweise Recht, Tony." „Tatsächlich?" Ein breites Grinsen bildete sich auf meinen Lippen. „Treib es nicht zu weit", erwiderte er schroff. „Und jetzt besorg mir endlich einen Kaffee." „Bin schon dabei, Boss." Ich drehte mich um, erfreut darüber, dass wir ein normales Gespräch zustande gebracht hatten, ohne uns an die Gurgel zu gehen oder im Bett zu landen. ‚Vielleicht wird doch noch alles gut', dachte ich und warf noch einmal einen Blick über meine Schulter. Gibbs stand mit dem Rücken zu mir und ließ gerade das Handtuch auf den Boden fallen. ‚Oder auch nicht', fügte ich hinzu und betrachtete ihn sehnsüchtig. Begehren stieg in mir auf und ich beobachtete, wie er in eine Boxershorts schlüpfte. Ich spürte, wie mein Widerstand schwächer wurde und wollte mich gerade vollständig zu ihm umdrehen, als mich ein Klopfen an der Tür und das Wort „Zimmerservice" in die Wirklichkeit zurückholten. Eilig ging ich in den anderen Raum, überwältigt von den Gefühlen in meinem Inneren. Obwohl ich für eine Sekunde geglaubt hatte, alles würde wie früher werden, wurde mir jetzt bewusst, dass dies wohl reines Wunschdenken war.

Kaum war der Zimmerservice – ein junger Mann mit vielen Pickeln – weg, kam Gibbs vollständig angezogen in den Wohnraum. Ich hatte gerade mal eine Sekunde um zu registrieren, dass er sich für eine Jeans und ein schwarzes Hemd, bei dem die ersten beiden Knöpfe offen standen, entschieden hatte. Dann stürmte er an mir vorbei, ignorierte alles und jeden und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, dessen Geruch alleine genügte, um mich munter zu machen. Er trank die Hälfte in einem Zug aus und schien nicht einmal zu merken, dass das Getränk heiß war. Kopfschüttelnd betrachtete ich ihn und mir lag bereits ein Kommentar auf der Zunge, als er mir seinen berühmt-berüchtigten Blick schenkte. So zog ich es vor, mich auf mein Essen zu konzentrieren, dessen Namen ich bereits wieder vergessen hatte, das jedoch äußerst lecker aussah. Bevor ich auch nur den ersten Bissen hinunterschlucken konnte, genehmigte sich Jethro eine zweite Dosis Koffein.
„Irgendwann wirst du noch an Bluthochdruck sterben, wenn du dieses Zeugs weiter in rauen Mengen in dich hineinschüttest", sagte ich mit vollem Mund, was ihn dazu veranlasste, eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen. „Dieses Zeugs heißt Kaffee", erwiderte er, nahm einen Schluck und fügte hinzu: „Und hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man nicht mit vollem Mund spricht?" „Da habe ich anscheinend nicht aufgepasst, als sie dieses Thema angeschnitten hat." Ich grinste ihn schief an und schob mir erneut ein Stück Fleisch, das leicht nach Curry schmeckte, in den Mund. Gibbs setzte sich in einen Sessel, stellte die Tasse ab, zog seinen eigenen Teller zu sich heran und beugte sich vor, um mich durchdringend anzusehen. Prompt steigerte sich meine Herzfrequenz und ich hatte Mühe, mich nicht zu verschlucken. Ein Hauch seines Aftershaves stieg mir in die Nase und ich sog unwillkürlich tief die Luft ein. „Wenn das so ist, muss ich dir wohl Tischmanieren beibringen", sagte er mit einem Ton in der Stimme, der mir einen erregenden Schauer über den Rücken jagte. Mühsam schluckte ich den Bissen hinunter, der mir auf einmal viel zu groß vorkam und mir fast im Hals stecken blieb. „Ach ja?" brachte ich schließlich ein wenig atemlos hervor und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, das mir die Aussicht, er wolle mir Manieren beibringen, durchaus gefiel. „Wie willst du das machen? Mir noch mehr Kopfnüsse verpassen?" Er lächelte leicht, schnappte sich eine Gabel und meinte: „Mir wird schon was einfallen." Dabei blickte er die Handschellen an, die noch immer auf dem Tisch lagen. Erneut stieg in mir ein erwartungsvolles Kribbeln auf und um ihm nicht zu zeigen, dass er mich schon wieder aus dem Konzept brachte, senkte ich meinen Kopf und konzentrierte mich auf mein Essen. Mir war seine Nähe mehr als bewusst, aber da ich ihn nicht mehr direkt ansah, beruhigte sich mein Herzschlag ein wenig.
Keiner von uns wusste so recht, was er sagen sollte, deswegen breitete sich schon wieder das verlegene Schweigen aus. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich keine Ahnung, was ich reden sollte und so vertiefte ich mich in die Betrachtung von Gibbs, wie er nach und nach seinen Teller leerte. Das schwarze Hemd betonte seine blauen Augen äußerst vorteilhaft und mir wurde erneut bewusst, wie attraktiv er war. Wieso war mir das vorher noch nie aufgefallen? „Zufrieden mit dem, was du siehst, DiNozzo?" riss er mich aus meinen Gedanken und blickte mich amüsiert an. Ich räusperte mich und versuchte einen Satz zustande zu bringen, was mir jedoch nicht gelang. „Also, ich wollte nur… das heißt… ich…" Verwirrt brach ich ab und senkte meinen Blick auf meinen fast leeren Teller. Jetzt war ich schon so weit, dass ich anfing wie McGee zu stottern. Gott, dieser Mann brachte mich durcheinander.
Erneut schwiegen wir uns an, diesmal noch verlegener. Da mir diese Stille ziemlich auf den Keks ging und keiner von uns Anstalten machte, sie zu unterbrechen, schnappte ich mir die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Diesmal erschien keine Blondine, die Waschmittel anbot, sondern eine Person, deren Anblick mich gleich in eine viel bessere Laune versetzte. „Klasse", sagte ich, als Magnum gerade dabei war, mit seinem roten Ferrari über eine Straße in Hawaii zu rasen.
„Diesen Mist braucht du dir gar nicht anzusehen", meinte Gibbs, als er aufgesehen hatte und schluckte den Bissen hinunter, den er noch vor einer Sekunde gekaut hatte. „Hast du nicht vor kurzem gemeint, ich soll nicht mit vollem Mund reden? Wer muss hier jetzt wem Tischmanieren beibringen?" fragte ich wagemutig und ignorierte seine Aussage, dass Magnum Mist wäre, obwohl es mich ein wenig kränkte. Immerhin war es meine absolute Lieblingsserie und ich sah sie wirklich gerne, trotz der Tatsache, dass ich alle Folgen bereits kannte. Jethro schüttelte nur seinen Kopf, ging auf meine Frage nicht ein, sondern erwiderte eine Spur ärgerlich: „Das ist nicht die Unterhaltung, die ich beim Essen haben will. Entweder du suchst dir einen anderen Sender oder du schaltest den Fernseher aus." Ich blickte ihn verblüfft an und spürte, wie Wut, die die gute Laune in rasender Geschwindigkeit verdrängte, in mir aufstieg. „Das ist jetzt nicht dein Ernst." „Doch, das ist es." „Willst du mir etwa vorschreiben, was ich mir im Fernsehen ansehen darf?! Soweit kommt es noch!" Zornig knallte ich den Besteck auf den Tisch und blickte Gibbs direkt in die Augen, der verblüfft eine Braue hob. „Ich will mir nur nicht diese Sendung ansehen", sagte er beherrscht ruhig, obwohl an seiner Schläfe eine Ader pochte – ein nicht allzu gutes Zeichen. „Tja, aber ich will es. Das ist zufällig meine zweite Lieblingsfolge und die 40 Minuten wirst du wohl aushalten." Jethro sah mich an, überrascht darüber, dass ich es wagte, ihm zu widersprechen. „Wenn du es nicht anders willst, dann formuliere ich es eben wie einen Befehl." Ungläubig starrte ich ihn an und versuchte zu verarbeiten, was da gerade vor sich ging. „So ist das also!" schrie ich, unfähig, meine Wut zurückzuhalten. „Wenn dir etwas nicht in den Kram passt, dann lässt du wieder den Boss raushängen!" „Ich bin ja auch dein Boss, DiNozzo!" konterte er genauso laut und obwohl ich wusste, dass er Recht hatte, traf mich diese Aussage wie ein harter Schlag. Ein großer Stein begann sich auf mein Herz zu legen und drückte unbarmherzig zu.
„Ich verstehe! Also bin ich für dich weiter nur ein Untergebener, der auf deine Befehle hören muss! Und ich hätte gedacht, nach letzter Nacht hätte sich etwas zwischen uns verändert! Aber da liege ich wohl falsch!" Ich schob meinen Teller zur Seite und versuchte das Zittern zu unterdrücken, das meine Hände erfasst hatte. Ich hatte wirklich geglaubt, er würde mich jetzt anders behandeln, mich nicht nur als Mitarbeiter und Befehlsempfänger ansehen, aber anscheinend hatte ich mich gewaltig in ihm getäuscht.
„Das ist auch der Grund, weshalb es Regel 12 gibt", sagte Gibbs bemüht ruhig, was ihm aber sichtlich schwer fiel. „Jetzt komm mir nicht mit deinen Regeln!" schrie ich ihn an. „Wenn du so versessen auf deren Einhaltung bist, hättest du gestern Nacht unser Treiben beenden sollen, aber das hast du nicht! Also, reg dich nicht auf, wenn wir sie gebrochen haben!" Frustriert fuhr er sich mit einer Hand durch sein noch immer leicht feuchtes Haar und zerzauste es. Obwohl ich dermaßen wütend war, bemerkte ich, dass es ihn noch attraktiver machte und der Stein auf meinem Herzen wurde noch schwerer. Auf einmal wurde mir bewusst, dass die Gefühle für Jethro, die mich seit dem Kuss in dem Club peinigten, tiefer als Freundschaft gingen und obgleich sie noch sehr klein waren, tat es mir schrecklich weh zu wissen, dass ich für ihn auch weiterhin nur sein Untergebener war.
„Hör auf, Tony", meinte er laut und sah mich an. „Ich will mich nicht mit dir streiten." „Nein?!" fragte ich und sprang auf. „Wieso nicht?! Hast du etwa Angst, wir würden erneut im Bett landen?! Aber da kann ich dich beruhigen! Es wird kein nächstes Mal geben!" Meine Worte taten mir selbst weh, aber ich wusste, es war das Beste, hier und jetzt einen Schlussstrich zu ziehen, bevor meine Gefühle noch tiefer gingen und es später viel komplizierter wurde.
Ich stürmte zur Tür, riss sie auf und ehe sie ins Schloss fiel, hörte ich Gibbs rufen: „Tony, warte!" Aber ich ignorierte ihn und stürmte auf den Aufzug zu. Ich musste unbedingt raus hier, weg von dem Mann, der es geschafft hatte, mein gesamtes Leben umzukrempeln und der einfach nicht mehr aus meinem Kopf verschwinden wollte.

Der Knall, mit dem die Tür ins Schloss geworfen worden war, war nicht sonderlich laut, aber trotzdem hallte das Geräusch doppelt so stark in Gibbs' Ohren wider. Seine Hand umkrampfte die Gabel, die er noch immer in den Fingern hielt und er starrte fassungslos auf die Stelle, auf der Tony vor ein paar Sekunden gestanden hatte. Wieder einmal war er abgehauen und hatte eine Stille hinterlassen, die lediglich von den Stimmen aus dem Fernseher unterbrochen wurde, aber selbst diese rückten in den Hintergrund. Es schien ihm, als ob alles nur mehr wie durch Watte gefiltert an sein Ohr drang. Sein Herz schlug ungewohnt schnell und verursachte einen Schmerz in seiner Brust, den er nicht kannte. Die Worte, dass es kein nächstes Mal zwischen ihnen geben würde, sollten ihn eigentlich erleichtern, taten es aber nicht – im Gegenteil. Jethro fühlte sich niedergeschlagen und sogar schuldig, dass DiNozzo erneut die Flucht vor ihm ergriffen hatte. Wieso hatte er es nur so weit kommen lassen? Wieso hatte er zugelassen, dass sie sich schon wieder stritten? Wieso hatte er sich aufgeregt, nur weil sein Kollege sich Magnum ansehen wollte? Es waren lauter Fragen, auf die er keine Antwort hatte und vielleicht auch nie eine finden würde. Auf ihn machte es den Eindruck, als ob sie momentan entweder nur verlegen schweigen oder einander laut anschreien konnten. Von einem vernünftigen Gespräch waren sie meilenweit entfernt, dabei war es so notwendig wie die Luft zum Atmen. Gibbs wusste, sie mussten unbedingt eine Lösung finden, wollten sie in Zukunft weiter zusammenarbeiten.
Seufzend legte er die Gabel auf den Tisch und schnappte sich die Tasse mit dem bereits ausgekühlten Kaffee. Er trank einen Schluck und verzog das Gesicht, aber Koffein war Koffein und das hatte er jetzt bitter nötig. Frustriert schüttelte er den Kopf und versuchte zu begreifen, was vor wenigen Minuten zwischen ihm und Tony passiert war. Mittlerweile taten ihm seine eigenen Worte leid. Er hatte den Schmerz in den Augen des jungen Mannes gesehen, als er gesagt hatte, er wäre sein Boss. Es war schlechthin eine Tatsache aber er hätte nie damit gerechnet, dass er ihn damit so sehr verletzen würde, was in ihm ein mieses Gefühl hinterließ, genauso wie die Worte, dass es kein nächstes Mal geben würde. Tief in seinem Inneren wollte er erneut eine Nacht mit Tony verbringen, aber er wusste, es wäre besser, wenn dies nie geschehen würde. Der Teil von ihm, der von seinem Verstand beherrscht wurde, wusste, das es gut war, dass DiNozzo einen Schlussstrich gezogen hatte, aber sein Herz schrie förmlich, wenn er nur daran dachte, ihn nie mehr zärtlich berühren oder nie wieder seine Lippen spüren zu dürfen. Gibbs war in einer Situation, die er nicht im Entferntesten kannte und er wusste nicht, wie er mit seinen Gefühlen umgehen sollte. Vielleicht war das der Grund, weshalb er so wütend auf sich war, dass er es versaut hatte. „Verdammt!" schrie er, stellte die Tasse mit einem lauten Knall auf dem Tisch ab und vergrub sein Gesicht in den Händen. Zum ersten Mal in seinem Leben wusste er nicht, was er tun sollte. Wie sollte er es nur schaffen, sich mit Tony zu versöhnen, wenn dieser seine Worte immer falsch zu verstehen schien und die wildesten Sachen hineininterpretierte? Aber wenn er ehrlich war, war er noch nie gut darin gewesen, Gespräche zu führen, außer bei einem Verhör, wo er noch jedem Verbrecher ein Geständnis herausgepresst hatte.
Jethro sah auf und blickte auf den Fernseher, wo gerade eine Werbung lief. Eine junge Frau mit leuchtend roten Haaren warb für Hundefutter und hatte einen treuherzig dreinblickenden Welpen auf dem Arm. Sie war unbestreitbar attraktiv und ihre blauen Augen schienen ihn förmlich zu durchbohren. Nur löste sie in ihm keine Empfindung aus, außer der Erkenntnis, dass er nicht mehr auf Rothaarige stand. Nein, er verzehrte sich nach einem Mann, der anscheinend nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte und das machte ihn noch zorniger. Wie hatte er es nur so weit kommen lassen können? Eine Frage, die er sich in den letzten Stunden häufig gestellt hatte. Und hatte er nicht deswegen Regel 12 aufgestellt, um eben so eine Situation zu vermeiden? Aber Gibbs hatte ja nicht gewusst, dass er sie einmal mit Tony brechen würde und dessen Vorwurf, dass er sich nicht aufregen sollte, weil sie sie gebrochen hatten, kam ihm in den Sinn. Er musste ihm Recht geben, denn er hätte ihr Treiben beenden können, aber er hatte es einfach nicht gewollt. Und jetzt hatten sie das Desaster. Ihre Freundschaft schien zerstört zu sein und dann war da noch der Auftrag, der in ein paar Stunden über die Bühne gehen würde. Jethro konnte nur hoffen, dass Tony die Zeit nutzen würde, um sich abzureagieren und professionell genug war, um den Einsatz durchziehen zu können. Er wusste, es würde nicht leicht werden, zumal eine große Spannung zwischen ihnen herrschte. Und wenn die Aktion erfolgreich verlaufen war, dann würde er versuchen, die Beziehung, welche die beiden in den letzten Jahren aufgebaut hatten, ein klein wenig zu retten und er konnte nur hoffen, dass dann der Schmerz, der sein Herz zu zerreißen drohte, wieder verschwinden würde. Und auf einmal wurde ihm bewusst, dass sich Tony zuvor geirrt hatte. Ihm hatte die Nacht etwas bedeutet – viel mehr, als er sich im Moment eingestehen wollte.

Fortsetzung folgt...
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