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Das Lachen hallte so laut in meinem Kopf wider, dass ich die Befürchtung hatte, es weiterhin zu hören, auch wenn es einmal verebben sollte, was allerdings derzeit unwahrscheinlich schien. DeLay machte auf mich plötzlich den Eindruck eines Verrückten, der aus einer Irrenanstalt ausgebrochen war und hatte nichts mehr mit dem netten FBI Agenten gemein, als den ich ihn kennen gelernt hatte. Noch immer war ich überrascht, dass sich herausgestellt hatte, dass er hinter allem steckte, dass er es war, der mich tot sehen wollte, egal auf welche Art und Weise dies geschehen sollte. Am liebsten hätte ich mir selbst die saftigste Kopfnuss auf der Welt verpasst, dass ich so dämlich gewesen war und sämtliche Anzeichen ignoriert hatte. Da hieß es immer, ich wäre Gibbs' bester Agent und dann passierte mir so etwas. Es war sicher das letzte Mal, dass ich meinem Bauchgefühl nicht gefolgt war.
Das Lachen war ein wenig abgeflaut, aber DeLay war noch immer so mit sich selbst beschäftig, dass ich es riskierte und einen Schritt nach vorne machte. Ich spürte förmlich, wie sich die Blicke des bulligen Mannes in meinen Rücken bohrten, aber er unternahm nichts, um mich aufzuhalten. Allerdings war ich mir sicher, dass er mir sofort eine Kugel in ein Bein oder eine Schulter jagen würde, sollte ich auch nur eine unbedachte Bewegung machen. Aber mein einziges Bestreben galt jetzt Jethro und nicht einer Flucht. Ich würde ihn sicher nicht hier zurücklassen, in dem Wissen, dass er wegen mir sterben würde.
Innerhalb von wenigen Sekunden hatte ich ihn erreicht und umfasste sanft sein Gesicht mit beiden Händen. Erst jetzt bemerkte ich so richtig, dass er die Augenbinde nicht mehr trug, so wie es auf dem Foto - das ich per Mail erhalten hatte - der Fall gewesen war. Anscheinend hatte er sofort erkannt, wer der Drahtzieher war oder DeLay war es egal gewesen, dass man schlussendlich sein Gesicht sehen konnte – ein Beweis mehr, dass er nicht vorhatte, uns leben zu lassen. Aber noch war ich nicht bereit aufzugeben, nicht mit dem Wissen, dass in etwa 10 Minuten das FBI hier aufkreuzen würde, vorausgesetzt, sie steckten nicht in einem weiteren Stau fest. Auf Fornells Gesichtsausdruck war ich bereits gespannt, wenn er erkannte, dass einer seiner Leute eine falsche Ratte war.
„Ist mit dir alles in Ordnung?" fragte ich Jethro und strich mit einer Hand seine Haare aus der Stirn, immer darauf bedacht, nicht an den Prellungen anzukommen. In mir stieg Wut auf, als ich daran dachte, dass er geschlagen worden war, aber er hatte sich sichtlich gut gehalten und in seinen blauen Augen funkelte es wie eh und je. Er erwiderte meinen Blick und für einen kurzen Moment lehnte er seine rechte Wange gegen meine Hand, bevor er leise sagte: „Du hättest nicht herkommen sollen, Tony." Ich strich mit meinen Fingern sachte über seine leicht verschwitzte Haut und lächelte ihn an, obwohl es nicht gerade die angemessene Situation dafür war. Seine Worte rührten mich und ich wusste, er machte sich mehr Sorgen um mich als um sich selbst. Er hatte sich schon immer Gedanken um seine Agents gemacht, wenn sie in Schwierigkeiten waren, aber diesmal war es anders. In seinen Augen konnte ich eine Spur Angst erkennen und mein Herz zog sich zusammen, als ich erkannte, dass diese Angst mir galt und nicht der Aussicht, dass er sterben könnte.
„Aber wie du siehst, bin ich hergekommen", erwiderte ich genauso leise und legte meine Stirn gegen die von Gibbs. Ein kurzes Lächeln umspielte seine Lippen, als ich ihn in dieser Art und Weise berührte und er erwiderte diese Berührung, indem er seinen Kopf ein wenig nach vor beugte. Ich war so froh, dass es ihm gut ging und dass ich wieder bei ihm war, dass ich nicht einmal mitbekam, wie DeLay mit dem Lachen aufgehört hatte und sich wieder Stille ausgebreitet hatte, die nur von einem beständigen Wassertropfen durchbrochen wurde. „Ich kann doch nicht zulassen, dass du wegen mir leidest. Immerhin ist es meine…" „Nein, ist es nicht", unterbrach er mich mitten im Satz und zu der Angst in seinen Augen gesellte sich grenzenlose Liebe dazu, die mich dahin schmelzen ließ. „Ich habe mich wie ein Anfänger überrumpeln lassen und ich fürchte, jetzt sitzen wir deswegen beide ziemlich tief in der Patsche. Ich wünschte, du wärst in der Sicherheit des Büros geblieben." „Aber jetzt ist nicht dort mein Platz, sondern hier bei dir." Tief atmete ich Jethros Duft ein und genoss seine körperliche Wärme, bevor mich eine höhnische Stimme in die grausame Realität zurückholte. „Wie süß die beiden doch sind", sagte der Riese und kicherte. „Was meinst du, A.J.? Man könnte glatt meinen, wir wären in einer Seifenoper gefangen." Ich ignorierte die spöttische Bemerkung und ließ meine Stirn weiterhin auf der von Gibbs ruhen. Sollten sich die beiden doch auf unsere Kosten amüsieren. Je mehr Zeit sie damit vergeudeten, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass wir lebend hier herauskamen.
„Das ist wirklich ein wenig kitschig", erwiderte DeLay und ich hörte, wie er uns umrundete. „Da muss ich dir Recht geben, Gary. Vielleicht sollten wir ein Foto für die Nachwelt schießen? Der letzte glückliche Moment?" „Eine gute Idee. Aber verstehen kann ich Gibbs schon, dass er auf DiNozzo derart abfährt. Immerhin riecht er göttlich, irgendwie nach Vanille, gemischt mit einem Hauch von Apfel und dann diese strammen Muskeln, als wären sie für meine Hände wie geschaffen." Ich spürte förmlich, wie sich Jethro versteifte und er scharf Luft holte, bevor er sich von mir löste und mich mit einem Blick ansah, der mir durch Mark und Bein ging. „Was soll das heißen, Tony?" fragte er, wobei seine Stimme vor unterdrückter Wut leicht zitterte. „Woher weiß er wie du riechst und sich deine Muskeln anfühlen? Was hat er mit dir gemacht?!" Die letzten Worte schrie er heraus, wobei ich mir bewusst war, dass dieser Ärger nicht mir galt, sondern Gary, wie dieser eklige Kerl anscheinend hieß. Widerstrebend trat ich einen Schritt zurück und drehte mich um, sodass ich den bulligen Mann ansehen konnte, der mich hämisch angrinste, wobei er zwei Reihen weißer Zähne enthüllte, die in starkem Kontrast zu seinem Mundgeruch standen. Ich wusste genau, weshalb er Gibbs gesagt hatte, wie ich roch und mich anfühlte – um ihn zu provozieren, um ihm zu zeigen, dass er mit mir alles machen konnte, ohne dass mein Freund etwas dagegen tun konnte.
Ich ignorierte das Grinsen und wandte mich wieder um, wobei ich versuchte, einen möglichst sorglosen Gesichtsausdruck aufzusetzen, was mir allerdings nicht wirklich gelang. „Er hat gar nichts mit mir gemacht", antwortete ich schließlich mit bemüht fester Stimme. „Woher weiß er dann wie du riechst?! Woher?!" In seinen Augen war eine Spur Panik zu erkennen und ich wusste, welche Bilder ihm momentan durch den Kopf schießen mussten. Ich öffnete meinen Mund, brachte aber kein Wort heraus, so als ob ich die Fähigkeit zu sprechen verloren hätte. „Komm schon, Tony, erzähl es ihm", meinte Gary und kam langsam auf mich zu. „Erzähl ihm, wie ich dich gegen die Wand gedrückt habe, meine Nase in deinen Haaren vergraben und dich mit meiner Zunge gekostet habe."
Gibbs erstarrte und kniff seine Augen zu Schlitzen zusammen, aus denen Feuer zu sprühen schien. „Sie Schwein!" schrie er, unfähig noch weiter ruhig zu sein. „Ah, dass habe ich schon einmal gehört, wenn ich mich recht erinnere", erwiderte der andere und kicherte.
„Beruhige dich, Jethro", brachte ich schließlich über meine Lippen und legte ihm erneut eine Hand auf seine Wange. „Ich soll mich beruhigen?! Verdammt, wenn ich nur daran denke, was er mit dir…" „Es ist alles bestens, ich schwöre es", sagte ich eindringlich und spürte, wie er sich unter meinem Griff endlich entspannte, als er die Wahrheit in meinen Augen lesen konnte. „Es ist alles halb so schlimm gewesen wie es klingt. Er hat nichts weiter gemacht als an meinen Haaren zu riechen und mit seiner Zunge kurz über mein Ohr zu fahren. Das ist alles. Es ist nichts weiter passiert, außer dass er mir weis gemacht hat, was er mit mir anstellen will. Aber so weit wird es nicht kommen." Die letzten Worte flüsterte ich beinahe tonlos, sodass nur er sie verstehen konnte und warf einen kurzen Blick auf die Uhr, die ich am linken Handgelenk trug und in der ein Peilsender verborgen war. Gibbs folgte meinem Blick und nickte schließlich kaum merklich, als er verstand, was ich ihm damit zeigen wollte. Erleichterung machte sich auf seinem Gesicht breit und ich wusste, dass er erkannt hatte, dass ich nicht ohne Rückendeckung hierher gekommen war. Jetzt konnten wir nur noch hoffen, dass DeLay nicht auf die Idee kam, nachzusehen, ob wir immer noch alleine waren. Aber es war unübersehbar, dass er sich sicher fühlte und dachte, ich würde nichts machen, um das Leben meines Freundes zu gefährden. Allerdings hatte er sich da geschnitten und ich wusste, in knapp sieben Minuten war das ganze Spektakel vorüber. Aber sieben Minuten konnten verdammt lange sein, vor allem, wenn man sich in der Gewalt von verrückten Gangstern befand, von denen man nicht wusste, wie sie als nächstes reagieren würden. Aber eines war mir klar: ich musste ein wenig Zeit schinden, ohne dass es auffiel. Deshalb drückte ich aufmunternd Gibbs Wange und ließ ihn schließlich los, als er wieder seine übliche verschlossene Miene aufsetzte, die selbst einem Psychiater nicht verriet, woran er dachte.
Ich drehte mich um und fixierte DeLay, der die Arme vor seiner Brust verschränkt hatte, wobei seine Anzugsjacke auseinanderklaffte und mir deutlich die Waffe zeigte, die er in einem Schulterholster trug. Unwillkürlich fragte ich mich, ob es dieselbe Pistole war, mit der er den unbekannten Mann erschossen hatte, aber gleich darauf wurde mir klar, dass er nicht so dämlich wäre. Ich setzte ein Grinsen auf, was ihn dazu veranlasste, eine Augenbraue zu heben. „Weiß Fornell eigentlich, dass es unter seinen Leuten eine falsche Ratte gibt?" fragte ich und stellte zufrieden fest, dass mein Gegenüber seine Kiefer fest zusammenpresste und sich seine Körperhaltung anspannte. „Nein, ich schätze nicht", antwortete ich mir gleich darauf selbst und zuckte die Schulter. „Denn sonst würden Sie bereits im Gefängnis sitzen. Ist Ihnen klar, was Sie dort erwarten wird? Die Insassen verzehren sich nach Frischfleisch und werden Ihren Hintern sicher mehr als aufreizend finden. Ich wette, Sie halten keine Woche durch. Korrupte FBI Agenten sind nicht sehr beliebt." Ich hörte, wie hinter mir Gibbs tief Luft holte und ich wusste selbst, dass ich mich in Schwierigkeiten brachte, wenn ich meinen Mund derart weit aufriss, aber so vergingen die Sekunden und somit stieg unsere Chance, lebend aus dieser Sache herauszukommen.
DeLay ließ seine Arme sinken und kam auf mich zu, wobei er Gary den Weg abschnitt, der sich ebenfalls in Bewegung gesetzt hatte. „Ich bin also eine falsche Ratte, ja?" wollte er wissen, wobei seine Stimme einen zischenden Klang angenommen hatte, der mich warnte, aber dennoch rührte ich mich nicht vom Fleck. „Es ist immerhin die Wahrheit, oder? Und soll ich Ihnen etwas verraten? Ich kann Ratten nicht ausstehen." Zum ersten Mal, seit ich den Mann kennengelernt hatte, bekam seine Selbstbeherrschung einen tiefen Riss. Seiner Kehle entrang sich ein tiefes Knurren und der Schlag mit der Faust kam so schnell, dass ich nicht einmal eine Chance hatte, auszuweichen. Meine vom Vorabend leicht lädierte Nase begann erneut zu pochen und warmes Blut floss mir über das Kinn.
„Tony!" schrie Gibbs, aber ich drehte mich nicht zu ihm. „Keine Sorge, mir geht es gut", sagte ich und wischte mir ungerührt mit dem Hemdsärmel das Blut aus meinem Gesicht, wobei mir klar war, dass ich das Kleidungsstück wohl heute Abend im Müll entsorgen konnte. Immerhin waren solche Flecken schwer zu entfernen, vor allem, wenn sie bereits eingetrocknet waren.
„Das wollte ich schon machen, als ich Sie zum ersten Mal gesehen und herausgefunden habe, dass Sie das Handy entdeckt haben", meinte DeLay und schüttelte leicht seine Hand, was mich mit Zufriedenheit erfüllte. „Und ich habe sofort gewusst, dass Sie Dreck am Stecken haben, als ich Sie das erste Mal gesehen habe", erwiderte ich und versuchte das beständige Pochen meiner Nase zu ignorieren. Ich widerstand dem Drang auf meine Uhr zu sehen, obwohl ich wissen wollte, wie viel Zeit noch blieb, bevor endlich Rettung nahte, aber ich wusste, der Agent würde sofort wissen, was diese Geste zu bedeuten hatte. Dieser rang sichtlich um seine Fassung und schien zu überlegen, ob er mich ein weiteres Mal schlagen sollte, schüttelte aber dann seinen Kopf. Anscheinend überließ er das immer seinen Männern, in diesem Fall Gary, von dem ich aber noch mehr zu erwarten hatte als eine Begegnung mit seiner Faust.
„Schluss mit den Spielchen", sagte DeLay schließlich und ein täuschend friedlicher Ausdruck trat in sein Gesicht. „Wo ist das Handy?" Ich schluckte unwillkürlich, da mir klar wurde, dass es langsam brenzlig wurde. Wenn sie erst einmal das kleine Gerät hatten, hatten sie für Gibbs und mich keine Verwendung mehr. Deshalb zögerte ich auch und rührte im ersten Moment keinen Finger. Mein Gegenüber schien keine Geduld mehr zu haben, weshalb er Gary mit einem Wink seiner Hand ein Zeichen gab, der zu uns trat, seine Waffe hob und damit auf Jethros Stirn zielte. Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, stiegen Bilder von Kate in meinem Kopf auf, als sie tot auf dem Dach der Fabrik lag, erschossen von Ari. Gleich darauf wurde sie von meinem Freund ersetzt, dessen leblose Augen zum Himmel starrten und meine Eingeweide schmerzhaft zusammenkrampfen ließen. Also bewegte ich meinen rechten Arm wie in Trance, steckte meine Hand in die Hosentasche und holte jenes Handy hervor, mit dem alles angefangen hatte. Meine Finger umschlossen es fest, so als ob sie es am liebsten zerbrechen wollten, aber ich ließ schließlich locker. Ohne etwas zu sagen, warf ich es DeLay zu, der es geschickt auffing und sogleich aufklappte. Ich wusste, er würde überprüfen, ob es auch das Richtige war und ich nicht versuchte, ihm ein anderes Handy unterzuschieben.
Gary ließ seine Waffe sinken, nicht ohne mir vorher einen Blick voller Genugtuung zu schenken, und trat zu seinem Boss, um neugierig das Display zu beobachten. Die beiden waren so in der Betrachtung des Videos vertieft, dass sie für mich und Gibbs keine Augen mehr hatten, weshalb ich die Chance nutzte. Ich drehte mich zu meinem Freund um, der an dem Seil zog und erneut versuchte, sich zu befreien, wobei er seine Lippen zusammenpresste – ein Zeichen, dass diese Prozedur nicht schmerzfrei war. Deshalb stellte ich mich auf meine Zehenspitzen, um den Knoten zu erreichen und begann mit leicht zitternden Fingern daran zu werken. Aber ich erkannte, dass es nicht so einfach war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Der Knoten war so fest zusammengezogen, dass ich keine Chance hatte, ihn ohne die Hilfe eines Messers aufzubekommen, aber ich gab nicht auf. Unermüdlich zog und zerrte ich daran, in dem Bewusstsein, dass ich Gibbs' Haut noch mehr in Mitleidenschaft zog, aber dennoch hielt ich in meinem Bemühen nicht inne. Mein Freund drehte seine Handgelenke hin und her und versuchte so, dass Seil zu lockern und ich sah, dass frische Blutstropfen darunter hervorquollen. ‚Geh endlich auf', dachte ich, aber mein Flehen wurde nicht erhört. Meine Fingerspitzen brannten vor Anstrengung, aber ich gab nicht auf. Ich bekam auch nicht mit, wie hinter mir Schritte erklangen – das merkte ich erst, als Jethro sich versteifte und schrie: „Tony, pass auf!" Aber es war zu spät. Ein harter Schlag traf mich zwischen meinen Schulterblättern und ließ mich gegen Gibbs taumeln. Instinktiv klammerte ich mich an ihm fest, um nicht hinzufallen, aber gleich darauf lockerte ich meinen Griff, als mich eine Faust in meiner linken Seite landete und mich schmerzhaft keuchen ließ. Ein starker Arm wurde um meinen Hals gelegt, der mir beinahe die Luft abschnürte und mich von meinem Freund umbarmherzig wegzog. Stinkender Atem drang in meine Nase und ich wusste, dass Gary hinter mir stand und mich an sich drückte.
„Ein netter Versuch, aber sinnlos", flüsterte er in mein Ohr und ich hielt unwillkürlich die Luft an, aus Angst, ich würde mich hier und jetzt übergeben, würde ich noch weiter diesen fauligen Geruch aus seinem Mund einatmen. Ich wehrte mich gegen seinen harten Griff, hielt aber schließlich inne, als er den Lauf seiner Waffe gegen meine Schläfe presste. „Das gefällt mir", sagte der Mann hinter mir und drückte sich noch fester an meinen Rücken. „So aufsässig. Es wird mir eine Freude sein, dich zu bezwingen." Leichte Panik stieg in mir auf und ich sah zu DeLay, der grinsend meinen Blick erwiderte und nur mit seinen Schultern zuckte – ein Zeichen, dass ich von ihm keine Hilfe erhalten würde. Seelenruhig spielte er mit dem Handy in seinen Fingern und schien sich köstlich zu amüsieren.
In einer hilflosen Geste umklammerte ich mit beiden Händen Garys Unterarm und versuchte ihn dazu zu bringen, mich loszulassen. Ich drückte meine Fingernägel in seine Haut, wollte ihm Schmerzen zufügen, aber das Einzige was ich erreichte, war, dass ich ihn damit erregte und ich deutlich spürte, wie er hart wurde. Sein Atem kam in keuchenden Stößen und strich über meine Haut. Er begann sich an mir zu reiben und ich wollte unwillkürlich einen Schritt nach vorne machen, um unseren Körperkontakt zu unterbrechen, aber er hielt mich eisern fest. „Du machst mich ganz scharf", flüsterte er leise in mein Ohr, aber dennoch laut genug, dass es Gibbs hören konnte. Dieser begann heftig an dem Seil zu zerren und ich konnte förmlich die Wut spüren, die in ihm brodelte und sich einen Weg an die Oberfläche suchte.
„Nehmen Sie Ihre dreckigen Finger von Tony!" schrie er und mir rann tatsächlich ein kalter Schauer über meinen Rücken. Noch nie hatte ich ihn derart aufgebracht gesehen und in diesem Moment konnte ich froh sein, ihn nicht zum Feind zu haben. Jethro war mehr als stinkwütend und wenn er seine Hände frei hätte, hätte er meinen Peiniger längst erwürgt oder ihm mit einem Ruck das Genick gebrochen. So musste er sich aber damit begnügen, an dem Seil zu ziehen, nur um damit zu erreichen, dass erneut Blut über seine Unterarme floss.
Gary schien das jedoch nur noch mehr anzuturnen und er kicherte leise. „Du fühlst dich so gut an", sagte er und mir wurde klar, dass die Worte nur dazu dienen sollten, Gibbs mental Schmerzen zuzufügen, ihm zu zeigen, wie hilflos er war und dass er mir nicht helfen konnte. Ich hörte auf mich zu wehren, entspannte ein wenig meine Muskeln und presste fest meine Kiefer zusammen, als der Kerl begann, die Waffe von meiner Schläfe gleiten zu lassen und sie über meinen Brustkorb wandern ließ. „So ist es Recht. Entspann dich", fuhr er fort und ich unterdrückte ein Würgen, als mir erneut eine Wolke seines fauligen Atems in die Nase stieg. Als er anfing, seine Lippen an meinen Hals zu drücken, schloss ich die Augen und kämpfte den Drang nieder, mich zu wehren, aber ich wollte ihm keinen Grund liefern, der ihn noch schärfer machte. Ich hörte, wie sich Gibbs' Kehle ein Knurren entrang, aber ich konzentrierte mich auf Gary und wartete auf den richtigen Moment. Die Waffe war bereits bedrohlich an meiner Körpermitte angelangt und glitt unaufhaltsam weiter nach unten.
„Verdammt, DeLay, unternehmen Sie endlich etwas!" schrie Jethro und ich konnte die Panik in seiner Stimme hören, was mein Herz zusammenkrampfen ließ. Ich wusste, er fragte sich, weshalb ich aufgehört hatte, mich zu wehren und ich würde ihm auch eine Antwort geben, wenn der richtige Moment gekommen war.
„Tut mir leid, Agent Gibbs, aber ich habe Gary versprochen, dass er seine Rache so ausleben kann wie er möchte. Es liegt nicht in meinem Ermessen, ihn daran zu hindern." Ich hielt meine Augen weiter geschlossen, spürte die Lippen des Mannes auf der Haut meines Halses, spürte seine Zunge, die darüber fuhr und unterdrückte den Ekel, der in mir aufstieg. Der Lauf der Waffe war mittlerweile bei meinem Schritt angelangt und ich wich unwillkürlich zurück, was dem anderen nur ein weiteres Kichern entlockte. „Ich weiß, dass dir das gefällt", sagte er und bei seinen Worten öffnete ich schließlich meine Augen. Ich begegnete dem Blick von Gibbs, der mich voller Entsetzen ansah, aber nach und nach veränderte sich der Ausdruck in Verständnis. „Sie haben einen guten Geschmack", wandte sich Gary an meinen Freund und ich konnte das Grinsen in seiner Stimme förmlich hören. „Ich wette, Sie genießen es, zuzusehen." Jethro presste fest seine Kiefer zusammen und ich konnte sehen, dass es all seiner Selbstbeherrschung bedurfte, nicht auszurasten. Sein Brustkorb hob und senkte sich schnell und seine Finger krampften sich um das Seil. „Hören Sie auf!" schrie er aber dann trotzdem und verfolgte, wie die Waffe wieder an meinem Oberkörper hinauf wanderte.
„Es scheint ihm wohl doch nicht zu gefallen", murmelte er an mein Ohr, bevor er seine Nase in meine Haare drückte und daran roch – und genau darauf hatte ich die ganze Zeit gewartet. „Ich liebe den Geruch von Vanille", fuhr er fort und holte tief Luft. „Gut zu wissen", erwiderte ich eiskalt und spannte meine Muskeln an. „In Zukunft werde ich mir ein anderes Shampoo kaufen." Mit einer blitzschnellen Bewegung ließ ich meinen Kopf nach vorne schnellen, nur um ihn gleich darauf nach hinten sausen zu lassen. Den Bruchteil einer Sekunde später war ein hässliches Knacken zu hören und Gary stieß einen lauten Schrei aus. Sein Griff lockerte sich und ich nutzte die Chance. Ohne zu zögern, rammte ich ihm meinen Ellenbogen in den Magen und befreite mich aus seiner Umklammerung. Mein Hinterkopf pochte unangenehm von dem Zusammenstoß, aber der Schmerz wurde von der Genugtuung überlagert, als ich das viele Blut bemerkte, das durch die Hand quoll, die sich der Mann auf seine gebrochene Nase presste. „Ich bring dich um!" schrie er, wobei seine Worte nur undeutlich zu verstehen waren. „Ich bring dich mit meinen bloßen Händen um!"
„Wirklich gut getroffen, Tony", meinte Gibbs und auf seinen Lippen bildete sich tatsächlich ein Lächeln. Ich wollte bereits auf ihn zustürmen, als mich das Geräusch einer Waffe, die entsichert wurde, inne halten ließ. DeLay hatte das Handy in seiner Hosentasche verschwinden lassen und zielte nun mit seiner Pistole genau zwischen meine Augen. „Jetzt ist Schluss mit lustig", zischte er und kam auf mich zu. Seine Gelassenheit von vorhin war verschwunden und hatte eiskalter Entschlossenheit Platz gemacht. Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie sich Gary aufrichtete – mit einer bereits dick geschwollenen Nase. Seine gesamte untere Gesichtshälfte war blutverschmiert und seine Miene war von Mordlust verzerrt. Seine anfängliche Erregung hatte sich in Wut umgewandelt, aber anstatt sich mir zuzuwenden, trat er auf Gibbs zu, entsicherte seine Waffe und zielte genau auf sein Herz.
„Nein!" schrie ich und wollte auf ihn zustürmen, aber ich hatte die Rechnung ohne DeLay gemacht. Er verpasste mir einen harten Schlag in meine Eingeweide, umklammerte blitzschnell mit seiner freien Hand meinen Hals und drückte mich unbarmherzig gegen die nächste Betonwand. Sein Griff schnürte mir beinahe die Luft ab und ich umklammerte sein Handgelenk, in dem Versuch ihn ein wenig zu lockern. Panik stieg in mir auf, was aber nichts damit zu tun hatte, dass sich der Lauf einer Waffe gegen meine Stirn presste. Ich wusste, dass Gibbs verloren war. Tränen der Verzweiflung stiegen mir in die Augen, die schließlich ungehindert über meine Wangen strömten. Verdammt, wo blieb nur das FBI? Wo waren Ziva und McGee? Wo war meine Rückendeckung, auf die ich mich verlassen hatte?
„Das ist für meinen Freund", sagte Gary und sah mich eiskalt an. „Meinen Freund, den du mir weggenommen hast. Dafür werde ich dir deinen Freund nehmen, den Mann, den du liebst. Du sollst dir immer bewusst sein, dass es deine Schuld ist, dass er sterben muss." „Nein!" schrie ich erneut und blickte zu Gibbs, der mir ruhig entgegensah. In seinen Augen waren nur die Gefühle zu erkennen, die er für mich hegte und er schien keine Angst zu verspüren, dass er gleich sterben würde, getötet durch eine Kugel, die sein Herz treffen sollte – das Herz, das er an mich verschenkt hatte. Die flehenden Worte, die sich einen Weg über meine Lippen bahnen wollten, lösten sich in Luft auf und ich spürte, dass sich seine Ruhe auf mich übertrug. Die gesamte Umgebung rückte in den Hintergrund, ich sah nur mehr Jethros blaue Augen, sah nur mehr die Liebe, die in ihnen lag. Ich bekam nicht einmal mit, wie Gary seinen Zeigefinger immer mehr um den Abzug spannte, bis schließlich ein Schuss erklang, der laut in meinen Ohren widerhallte und alle anderen Geräusche überdeckte.

Fortsetzung folgt...
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