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Mit einem harten Ruck, der mich in den Sicherheitsgurt warf, hielt Jethro den Wagen in einer ruhigen Wohnstraße an und schaltete den Motor ab. Sofort umfing uns Stille, die nur von drei kleinen Kindern unterbrochen wurde, die in einem Garten in der Nähe herumtollten. Es war keine wohlhabende Gegend aber auch nicht armselig. Die Einfamilienhäuser waren größtenteils sauber verputzt, die Rasen ordentlich gemäht und der Asphalt der Gehsteige und der Auffahrten wies nur kleine Risse auf, durch die Unkraut wuchs.
Das Haus, vor dem wir gehalten hatten, war bei weitem das Kleinste in dieser Umgebung, aber dafür merkte man, dass hier jemand wohnte, der sich liebevoll darum kümmerte. Die Fensterläden waren erst vor kurzem mit grüner Farbe frisch gestrichen worden, vor den Fenstern im ersten Stock waren in länglichen Töpfen bunte Blumen gepflanzt worden und die Rosensträucher, die das Grundstück vom Gehweg abtrennten, waren ebenmäßig geschnitten. Auf der Veranda, die die komplette Vorderseite des Gebäudes einnahm, standen eine Hollywoodschaukel und ein kleiner runder Tisch mit einer Vase frischer Blumen darauf. Von einem der oberen Holzbalken hingen vier Traumfänger, die sich in dem leichten Wind hin- und herbewegten.
„Wenn du willst, dass ich frühzeitig an inneren Blutungen sterbe, musst du nur weiterhin den Wagen so abrupt zum Stehen bringen, Jethro“, beschwerte ich mich und löste den Sicherheitsgurt, der mir kurzfristig die Luft abgeschnitten hatte. Die einzige Reaktion, die ich auf meine Worte erhielt, war ein amüsiertes Lachen. „Das ist nicht witzig. Stell dir vor, ich erleide deswegen einen Milzriss. Dann würdest du dein restliches Leben mit den Schuldgefühlen verbringen, dass mich dein waghalsiger Fahrstil umgebracht hat.“ Ich verzog meinen Mund zu einer Schnute und blickte zu Gibbs hinüber, der seine Augenbrauen erhoben hatte und seelenruhig den Zündschlüssel abzog. „Soll das ein Versuch werden, mir ein schlechtes Gewissen zu machen und mich dazu zu bringen, mich an die Verkehrsregeln zu halten?“ „Ha!“ rief ich triumphierend aus und bohrte ihm meinen Zeigefinger in den Oberarm. „Wenigstens gibst du zu, dass du dich nicht an die Verkehrsregeln hältst. Das ist immerhin ein Fortschritt.“
Um Jethros Mundwinkel zuckte es, allerdings trat gleich darauf ein heimtückisches Funkeln in seine Augen, das mir gar nicht gefiel. Ich widerstand dem Drang mich mit dem Rücken an die Tür zu pressen, als er sich zu mir herüberbeugte und mich viel zu freundlich musterte. „Tony?“ fragte er geduldig und kratzte sich kurz an der Nase. „Ja, Brummbär?“ erwiderte ich zögernd und wich jetzt doch ein paar Zentimeter vor ihm zurück, als er noch näher kam â€" nicht einmal der Kosename hielt ihn davon ab so auszusehen, als ob er mich am liebsten bei lebendigem Leib auffressen wollte.
„Wenn du dich weiterhin über meine Fahrweise aufregst, kann es passieren, dass ich dich irgendwo zwinge aus dem Wagen auszusteigen â€" ohne dein Handy natürlich - und dich zu Fuß nach Washington zurück gehen lasse. Und wir wissen beide, wie weit das ist. Auch wenn du mein Engel bist, so hast du keine Flügel und ich würde es mehr als schade finden, wenn du deswegen erst nach Mitternacht nach Hause kommen würdest, womit unser Hochzeitstag leider vorbei wäre. Folglich müsstest du bis nächstes Jahr warten, bis du mein Geschenk bekommst.“
Ich öffnete meinen Mund, schloss ihn wieder, öffnete ihn erneut, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Diesen Zustand ausnützend, beugte sich Jethro noch weiter vor und obwohl er noch immer den Sicherheitsgurt umgelegt hatte, erreichte er mich ohne Schwierigkeiten. Er küsste mich kurz aber äußerst leidenschaftlich und ich musste erst einmal blinzeln, nachdem er sich von mir gelöst hatte. „Schuft“, brachte ich eine Spur heiser heraus und sah dabei zu, wie er sich von dem Gurt befreite und die Tür öffnete. „Du bist ein hinterhältiger Schuft, Jethro. Das würdest du nicht wagen, mich irgendwo in der Einöde auszusetzen.“ „Noch ein Wort über meine Fahrweise und ich werde es dir beweisen“, erwiderte er und schaffte es einen Ton in seine Stimme zu legen, dass ich ihm sofort glaubte. Er blickte mich noch eine Sekunde lang an, bevor er ausstieg.
Ich folgte ihm eilends, noch immer nicht sicher, ob er gerade einen Scherz gemacht hatte â€" kam dieses Wort überhaupt in seinem Vokabular vor? â€" oder es doch bitterernst meinte. Normalerweise würde â€" Kindskopf wie ich war â€" es mich reizen zu sehen, wie weit er gehen, ob er mich wirklich irgendwo aussetzen würde. Allerdings war ich viel zu neugierig auf das Geschenk, das ich heute von ihm erhalten würde. In den letzten Wochen hatte ich immer wieder versucht aus Jethro herauszubekommen, was er sich für mich ausgedacht hatte, aber er hatte beharrlich geschwiegen. Dieser Mann konnte so etwas von stur sein und an solchen Tagen schaffte es nicht einmal mein Dackelblick ihn zu erweichen.

„Was hast du überhaupt…?“ machte ich einen weiteren Versuch, ihm vielleicht vorzeitig doch ein Detail wegen des Geschenkes zu entlocken, hielt aber mitten im Satz inne, als ich hinter ihm die Verandastufen hinaufging und gleich darauf mein Blick auf einen runden Hundekorb fiel, der neben der Hollywoodschaukel stand. Auf einer bunt karierten Decke lag ein kleiner Hund, der genauso aussah wie die kleinen Tölen, die Duckys Mutter bei sich Zuhause hatte. Das Tier hob seinen Kopf, kaum dass es uns gehört hatte und stieß ein bedrohliches Knurren aus, als ich nicht einmal einen halben Meter von ihm entfernt stehen blieb, um nicht in Jethro hineinzulaufen.
Dem Knurren folgte ein Bellen und obwohl es eher ein wenig armselig klang, sprang ich erschrocken einige Zentimeter auf die Seite, um mein Hosenbein aus der Reichweite der Minibestie zu bringen, die sich auf ihre Beine gestellt und gefährlich danach geschnappt hatte. Dabei hielt ich mich unwillkürlich an Gibbs’ Schultern fest, der daraufhin seinen Arm, den er in dem Bestreben zu klopfen, erhoben hatte, sinken ließ und sich drehte, sodass ich erst recht wieder in die Nähe des Hundes kam.
„Was machst du da, Tony?“ fragte er und wollte mich ansehen, was aber nicht wirklich funktionierte, da ich mich erneut hinter seinen Rücken verzog und der Töle von dort aus einen mörderischen Blick zuwarf, den diese mit einem weiteren lauten Kläffen zur Kenntnis nahm. „Ich verhindere, dass sich dieses Biest gleich auf mich stürzt“, antwortete ich und kam mir dabei wie ein Vollidiot vor. Allerdings sahen die spitzen Zähne des Hundes nicht gerade nett aus und ein Bild vor meinem inneren Auge entstand, wo die Beißerchen sich tief in meine Hand bohrten.
Jethro konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und schaffte es endlich, mir einen amüsierten Blick über die Schulter zuzuwerfen. „Du hast doch nicht etwa Angst?“ fragte er und grinste schief. „Ich und Angst? Nie und nimmer“, antwortete ich eine Spur zu schnell und der Hund quittierte meine Worte mit einem lauten Bellen. „Ah ja“, war Gibbs’ trockener Kommentar dazu und bückte sich, sodass ich wieder ungeschützt dastand. „Jethro, was tust du da? Du wirst doch nicht… der wird dir noch deine Finger abbeißen“, stieß ich hervor, wobei meine Stimme unnatürlich hoch klang. Er ignorierte mich jedoch, streckte seine Hand aus und streichelte dem kleinen Biest tatsächlich über den haarigen Kopf. Der Hund hörte sofort zu bellen auf, winselte kurz und fing schließlich zu hecheln an. Ich stand mit offenem Mund da und starrte auf die Szene vor mir.
„Du bist ja ein Braver“, murmelte Gibbs vor sich hin und ich verschränkte ein wenig beleidigt meine Arme vor der Brust. „Da kann man ja glatt eifersüchtig werden“, sagte ich und verzog meine Lippen zu dem besten Schmollmund, den ich je zu Stande gebracht hatte. „Hör auf eine Schnute zu ziehen, Tony“, sagte er und ich ließ überrascht meine Arme sinken. Woher wusste er, dass ich schmollte? Er hatte doch keine Augen im Hinterkopf. „Dein Gesicht spiegelt sich im Glas der Tür, deshalb kann ich es sehen“, antwortete er auf meine unausgesprochene Frage und tätschelte weiter den Kopf des Hundes. Das war doch nicht zu fassen… mich sah dieses Vieh so an, als ob es mich gleich auffressen wollte, während es Gibbs wahrscheinlich zahm aus der Hand gefressen hätte.
„Du kannst auch mich streicheln“, erwiderte ich und behielt meinen Schmollmund bei. „Und ich beiße auch garantiert nicht in einem unerwarteten Moment zu.“ „Na, wer weiß“, kam es belustigt von Gibbs, der den Hund noch kurz unter der Schnauze kraulte und sich endlich aufrichtete. „Muss ich dich an die Bisswunde erinnern, die fast zwei Wochen sichtbar gewesen ist, nachdem du praktisch im Bootskeller über mich hergefallen bist?“ Ich räusperte mich verlegen und kratzte mich kurz am Kopf. „Vielleicht beiße ich doch ein wenig“, gab ich zu und grinste ihn herausfordernd an. Aber gleich darauf wurde er ernst.
Als ich mich umdrehte, bemerkte ich eine ältere Frau, die uns misstrauisch durch das Glas der Haustüre musterte. Ihre Augen waren rot und geschwollen und sie hielt sich ein Taschentuch an ihre Nase. Ihre grauen Haare waren zu einem Knoten zusammengebunden, aus dem sich jedoch Strähnen gelöst hatten, die ihr von Falten durchzogenes Gesicht umrahmte. Von den Informationen, die wir vorhin herausgefunden hatten, war Nigel Wilders Mutter 59 Jahre, schien optisch aber um mindestens zehn Jahre älter zu sein. In ihren dunklen Augen zeichnete sich tiefe Trauer ab und ich war wirklich froh, dass nicht wir es waren, die ihr die schlechte Nachricht vom Tod ihres Sohnes überbringen mussten. Dessen Vorgesetzter hatte Ziva darüber informiert, dass er persönlich Cathy Wilder aufgesucht hatte.

Zaghaft öffnete sie die Tür und hielt sie sich wie ein Schutzschild vor den Körper. „Ja, was wollen Sie?“ fragte sie mit schwacher Stimme und schluckte sichtlich einen Schluchzer hinunter. „Special Agent Gibbs, Ma’am“, sagte Jethro, kramte seinen Ausweis aus seiner Hosentasche hervor und hielt ihn ihr hin. „NCIS. Das ist Special Agent DiNozzo. Wir müssten Ihnen ein paar Fragen stellen.“ „Wenn es hilft, den Tod meines Babys aufzuklären“, erwiderte sie und öffnete die Tür schließlich komplett, sodass wir in den kleinen Vorraum treten konnten, von dem rechts eine schmale Treppe in den ersten Stock führte. Der Boden war mit einem alten, aber sauberen, roten Teppich ausgelegt, der frische Spuren von einem Staubsauger aufwies. Es roch durchdringend nach Hund und zerkochtem Kohl.
So unauffällig wie möglich rümpfte ich die Nase, während ich Mrs. Wilder und Gibbs ins Wohnzimmer folgte, das mit alten Möbeln eingerichtet war, aber trotzdem gemütlich wirkte. Durch das breite Fenster schien die Sonne und warf helle Flecken auf den zerkratzten Parkettboden. Auf fast jeder Fläche standen Bilder von Nigel Wilder, seinem Vater und dem Hund, der draußen in dem Korb lag und wahrscheinlich darauf wartete, mir ins Bein zu beißen, wenn wir wieder von hier verschwanden.
„Ich hoffe doch, Fluffy hat Ihnen nichts getan“, sagte Cathy und bedeutete uns, dass wir auf dem leicht durchgesessenen Sofa Platz nehmen sollten. Ich rückte näher an Jethro als es schicklich war â€" unsere Oberschenkel trennten nur wenige Zentimeter. Aus meiner Hosentasche kramte ich einen kleinen Notizblock hervor und Gibbs reichte mir einen Kugelschreiber, den er in seinem Jackett ständig aufbewahrte. Nigels Mutter ließ sich auf einen Stuhl sinken, der mit zahlreichen selbstgehäkelten Deckchen übersät war und sie wirkte in dem wuchtigen Sessel noch kleiner und gramgebeugter.
„Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“ fragte sie, aber man sah ihr an, dass es ihr lieber wäre, wenn wir diese Frage verneinen würden. Deshalb schüttelte ich sofort den Kopf, während Gibbs ein freundliches „Nein, danke“ von sich gab. „Wer hat das meinem armen Baby nur angetan?“ heulte sie los, noch ehe wir die erste Frage stellen konnten. Sie vergrub ihr Gesicht in dem Taschentuch und schniefte kurz. Ich rutschte hin und her und wünschte, ich hätte doch in den Sexshop fahren können, anstatt hier sitzen zu müssen.
„Mrs. Wilder“, begann Gibbs vorsichtig und beugte sich ein wenig nach vorne. „Wir gehen davon aus, dass Ihr Sohn aus Eifersucht ermordet worden ist.“ „Aus Eifersucht?“ fragte sie überrascht und ließ das Taschentuch sinken. „Aber… aber mein Baby war doch so ein lieber Mensch. Wer hätte auf ihn eifersüchtig sein sollen?“ „Jemand, der von ihm zurückgewiesen wurde und nicht damit klar kam“, erwiderte ich und zuckte innerlich zusammen, da ich die Worte nicht gerade feinfühlig ausgesprochen hatte. Gibbs warf mir einen strafenden Blick zu und ich beschränkte mich in der Folge darauf, auf meinem Notizblock zu kritzeln.
„Mrs. Wilder, wussten Sie, dass Ihr Sohn homosexuell war?“ wollte Jethro wissen und er milderte die Frage, indem er in seiner Stimme einen sanften Ton mitschwingen ließ. Cathy richtete sich kerzengerade auf und war mit einem Schlag gespannt wie ein Flitzebogen. In ihren Augen blitzte es auf und sie reckte kampflustig ihr Kinn. „Ja, das weiß ich“, fauchte sie beinahe und krampfte ihre Finger um das Taschentuch. „Und ich weiß auch, wie das Marine Corps mit Homosexuellen umgeht und ich kenne genug Menschen, die ihn verachtet haben, nur weil er Männer mag. Er ist trotzdem noch mein Sohn!“ rief sie aufgebracht und schien nicht einmal zu bemerken, dass sie von Nigel in der Gegenwartsform gesprochen hatte. Ich starrte betrübt auf den Block und ein kurzer Schmerz bohrte sich in mein Herz, als ich den Stolz in Mrs. Wilders Stimme hörte.
Seit ich meinen Eltern gesagt hatte, dass ich Gibbs heiraten würde, hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen und anfangs hatte es mir nichts ausgemacht, aber jetzt, nach einem Jahr, wünschte ich mir, sie würden endlich darüber hinwegsehen, dass ich nicht so perfekt war wie sie dachten. Mein Vater war wahrscheinlich sauer, dass ich keinen Erben zeugen würde und meine Mutter war betrübt, weil sie keinen Enkel zum Herumzeigen hatte. Und so wie ich die beiden kannte, würden sie auch in Zukunft keinen Kontakt zu mir herstellen. Die Einstellung meines Vaters zu Homosexuellen kannte ich schon, seit ich auf der Highschool gewesen war: inakzeptabel. Obwohl ich mehr als glücklich war und hervorragend ohne die beiden auskam, wünschte ich mir doch, sie würden irgendwann einmal so stolz auf mich sein können wie Cathy auf Nigel.

So als ob er meine Gedanken lesen würde, griff Jethro nach meiner rechten Hand und drückte aufmunternd zu, wobei sich der Kugelschreiber ein wenig unangenehm in meine Haut bohrte. „Glauben Sie mir, wir wären die Letzten, die jemanden wegen seiner sexuellen Orientierung verurteilen würden“, sagte Gibbs und ich blickte auf, blickte direkt zu Mrs. Wilder, auf deren Gesicht sich Verständnis ausbreitete. Die Spannung wich aus ihrem Körper und sie sackte gegen die Lehne des Stuhles. „Es tut mir leid“, erwiderte sie und musterte unsere miteinander verschränkten Finger. „Seit wann sind Sie denn verheiratet?“ fragte sie und trotz der Trauer in ihren Augen lächelte sie gütig â€" das Eis schien endgültig gebrochen. „Seit genau einem Jahr“, antwortete ich und diese Tatsache vertrieb die Betrübnis aus meinem Körper â€" meine Eltern konnten bleiben, wo der Pfeffer wuchs.
„Das ist schön“, sagte die ältere Frau und beugte sich wieder ein wenig nach vorne. „Ich hätte es schon früher erkennen müssen. Die Liebe zwischen Ihnen ist richtiggehend greifbar. Genauso wie bei Nigel“, fügte sie hinzu und erneut traten Tränen in ihre Augen. „Noch letzte Woche hat er mir erzählt, dass er vor etwa einem Monat einen netten jungen Mann kennen gelernt hat. Und ich habe sofort erkannt, dass er ihn wirklich liebt.“ Ich tauschte mit Gibbs einen kurzen Blick, bevor er meine Hand wieder losließ und ich erneut auf dem Block Notizen machte.
„Wissen Sie den Namen seines Freundes?“ fragte er und eine gespannte Stille erfüllte den Raum, die sich jedoch rasend schnell in eine enttäuschte Atmosphäre verwandelte, als ein ersticktes „Nein“ als Antwort kam. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn in diesem Fall endlich einmal etwas einfach wäre. „Mrs. Wilder, wussten Sie, dass Ihr Sohn einen Swingerclub besucht hat?“ wollte Gibbs wissen und neugierig über ihre Reaktion sah ich auf. Aber anstatt Empörung an Cathy wahrzunehmen, nickte sie und knetete das Taschentuch in ihren Händen. „Ja. Nigel hat es mir erzählt, dass er seinen Freund dort getroffen hat. Aber ich weiß nicht, wo dieser Club ist oder wie er heißt.“ Sie blickte zwischen uns hin und her und runzelte die Stirn. „Woher wissen Sie das überhaupt? Das steht sicher nicht in seiner Dienstakte und Nigel hatte keine Freunde, denen er das anvertraut hätte.“
Ich spürte, wie sich meine Wangen rot verfärbten und zog es vor, erneut auf den Block zu schreiben, auch wenn ich nicht wirklich wusste, was. Ich begann, das Wort Swingerclub mit Sternchen zu verzieren. „Ihr Sohn hat uns gestern angesprochen und hat uns gefragt, ob wir mit ihm in einen Swingerclub gehen wollen“, erwiderte Gibbs und im Gegensatz zu mir schien er die Ruhe in Person zu sein. „Sie haben Nigel getroffen?“ fragte Cathy erstaunt. „Aber nur ganz kurz“, sagte ich eine Spur zu schnell und die Röte breitete sich bis zu meinen Ohren aus. Jethro stieß mich mit seinem Knie an und um nicht ganz so verlegen auszusehen, blickte ich schließlich doch auf. „Es muss Ihnen nicht peinlich sein, Agent DiNozzo“, meinte Mrs. Wilder gütig. „Ich werde nicht fragen, wo Sie auf ihn getroffen sind.“ „Es ist mir nicht pe…“ Ein weiterer Stoß traf mich und ich schloss meinen Mund wieder.
„Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann“, sagte Cathy und seufzte. „Nigel hat nicht alles von seinem Leben erzählt. Meistens hat er nur von seiner Zeit beim Marine Corps gesprochen und dass er seine Lektion gelernt hat. Seit der Sache mit dem Einbruch in den Juwelierladen hat er nichts mehr angestellt. Er war ein guter Junge.“ Tränen bildeten sich in ihren Augen und sie realisierte selbst, dass sie wohl zum ersten Mal in der Vergangenheit von ihrem Sohn gesprochen hatte. „Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich an“, sagte Gibbs, zog eine Karte aus seiner Jacketttasche und legte sie auf den Tisch vor uns. Ich klappte meinen Notizblock zu, gab meinem Ehemann den Stift zurück und stand auf. Mrs. Wilder wollte sich ebenfalls erheben, aber Jethro schüttelte den Kopf. „Machen Sie sich keine Mühe, Ma’am. Wir finden alleine hinaus.“ Sie sackte wieder in sich zusammen und ein Schluchzen verhallte in der sonstigen Stille des Wohnzimmers.

Kaum hatten wir die Tür geschlossen, erklang ein freudiges Bellen, als der Hund Gibbs erblickte â€" gefolgt von einem wilden Knurren, als ich an der Töle vorbeiging. „Ich schwöre dir, der ist doch gemeingefährlich“, sagte ich und eilte schnell die Verandastufen hinunter. Jethro hingegen blieb noch einmal stehen, um der Bestie den Kopf zu streicheln â€" das Kläffen verstummte sofort. „Hunde wittern Angst, Tony“, sagte er und blickte mich amüsiert an. „Ich habe keine Angst“, meinte ich empört und wartete darauf, dass er endlich aufstand, zu mir herunterkam und den Wagen aufsperrte.
Er öffnete die Fahrertür, stieg aber nicht ein, sondern sah mich über das Wagendach hinweg an. „Wieso rufst du sie nicht einfach an?“ „Wen?“ fragte ich, obwohl ich genau wusste, von wem die Rede war. „Du weißt wen, Tony“, erwiderte Gibbs, so als ob er meine Gedanken lesen konnte. „Warum sollte ich sie anrufen?“ wollte ich wissen, ließ mich auf den Beifahrersitz fallen und schlug die Tür eine Spur zu laut zu. „Wenn sie mit mir reden wollen, können sie sich doch melden. Und auf die Drohung meines Vaters, dass er mich enterbt, wenn ich nicht wieder normal werde, kann ich wirklich gut verzichten. Dabei bin ich doch normal.“ Jethro stieg ein, beugte sich zu mir herüber und umfasste zärtlich mein Gesicht. „Natürlich bist du das, Tony“, erwiderte er sanft und gab mir einen kurzen liebevollen Kuss. „Aber meinst du nicht, dass es an der Zeit ist, dass ihr euch aussprecht?“ Ich schnaubte, schmiegte aber meine rechte Wange gegen seine warme Hand. „Vielleicht hast du recht“, gab ich zu und seufzte. „Nur habe ich die Befürchtung, dass mir mein Vater die Tür vor der Nase zuknallt.“ „Wofür gibt es denn ein Telefon?“ Jethro lächelte mich an, küsste mich ein weiteres Mal, bevor er mein Gesicht losließ, den Schlüssel ins Zündschloss steckte und den Motor startete. „Dann wird er eben den Hörer mit voller Wucht auf die Gabel knallen, wenn er meine Stimme hört“, erwiderte ich, aber eher belustigt als betrübt. „Und könntest du vielleicht diesmal nicht so schn… Ah!“ schrie ich auf, als Gibbs mit quietschenden Reifen losfuhr und ich hart in den Sitz gepresst wurde.

Fortsetzung folgt...
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