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Washington D.C.
Mittwoch, 13. August
22:25 Uhr


Er saß in seinem Wagen, hielt einen Kaffeebecher in der Hand, von dem er hin und wieder einen Schluck trank und beobachtete durch die nasse Windschutzscheibe das schäbige Apartmentgebäude, in dem Nigel Wilder seine Wohnung im Erdgeschoss hatte. Es war nicht schwer herauszufinden gewesen, wo der junge Mann wohnte, nachdem er sich das Kennzeichen des klapprigen Autos notiert hatte, das dieser fuhr. Der Wagen stand auf einem mit Müll übersäten Parkplatz und es wunderte ihn, dass der Schrotthaufen nicht durch die Wucht der Regentropfen, die mit aller Macht aus den dunklen Wolken fielen, in seine Einzelteile auseinanderbrach. Für ihn war es ein Rätsel, wie es überhaupt jemanden geben konnte, der so ein altes, von Rostflecken überzogenes Auto fuhr, ohne sich zu schämen – oder wie jemand in einer so heruntergekommenen Gegend wohnen konnte.
Auf den schmalen Bürgersteigen stapelte sich der Müll, den die Eimer nicht mehr aufnehmen konnten, die den Eindruck erweckten, seit einer Ewigkeit nicht mehr entleert worden zu sein. Die Wände der Häuser waren mit Graffitis überzogen und die teilweise schweinischen Wörter hätten einem sittsamen Erdenbürger die Röte ins Gesicht getrieben. Die meisten der Laternen waren kaputt, wahrscheinlich durch Jugendliche, denen es Spaß machte, die Lampen mit Steinen einzuwerfen und dank des ungemütlichen Wetters herrschte eine tiefe Dunkelheit, die nur hin und wieder von den Lichtern aus den Wohnungen durchbrochen wurde. Die Finsternis bot ihm Schutz davor, entdeckt zu werden, falls sich doch jemand außer Haus wagen sollte oder sich in diese trostlose Gegend verirrte. Zusätzlich stieg Dampf von den Kanaldeckeln auf und hüllte alles in einen feinen, kalten Nebel.
Normalerweise war er ein Mensch, der die Sonne bevorzugte, der es liebte, wenn es warm war, aber heute kam ihm der Regen zu Gute und ein fernes Donnergrollen kündigte ein Gewitter an – perfekt. Es würde die Geräusche überdecken, die er eventuell machen würde. Nicht, dass sich hier irgendjemand um die Angelegenheiten des anderen kümmern würde. Es gab genug Kleinkriminelle, die nicht die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und ungestört ihren Geschäften nachgehen wollten. Und so ein Abschaum, der an der untersten Stelle der Nahrungskette der Menschheit angesiedelt war, hatte es gewagt, mit seinen Augen Tony förmlich auszuziehen und ihn unverhohlen zu fragen, mit ihm in einen Swingerclub zu gehen.
Wenn er an den lüsternen Ausdruck in den Augen Wilders dachte, wurde er rasend vor Wut, was ihn nur in seinem Vorhaben bestärkte. Jemand, der nicht treu sein konnte und der es liebte, ständig mit anderen Leuten die Partner zu tauschen, war nicht richtig im Kopf und musste bestraft werden. Umso mehr, weil er DiNozzo angebaggert hatte – den Mann, für den sein Herz schlug und immer schlagen würde. Wie hatte er auch nur in der Vergangenheit daran denken können, ohne ihn zu leben, zu versuchen, ihn aus seinem Leben zu verbannen?
Bereits als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er gewusst, dass sie füreinander bestimmt waren, dass das Schicksal sie zusammengeführt hatte und diesmal würde er sich die Möglichkeit nicht nehmen lassen, das Beste aus der ganzen Sache herauszuholen. Ein weiteres Mal würde er sich nicht zwingen, Tony zu vergessen. Dass er heute auf ihn getroffen war, war ein Wink mit dem Zaunpfahl gewesen.
Von jeher war er besitzergreifend gewesen, war rasend schnell eifersüchtig und wütend geworden, wenn jemand es gewagt hatte, mit dem Mann, mit dem er gerade zusammen gewesen war, zu flirten, aber nie war es so schlimm wie an diesem Abend gewesen. Vielleicht lag es auch daran, dass ihm bis jetzt niemand so wichtig wie Anthony gewesen war. Er hatte es noch nie erlebt, dass er von einem einzigen Menschen so fasziniert sein, dass er alleine durch einen Blick auf ein Hinterteil so scharf werden konnte. Alleine die Vorstellung, seine Hände auf diesen Hintern zu legen, ließ seine Hose unglaublich eng werden und er verwünschte die Tatsache, dass er nicht am richtigen Ort war, um sich selbst ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Zwar würde es sicher niemanden stören, wenn er hier und jetzt Hand an sich legte, aber für ihn war es einfach nicht die perfekte Umgebung. Er wollte in seinem Bett liegen, wenn es so weit war und daran denken, wie es wäre, wenn Tony bei ihm wäre, wie er für ihn strippte und nicht für diesen grauhaarigen Kerl, mit dem er in dem Sexshop gewesen war.

Unwillkürlich bildete sich in seiner Kehle ein lautes Knurren und er drückte den Kaffeebecher fest zusammen, der zu seinem Glück fast leer war und er sich somit nicht seine Hand mit der heißen Flüssigkeit verbrühte. In seinem Inneren stieg eine kochende Wut auf, die noch stärker war als die, die er beim Anblick von Wilder empfunden hatte. Gibbs… wenn er bereits an ihn dachte, sah er buchstäblich rot. Er wusste nicht, was Tony an diesem Typen fand und das Schlimmste war, dass sie nicht nur ein normales Pärchen, sondern auch noch verheiratet waren.
Als er das vor wenigen Stunden herausgefunden hatte, hatte er seine Lieblingskaffeetasse mit Wucht an die Wand geworfen. Er hatte minutenlang die Informationen auf seinem Computerbildschirm angestarrt, während sich in seinem Arbeitszimmer der Geruch nach Kaffee und auf der Tapete ein unschöner brauner Fleck ausgebreitet hatte. Im Prinzip hatte er sich nur erkundigen wollen, wo DiNozzo wohnte, um ihm vielleicht einmal einen Besuch abzustatten, wenn die Sehnsucht zu groß wurde, aber die Idee war schnell aus seinem Kopf verschwunden, als er gesehen hatte, dass noch jemand im selben Haus wohnte – Leroy Jethro Gibbs. Und als er schließlich entdeckt hatte, dass bei beiden bei Familienstatus verheiratet gestanden hatte, war der Groschen gefallen.
Die beiden hatten sich das Jawort gegeben, hatten sich ewige Liebe vor Gott geschworen und es hatte ihn grenzenlose Anstrengung gekostet, nicht den Computerbildschirm vom Tisch zu fegen – stattdessen hatte er sich mit der Kaffeetasse begnügt. Die Wut in seinem Inneren hatte ihm beinahe Angst gemacht und er hatte erkannt, dass er sich anstrengen musste, um Tony für sich zu gewinnen. Nur zu gerne hätte er seinen Ehemann einfach umgebracht, hätte ihm eine Kugel zwischen die Augen gejagt, um ihn dafür zu bestrafen, dass er es gewagt hatte, Anthony zu heiraten. Aber gleich darauf war ihm bewusst geworden, dass er auf diese Weise DiNozzos Herz nie gewinnen würde. Würde er Gibbs einfach töten, wäre Tony untröstlich und sicher eine Ewigkeit nicht bereit für eine neue Beziehung. Nein, er musste sich etwas anderes einfallen lassen und bis ihm eine Idee gekommen war, beschränkte er sich darauf, seine Wut an den Leuten abzureagieren, die es wagten, mit seinem Traummann zu flirten.

Er atmete tief durch, versuchte sich zu beruhigen und nicht an Gibbs zu denken und vor allem nicht daran, wen er wahrscheinlich gerade in seinen Armen hielt, aber es fiel ihm so unendlich schwer. Die Vorstellung, dass Tony strippte, ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf und überzog seinen Körper mit einem intensiven Prickeln. Er war sich sicher, dass DiNozzo wusste, wie man sich zu einem Lied bewegte und sich dabei langsam von der Kleidung befreite. Wie sehnte er sich danach, diesen Körper vor sich zu sehen, die straffen Muskeln, die sich heute deutlich unter dem schwarzen Hemd abgezeichnet hatten.
Unwillkürlich wurde er noch härter und er schleuderte frustriert den zerquetschten Kaffeebecher in den Fußraum des Beifahrersitzes. Innerlich wünschte er sich, er hätte nie erfahren, dass Tony anscheinend auf Fesselspiele stand. Er selbst hatte das oft genug praktiziert und es gefiel ihm jedes Mal, wenn er seinen Partner unterwerfen konnte. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen und stellte sich die schwarzen Seidenschals um die Gelenke des Halbitalieners vor und nicht um die von Gibbs, dem es anscheinend nichts ausmachte, Zuhause einfach so die Kontrolle aufzugeben.
Ein nackter, mit schwarzen Seidenschals ans Bett gefesselter Tony… er leckte sich über seine Lippen, hätte beinahe lüstern aufgestöhnt und zog ein wenig an seiner Hose, die viel zu unbequem im Schritt war. Er war scharf wie ein pubertierender Teenager und er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal alleine bei der Vorstellung eines unbekleideten Männerkörpers das Bedürfnis verspürt hatte, auf der Stelle zu kommen.
Andererseits war es nicht irgendein Mann, über den er sich Gedanken machte und vielleicht wäre es besser gewesen, er wäre heute nicht in den Laden gegangen, um sich nach neuen Erwachsenenfilmen umzusehen. Er war mit seinem Leben perfekt zurecht gekommen und mit einem Schlag war das nun vorbei. Er hatte keine Ahnung, wie er in Zukunft konzentriert arbeiten sollte, wenn ihm Tony ständig durch den Kopf ging und ihn nicht mehr losließ. Und er hasste das Wissen, dass dieser verheiratet war, jemanden hatte, den er unbeschreiblich liebte und noch mehr hasste er es, nicht derjenige zu sein. Aber Anthony würde sicher irgendwann einsehen, dass Gibbs nicht der Richtige für ihn war. Was fand er überhaupt an diesem Kerl? Er war sicher um mindestens fünf Jahre älter, hatte silbergraue Haare und lief mit einer griesgrämigen Miene herum.
Zu DiNozzo passte doch eher ein sportlicher Typ, so wie er es war und er trainierte seinen Körper regelmäßig in einem Fitnessstudio, um sich fit zu halten. Es war die reinste Verschwendung, dass er sich an diesen alten Kerl gebunden hatte, aber er würde sicher zur Besinnung kommen, wenn er verstand, dass er es viel besser haben würde, würde er Gibbs in den Wind schießen und stattdessen zu dem Mann kommen, der ihm die Welt zu Füßen legen würde – und das würde er definitiv machen. Er würde für Anthony alles machen, damit er glücklich war und gleichzeitig würde er es sicher schaffen, seinen Ehemann leiden zu lassen. Ihn zu töten wäre viel zu einfach.

Bevor ihm aber eine Idee kommen konnte, um Gibbs das Leben zur Hölle zu machen, erregte eine Bewegung im rechten Außenspiegel seine Aufmerksamkeit. Den Gang der Person erkannte er sofort und er ließ sich etwas tiefer in den Fahrersitz sinken. Endlich, Wilder war auf dem Weg in seine schäbige Wohnung, nachdem er seinen Wagen stehen gelassen hatte, um zu Fuß irgendwo hinzugehen. Vor etwa einer halben Stunde hatte er vorsichtig an die Tür geklopft, in der Hoffnung, diesem Jüngling sofort ein Messer in den Bauch rammen zu können, aber es hatte niemand aufgemacht. Aber da der Schrotthaufen von einem Auto, das Nigel gehörte, auf einem Parkplatz stand, hatte er sich damit abgefunden, dass er wohl eine Wartezeit vor sich hatte – nicht, dass es ihm etwas ausmachen würde. Er war es gewohnt, stundenlang zu warten und wenn er wollte, konnte er sehr geduldig sein. Trotzdem war er erleichtert, dass er nicht die ganze Nacht ausharren musste, während der Regen auf das Dach seines Wagens trommelte und langsam die Kälte in das Innere vordrang.
Dass Wilder jetzt wieder zu seinem Apartment ging, war ein Zeichen dafür, dass er nicht in dem Swingerclub gewesen war, in dem er sich anscheinend so gerne aufhielt. Vielleicht hatte er heute keine Lust auf einen Partnertausch gehabt und war nur für eine schnelle Nummer zu seinem Freund gegangen. An seiner Stelle hätte er allerdings das Auto genommen, immerhin goss es wie aus Eimern und Wilder war klitschnass, als er an dem Wagen des Beobachters vorbeieilte, den Kopf zwischen den Schultern eingezogen und seiner Umgebung keinen Blick würdigte.
Noch immer trug er dieselben Sachen wie in dem Sexshop, nur war jetzt eine Lederjacke dazugekommen, in deren Taschen er seine Hände vergraben hatte. Er machte den Anschein, nur schnell ins Trockene kommen zu wollen und übersah dabei den Wagen, der so gar nicht in diese heruntergekommene Gegend passte.
Mit einem Lächeln auf den Lippen beobachtete er, wie Nigel zu dem dreistöckigen Apartmentgebäude ging, die Tür aufmachte, die kein Schloss besaß und schließlich im Inneren verschwand. Seine Wut wurde durch Aufregung ersetzt und zum ersten Mal verspürte er den Rausch, gleich über Leben und Tod entscheiden zu können. Er öffnete das Handschuhfach, holte ein Paar Lederhandschuhe heraus, die er sich überstreifte, nahm die kurze mit Computer geschriebene Nachricht, steckte sie in seine Hosentasche und schnappte sich anschließend die langstielige rote Rose, die auf dem Beifahrersitz lag und darauf wartete, neben einer Leiche platziert zu werden. Das Schnappmesser, das er verwenden würde, befand sich in seiner Jackentasche – alles war bereit.
Ohne zu zögern öffnete er die Wagentür und schloss sie sofort wieder, nachdem er ausgestiegen war. Der Regen durchnässte innerhalb von wenigen Sekunden seine Haare und das Donnergrollen in der Ferne wurde lauter. Blitze zuckten über den Himmel und erhellten für kurze Zeit die Nacht. Er freute sich jetzt schon auf sein warmes Bett, wo er sich seinen Gedanken über einen nackten Tony hingeben konnte und um dies so schnell wie möglich zu erreichen, würde er die Tat rasch über die Bühne bringen.
Das Lächeln auf seinen Lippen wurde breiter, als er auf das Haus zueilte und aufpasste, dass sich die Dornen nicht durch den Lederhandschuh an seiner rechten Hand bohrten. Das letzte, was er wollte, war, seine DNA zu hinterlassen. Mit einem Ruck öffnete er die Tür und betrat das düstere Stiegenhaus, von dem rechts eine ausgetretene Treppe in die oberen Stockwerke und links ein Gang zu den Wohnungen im Erdgeschoss führte. Es roch durchdringend nach Hunden, Urin und anderen Körperausdünstungen, die ihn bereits vor einer halben Stunde beinahe würgen hatten lassen.
Die giftgrünen Tapeten waren feucht und lösten sich an den Ecken bereits von den Wänden, entblößten einen schmutziggrauen Beton. Die Postkästen hingen schief an der Mauer und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie wohl herunterfallen würden. Es gab nichts, was die Atmosphäre des trostlosen Stiegenhauses aufgeheitert hätte, nicht einmal irgendwelche billigen Pflanzen – nur eine Glühbirne, die für diese miserable Beleuchtung sorgte.
Mit großen Schritten näherte er sich der Wohnung mit der Nummer 3 und blieb vor der Tür mit dem zerkratzten Holz stehen - dahinter konnte man einen Fernseher hören. Aus dem linken Apartment erklangen eindeutige Geräusche, die Bewohner hatten ihren lautstarken Spaß und schienen sich nicht daran zu stören, dass jeder ihre lustvollen Schreie mitbekam. Aber auch das war perfekt – noch etwas, das eventuelle Schmerzenslaute Wilders übertönen würde.
Er fuhr sich durch seine nassen Haare, zerzauste sie lässig und setzte sein schönstes Grinsen auf, das bei jedem Mann wirkte - auch Nigel würde keine Ausnahme sein. Noch dazu hatte er eine rote Rose in der Hand – er musste glauben, dass er ihm den Hof machen wollte. Er klopfte an die Tür, die leicht in den Angeln bebte, hörte gleich darauf schlurfende Schritte, spürte, wie er durch den Spion gemustert wurde und zwinkerte verschwörerisch.
Ein Schlüssel wurde umgedreht und eine Sekunde später die Tür geöffnet, die den Blick auf eine Wohnküche freigab, die schon lange aus der Mode war. Es roch nach Bier und einem billigen Aftershave. Wilder stand nur in Boxershorts vor ihm, musterte ihn eingehend und auf seinen Lippen bildete sich ein Lächeln. „Hey, Süßer", sagte er mit leicht heiserer Stimme und ein begehrlicher Blick trat in seine dunklen Augen, die er mit einem Eyeliner betont hatte. „Ist die Rose für mich?" „Allerdings", antwortete er und ohne lange zu überlegen, versetzte er dem anderen einen Stoß, sodass er zurücktaumelte, schmiss die Tür ins Schloss, zog das Messer aus der Jackentasche und ließ es aufschnappen. Die scharfe Klinge blitzte in dem Licht der Lampe an der Decke auf und ließ den anderen sichtlich hart schlucken.
„Was soll das? Auf Gewalt stehe ich nicht." „Nicht mein Problem", erwiderte er gelassen und noch bevor sich Nigel wehren konnte, verpasste er ihm einen harten Schlag ins Gesicht, der ihn auf den Boden schleuderte. Genau im selben Moment krachte ein lauter Donner, der alle Geräusche überdeckte. Wilder keuchte und hielt sich seine linke Wange, die wie Feuer brannte.
Der Angreifer legte die Rose auf den Couchtisch, beugte sich zu dem Mann hinunter und umklammerte mit der nun freien Hand den Hals des sichtlich Benommenen. „Das ist dafür, dass du deine Augen nicht von Tony lassen konntest", zischte er und rammte dem anderen das Messer in die Seite, erfreute sich an dem Schmerzensschrei, der erneut von einem Donner übertönt wurde. „Das ist dafür, dass du sein Hinterteil angestarrt hast, als ob es dir gehören würde." Er zog das Messer hervor und stach wieder zu, diesmal in die Magengegend. „Das ist dafür, dass du ihn mit deinen Blicken ausgezogen hast und am liebsten über ihn hergefallen wärst. Er gehört mir, mir alleine, hast du das verstanden?" Immer wieder stach er zu, bis Wilder bewegungslos unter ihm lag und nur mehr flach atmete. Aus den zahlreichen Wunden im Bauchbereich strömte Blut, durchtränkte den billigen Teppich und er sah zu, wie das Leben aus dem jungen Mann wich, dessen Augen vor Schmerzen zusammengekniffen waren.

Nicht einmal eine halbe Minute später ebbte der keuchende Atem ab und es waren nur mehr das Donnern, der Fernseher und das Stöhnen von nebenan zu vernehmen. Mit einem zufriedenen Lächeln betrachtete er den Toten und er fühlte sich befreit, fühlte sich wie in einem Rausch. Am liebsten hätte er laut gelacht, hätte seine Freude hinausgeschrien, stattdessen riss er sich zusammen, warf das Messer achtlos neben die Leiche, holte den Zettel aus seiner Hosentasche und steckte ihn in Nigels Boxershorts.
Anschließend stand er auf, nahm die Rose und betrachtete sie selig. Sie war nicht für Wilder bestimmt, sondern für Tony. Aber noch war es nicht so weit, dass er das wissen sollte. Den wahren Grund für den Mord wollte er den Ermittlern nicht preisgeben – jedenfalls noch nicht. Er würde sie in eine andere Richtung lenken, während er sich an sein eigentliches Ziel heranmachen würde.
Mit einem Lächeln im Gesicht legte er die Rose auf die Brust des Toten, betrachtete diesen noch einmal, bevor er sich umwandte, die Tür aufmachte und vorsichtig auf den Gang spähte – es war niemand zu sehen. Das Pärchen von nebenan war verstummt und nur mehr der Fernseher in Wilders Apartment lief. Zufrieden schloss er die Tür, schlenderte den Flur entlang und nach draußen in den Regen. Er fühlte sich richtig gut, ein Teil seiner Wut war verebbt und er war bereit dafür, sich einen entspannten Abend zu machen – mit einem Glas Wein und seine Gedanken bei Tony. In dieser Nacht würde er sicher tief schlafen, würde von dem Mann träumen, der bald ihm gehören würde.

Fortsetzung folgt...
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