- Text Size +
Er blickte die Frau mit den schwarzen Haaren mit zusammengekniffenen Augen an und beobachtete, wie sie sich einen Zettel in die Hosentasche steckte, auf dem ohne Zweifel die Telefonnummer des Mannes stand, mit dem sie in den letzten Minuten gesprochen hatte. Die war doch wirklich unverschämt. Flirtete zuerst mit seinem Tony und als sie abgeblitzt war, schmiss sie sich gleich an den nächsten Kerl. Es würde ihn nicht wundern, wenn sie ihre Partner mehrmals die Woche wechseln würde. Normalerweise beurteilte er Menschen nicht nach ihrem Äußeren, da er aus Erfahrung wusste, dass selbst die Hässlichsten einen netten Charakter haben konnten, aber diesmal verstieß er gegen seine Prinzipien. Ihn interessierte es nicht, warum diese Frau offensichtlich auf Männerfang war, obwohl sie wahrscheinlich jeden haben konnte, wichtig war nur, dass sie es gewagt hatte, sich an Anthony heranzuschmeißen.
Die Wut von gestern, von der er gedacht hatte, sie nach dem Mord an Nigel Wilder unter Kontrolle zu haben, kehrte mit aller Macht zurück und er hatte große Mühe, nicht aus seinem Wagen zu springen und dem Miststück eine Lektion zu erteilen. Stattdessen begnügte er sich damit, das Lenkrad so fest zu umfassen, dass seine Knöchel hervortraten und zwang sich, tief durchzuatmen, um wieder normal denken zu können. Aber mit der Eifersucht, die in ihm tobte, war das unglaublich schwer.
Noch immer konnte er es nicht fassen, dass er zu so einem starken Gefühl im Stande war, ja, dass er deswegen sogar gemordet hatte. Er hatte gedacht, im Nachhinein würde es ihm deshalb schlecht gehen, aber zu seiner eigenen Ãœberraschung hatte er es keine Sekunde lang bereut. Es war richtig befreiend gewesen, ein Ventil für die Wut gefunden zu haben und er hatte das ständige Bedürfnis verspürt, laut zu lachen, weil er so erfreut gewesen war, dass es einen Menschen weniger gab, der schmutzige Gedanken über Tony hatte. Der Einzige, der solche Gedanken haben durfte, war er selbst â€" und letzte Nacht hatte er jede Menge davon gehabt.
Noch nie war er so lange wach gelegen, hatte die Decke über sich angestarrt und sich vorgestellt, er wäre nicht alleine in dem Schlafzimmer, dass es nicht seine Hand wäre, mit der er sich gestreichelt hatte. Und die ganze Zeit hatte er Anthony vor seinen Augen gehabt, wie er sich für ihn ausgezogen und sich dabei langsam im Rhythmus eines Liedes bewegt hatte. Und dann diese vollen Lippen, von denen er sich wünschte, sie auf seinem Körper zu spüren. Er hätte schwören können, noch nie so hart gewesen zu sein oder bei dem Gedanken an Lippen explodieren zu müssen.

Tony vor ein paar Minuten gesehen zu haben hatte ihm auch nicht wirklich geholfen, sondern hatte seine Sehnsucht nur noch verstärkt â€" gepaart mit der Rage, die ihn überkam, wenn er Gibbs beobachtete. Die Vertrautheit der beiden hatte ihm die Galle die Speiseröhre hochgetrieben und seinen Vorsatz, den grauhaarigen Agenten nicht zu töten, hatte für eine Sekunde geschwankt. Aber die Aussicht, dass Anthony untröstlich wäre, hatte ihn wieder zur Besinnung gebracht. Außerdem wäre es nicht klug einen Bundesagenten zu ermorden, da das nur Staub aufwirbeln und der ganze NCIS wahrscheinlich nach seinem Mörder suchen würde.
Sein Leben war auf einmal so schrecklich kompliziert geworden, seit er gestern Tony wieder gesehen hatte. Und diese Begegnung hatte etwas in ihm zum Erwachen gebracht, das ihm ein wenig Angst machte, etwas Dunkles, Bedrohliches. Es war, als ob eine Seite in ihm zum Vorschein gekommen war, die ewig da gewesen war, aber bis jetzt hatte er sich gut genug unter Kontrolle gehabt, um sie nicht an die Oberfläche kommen zu lassen. Seit jeher war er vom Tod fasziniert gewesen, hatte sich manchmal vorgestellt, wie es wohl wäre, jemandem ein Messer in den Körper zu rammen â€" jetzt wusste er es. Es war ein berauschendes Gefühl gewesen zu spüren, wie die Klinge in das Fleisch eingedrungen war, dabei Muskeln und Sehnen durchtrennt hatte.
Es war ein Mord aus Liebe gewesen und er war sich sicher, Tony würde es irgendwann zu schätzen wissen, dass es jemanden gab, der für ihn über Leichen ging. Er würde noch erkennen, dass Gibbs nicht der Richtige für ihn war und das wahre Glück wo anders auf ihn wartete. Heute würde er sich gleich auf die Suche nach einem hübschen Haus machen, in dem sie in Zukunft gemeinsam leben konnten. Seinem Traummann sollte es an nichts fehlen und ein großes Haus half sicher dabei, dass er seinen Gatten bald vergessen würde.

Ein erwartungsvolles Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und er musste sich zusammenreißen, um nicht in die Vorstellung abzudriften, wie es wäre, jeden einzelnen Raum gebührend einzuweihen. Stattdessen konzentrierte er sich wieder auf die junge Frau, die jetzt alleine war und dem blonden Mann nachblickte, der in dem Coffeeshop verschwand. Ihre Körperhaltung war entspannt und ein zufriedener Ausdruck war auf ihrem Gesicht erschienen.
Wahrscheinlich malte sie sich jetzt schon den heutigen Abend aus, aber nur er wusste, dass dieser nicht so verlaufen würde, wie sie es sich erträumte. Würde sie wissen, dass er der letzte Mann sein würde, den sie in ihrem Leben sehen würde, würde sie nicht mehr so entspannt hier stehen, die Zeitung unter dem Arm geklemmt und die Zufriedenheit in Person. Er würde ihr eine Lektion erteilen, würde ihr einbläuen, dass es nicht gesund war, ständig zu flirten und Tony alleine durch Blicke auszuziehen. Das war ihm vorbehalten, ihm alleine.
Er beobachtete, wie sie zu einem dunkelblauen BMW eilte und die Schlüssel aus ihrer Hosentasche hervorkramte, um den Wagen aufzusperren. Automatisch prägte er sich das Kennzeichen ein, um später ihren Namen herauszufinden. Vorerst wollte er sich damit begnügen, ihr zu folgen und zu erfahren, was sie untertags machte, womit sie sich ihren Lebensunterhalt verdiente oder ob sie sich nur diesen schicken Hosenanzug angezogen hatte, um auf Männerfang zu gehen.
Er wollte bereits den Motor starten, als sein Handy zu klingeln anfing und ihn unwillkürlich zusammenzucken ließ. Mit einem wüsten Fluch schlug er auf das Lenkrad ein, wusste er doch, was dieser Anruf zu bedeuten hatte â€" er musste nicht einmal auf das kleine Display blicken. „Wieso gerade jetzt?“ fragte er sich selbst und nahm das kleine Telefon vom Beifahrersitz, wo er es ständig hinlegte, wenn er mit dem Auto unterwegs war. Am liebsten würde er das Geklingel ignorieren, aber er wusste, er würde nur Schwierigkeiten bekommen, würde er nicht rangehen.
Mit Mühe unterdrückte er die Wut auf die Frau, da es der Anrufer mitbekommen würde, wenn er ins Handy knurren würde, anstatt normal zu sprechen. Der Gewohnheit halber warf er einen kurzen Blick auf den Namen und schüttelte frustriert den Kopf â€" die Arbeit rief.

Hand in Hand standen Gibbs uns ich im Fahrstuhl und warteten darauf, dass er uns in die dritte Etage brachte. In meinen Fingern hielt ich noch immer die Tüte mit dem Donut, den ich im Wagen nicht angerührt hatte, aus Angst, ich würde mich bei dem rasanten Fahrstil verschlucken, mich bekleckern oder ein Stück auf den Boden fallen lassen. Aber das Gebäck würde nicht mehr lange ganz bleiben, ich würde genüsslich hineinbeißen, kaum dass ich an meinem Platz sitzen würde.
Wahrscheinlich musste ich mir dabei allerlei Sprüche von Ziva anhören, die es sich nicht entgehen lassen würde, mich damit aufzuziehen, dass wir um fast eine halbe Stunde zu spät zum Dienst erschienen. Sie würde sicher bereits ihre eigenen Theorien entwickelt haben, während sie alle fünf Minuten auf die Uhr geblickt hatte. Verübeln konnte ich es ihr nicht, wenn sie sich ihre Gedanken machte, überlegte ich doch auch immer, was los war, wenn meine Kollegin einmal nicht um sieben an ihrem Schreibtisch saß. Aber ihre Erklärungen, warum sie sich verspätet hatte, waren nie sonderlich spannend gewesen, meistens erzählte sie etwas von dichtem Morgenverkehr oder einen Unfall, der sich ereignet hatte. Nichts Interessantes, mit dem ich sie aufziehen hätte können, außer sie war diejenige, die den Unfall verursacht hatte, weil sie wieder einmal wie verrückt gerast war.

Jethro trank einen Schluck von seinem Kaffee und fing an, mit seinen Fingern an meinem Verlobungsring herumzuspielen, was mir ein Lächeln auf die Lippen zauberte, das aber ganz schnell in ein lautstarkes Gähnen überging. Meine Kiefer knackten unangenehm und meine Augen tränten unwillkürlich. „Müde?“ fragte Gibbs überflüssigerweise und blickte mich mit erhobenen Brauen an. Er hörte auf, meinen Ring hin- und herzudrehen, umfasste meine Hand fester und zog mich ein wenig näher zu sich heran.
„Ist wohl nicht zu übersehen“, murmelte ich und rieb mir über die Augen, wobei ich aufpassen musste, die Tüte mit dem Donut nicht fallen zu lassen. Die kurze Nacht machte sich auf einmal stark bemerkbar und ich hätte mich wahrscheinlich in der kleinen Kabine auf den Boden legen können und wäre sofort eingeschlafen. „Das kommt davon, wenn man um ein Uhr in der Früh noch unbedingt eine Tiefkühlpizza essen will“, erwiderte er trocken und ich quittierte seine Aussage mit einem weiteren Gähnen. „Ich hatte Hunger“, verteidigte ich mich, „immerhin ist unser Abendessen ausgefallen und du hast nicht gerade viel von der Schokosoße mit mir geteilt.“ „Das nächste Mal, wenn wir nicht zum Essen kommen, darfst du Pizza von meinem Körper verzehren, Tony. Dann kannst du dein zweitliebstes Hobby mit Spaß verbinden.“ „Mein zweitliebstes Hobby?“ fragte ich und jetzt war es an mir, die Brauen zu heben. „Du bezeichnest essen als mein zweitliebstes Hobby?“ „Nun, bei der Menge, die du ständig zu dir nimmst, ist das ja auch kein Wunder.“ „Und was ist mein liebstes Hobby?“ wollte ich wissen und grinste anzüglich.
Gibbs beugte sich zu mir herüber, sodass er in mein Ohr flüstern konnte. „Mich in den Wahnsinn zu treiben.“ Ein Schauer durchlief meinen Körper, als er kurz mit seiner Zunge an meinem Ohrring herumspielte und schließlich wieder von mir abließ, als ein leises Pling andeutete, dass wir in der dritten Etage angekommen waren. Seine Worte ließen mich breit grinsen, wusste ich doch, dass er damit nicht meinte, dass ich es mit Leichtigkeit schaffte, ihn mit meinen Sprüchen auf die Palme zu bringen.
„Ich kann dich heute Abend gerne wieder in den Wahnsinn treiben wenn du willst“, erwiderte ich und ließ mich widerstandslos aus der kleinen Kabine zerren, die gleich darauf von drei anderen Agenten in Beschlag genommen wurde, die uns grüßend zunickten, aber ansonsten keine Notiz von unseren miteinander verschränkten Fingern nahmen. Es war schon lange nichts Neues mehr, dass wir Hand in Hand den Fahrstuhl verließen. Das letzte Mal, als wir erstaunte Gesichter gesehen hatten, war, als sich herumgesprochen hatte, dass wir heiraten würden. Abby hatte es jedem, der ihr lange genug zugehört hatte, freudestrahlend erzählt, hatte gewollt, dass jeder an unserem Glück teilhaben sollte. Mittlerweile hatten sich genug andere Gesprächsthemen gefunden, die bei weitem interessanter waren als Jethros und meine Beziehung.
Er blickte mich von der Seite her an, blieb mit mir bei meinem Schreibtisch stehen und beugte sich so weit nach vorne, dass sein Körper meinen berührte. Ich schluckte unwillkürlich, als sein Atem warm über meinen Hals strich. „Ich denke, heute Abend werde ich nicht der Einzige sein, der in den Wahnsinn getrieben wird“, flüsterte er, sodass nur ich es verstehen konnte, tätschelte leicht meinen Hintern und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Wange, ehe er einen Schritt zurücktrat. Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, aber mir fiel nicht ein sinnvolles Wort ein, das ich von mir geben hätte können. Anstatt sich darüber zu amüsieren, ruckte Gibbs mit dem Kopf zu meinem Platz, wo auf dem Tisch noch jede Menge Akten lagen.
Ein wenig enttäuscht ließ ich meine Schultern hängen, sah aber ein, dass uns der Alltag wieder eingeholt hatte. Ich wusste aus Erfahrung, dass es nichts bringen würde, mich gegen die Schreibarbeit aufzulehnen â€" ich würde so oder so den Kürzeren ziehen. Im Büro ließ Jethro keinen Zweifel, wer der Boss war, weshalb mir nichts anderes übrig blieb, als mich in mein Schicksal zu fügen. Aber ich erkannte in seinen Augen, dass die kleine Diskussion, wer wen in den Wahnsinn trieb, noch nicht vorüber war â€" spätestens nach Feierabend würden wir das Thema erneut aufgreifen, und das nicht nur theoretisch.

Ich grinste als Zeichen, dass ich verstanden hatte, ließ meinen Rucksack auf den Boden fallen, umrundete meinen Tisch und setzte mich auf den Stuhl. „Ich nehme dich beim Wort“, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen, weshalb Gibbs seine Augen zusammenkniff, gleich darauf leicht den Kopf schüttelte und zu seinem Platz strebte. Jetzt, wo ich mehr als meinen Ehemann sah, bemerkte ich Ziva und McGee, die uns neugierig beobachteten und die Akten vor ihren Nasen komplett vergessen hatten.
„Was?“ fragte ich, verstaute meine Waffe in der obersten Schublade und fuhr den Computer hoch. Jethro machte wieder einmal den Eindruck, als ob es ihn nicht interessieren würde, was um ihn herum vorging, aber ich kannte ihn gut genug, um zu erkennen, dass er mit gespitzten Ohren lauschte, um uns im Notfall zurechtzuweisen. Mit gerunzelter Stirn las er die Notizen, die ihm jemand hingelegt hatte und überließ es mir, mit meinen Kollegen fertig zu werden.
„Nichts“, meinte Ziva, drehte einen Bleistift zwischen ihren Fingern und grinste mich wissend an. „McGee und ich haben uns nur gefragt, wo ihr beide heute bleibt. Es ist doch ziemlich ungewöhnlich, dass ihr zu spät kommt, vor allem Gibbs.“ „Also, eigentlich hast nur du dich das gefragt und…“ Tim erhielt einen scharfen Blick von der Israelin und verstummte prompt.
„An so einem besonderen Tag wie heute dürfen Jethro und ich ruhig unpünktlich sein“, sagte ich schließlich und lehnte mich zurück, während ich Ziva fixierte. Diese runzelte die Stirn und wusste anscheinend nicht, wovon ich redete. „Besonderer Tag?“ fragte sie verwirrt und ich konnte nur den Kopf schütteln. „Jetzt bin ich aber enttäuscht“, erwiderte ich gespielt verletzt und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich McGee in einer Akte vergrub, um sein Grinsen zu verbergen. „Hast du nicht mitbekommen, welches Datum wir heute haben?“ wollte ich wissen und hob meine linke Hand, damit sie einen hervorragenden Blick auf meinen Ehering werfen konnte.
„Oh“, machte sie, ihr Gesicht hellte sich auf, bevor sie gleich darauf in lautes Lachen ausbrach. Der Bleistift fiel ihr aus der Hand, als sie sich diese vor den Mund schlug, um ein Prusten im Keim zu ersticken. „So ein Mist“, kam es von McGee und jetzt war es an mir, überhaupt nichts mehr zu kapieren. Ein Blick zu Gibbs verriet mir, dass er genauso ratlos war, aber im Gegensatz zu mir zeigte er das nicht so offensichtlich.
„Habe ich etwas verpasst?“ fragte ich und sah von einem zum anderen. „Nun, McGee und ich haben gewettet, dass du es mir abkaufst, wenn ich so tue, als ob ich deinen und Gibbs’ Hochzeitstag vergessen hätte. Du hättest deine Miene sehen sollen, Tony. Schade, dass ich keine Kamera dabei hatte.“ Ziva kicherte erneut und streckte ihr Hand auffordernd in Tims Richtung, der aufstand und grummelnd einen 20 Dollar Schein hervorkramte, den er ihr reichte.
„Wirklich witzig“, brummte ich und blickte hilfesuchend zu Jethro, der aber nur seinen Kopf schüttelte, eine Augenbraue hob und sich wieder den Notizen vor sich widmete. Normalerweise griff er doch auch ein, wenn wir uns wie im Kindergarten verhielten, warum diesmal nicht?
„Also?“ wandte sich die Israelin wieder an mich, als sie das Geld rasch in ihrer Hosentasche hatte verschwinden lassen. „Also was?“ fragte ich ein wenig genervt und schnappte mir eine Akte von dem Stoß vor meiner Nase. „Warum seid Gibbs und du heute wirklich so spät erschienen?“ Ich seufzte wegen ihrer Neugierde, blickte sie an und grinste. „Wir hatten ein überaus nettes Frühstück.“ „Frühstück? So nennt ihr das also? Das muss ich mir merken.“ Ziva fing erneut an, leise zu lachen und ich verdrehte genervt meine Augen.
„So weit ich mich erinnere, hast du noch genug Akten zu bearbeiten, Officer David“, kam es auf einmal von Jethro, der die Notizen endlich links liegen ließ und meine Kollegin mit einem funkelnden Blick bedachte, den ich an ihm so unheimlich sexy fand. „Aber ich kann noch viel mehr auftreiben, da du den Anschein erweckst, nicht genug zu tun zu haben“, fügte er grollend hinzu und ich musste mir ein hämisches Grinsen verkneifen, als Ziva es vorzog, sich wieder ihrer Arbeit zu widmen. „Schon gut“, grummelte sie und nahm ihren Bleistift, der ihr vorher aus den Fingern gefallen war.
„Hast du auch nichts zu tun, McGee?“ fragte Gibbs gleich darauf den Jüngeren, der noch immer am selben Fleck stand und dem kleinen Spektakel zusah. Als er seinen Namen hörte, zog er ein wenig den Kopf ein und eilte ganz schnell zu seinem Platz. Dabei murmelte er etwas von Abby und einem neuen Computerprogramm, das er noch ausprobieren musste. „Soll ich dir ebenfalls noch mehr Arbeit besorgen, Tony?“ wandte er sich gleich darauf an mich und beugte sich ein wenig nach vorne. „Nein, du musst mir momentan nichts besorgen“, erwiderte ich und grinste, als ihm die Doppeldeutigkeit meiner Worte bewusst wurde. Er schluckte sichtlich, allerdings zuckte es verräterisch um seine Mundwinkel. Kurz leckte ich mir mit der Zunge über die Lippen, ehe ich mich etwas widerwillig der Akte widmete, die ich mir vorhin genommen hatte.
Allerdings schaffte ich nicht einmal die erste Seite und wollte mir zur Motivation den Donut zu Gemüte führen, aber kaum hatte ich nach der Tüte gegriffen, klingelte Gibbs’ Telefon. Ich wusste instinktiv, dass das kein Freundschaftsanruf war, sondern dass ein neuer Fall vor der Tür stand. Traurig blickte ich auf die Süßigkeit, die nur darauf wartete, von mir verspeist zu werden. Vielleicht sollte ich es doch riskieren und den Donut im Truck essen.

„Wir haben einen neuen Fall“, sagte Gibbs, als er aufgelegt hatte und sich gleich darauf seine Waffe nahm. Ziva nuschelte etwas, das wie „Herr sei Dank“ klang und selbst McGee schien froh zu sein, dem Büro entfliehen zu können. Aber bevor ich den Versprecher meiner Kollegin korrigieren konnte, blieb Jethro vor mir stehen und sah mich funkelnd an. „Den Donut lässt du hier, Tony“, meinte er ruhig. „Aber…“ begann ich und setzte eine treuherzige Miene auf, von der ich hoffte, dass sie ihn erweichen würde. „Du bröselst nur wieder den ganzen Truck voll. Du kannst ihn auch nachher noch essen.“
„Aber…“ versuchte ich es erneut, doch statt einer Antwort reichte er mir jedoch die Schlüssel, schnappte sich die Tüte aus meiner Hand und platzierte sie auf meinem Tisch. „Nachher“, wiederholte er bestimmt und signalisierte mir mit einem Rucken seines Kopfes, dass ich endlich den Truck auftanken sollte. Ich wusste, dass eine Diskussion sinnlos war, weshalb ich mich widerwillig in mein Schicksal fügte, meine Waffe aus der Schublade holte und mir den Rucksack schnappte. „Dann eben nachher“, sagte ich, wobei es nicht annähernd so beleidigt klang wie ich wollte, was wahrscheinlich daran lag, dass Jethros Blick sanfter geworden war und seine Augen mich liebevoll anfunkelten.
Ziva konnte sich nur schwer ein Grinsen verkneifen, so wie Tim, der so tat, als ob er etwas Wichtiges auf seinem Schreibtisch suchen würde. „McGee, sag Ducky Bescheid. Wir treffen uns in fünf Minuten unten“, sagte Gibbs und der Jüngere nahm ohne zu zögern den Telefonhörer, um den Pathologen anzurufen. Mit einem letzten sehnsuchtsvollen Blick auf den Donut eilte ich schließlich zum Fahrstuhl, um den Truck aufzutanken, nicht wissend, dass eine nicht gerade nette Überraschung am Tatort auf uns warten würde.

Die Fahrt war relativ ruhig, soweit man das sagen konnte, wenn Gibbs am Steuer saß und es bevorzugte, bei Rot über Kreuzungen zu rasen oder andere Verkehrsteilnehmer waghalsig zu überholen. Die Gegend, in der der ermordete Marine wohnte, gefiel mir überhaupt nicht und meine Nackenhärchen stellten sich unwillkürlich auf, als ich eine Ratte zwischen den Müllbergen auf dem Bürgersteig entdeckte, die bei unserer Ankunft das Weite suchte.
Dampf stieg aus den Kanaldeckeln und hüllte die Umgebung in einen feinen Nebel, machte es schwierig, die teilweise schweinischen Graffitis zu lesen, von denen sogar Abby noch etwas lernen könnte. Die Autos, die herumstanden, waren von Rost zerfressen und ein Beweis dafür, dass hier Armut herrschte und Gewalt an der Tagesordnung stand, wovon die eingeworfenen Laternen zeugten.
Das Gebäude, in dem der Mord geschehen war, war mit einem gelben Flatterband abgesperrt worden und obwohl es eine Gegend war, wo sich normalerweise jeder um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte, gab es ein paar Schaulustige, die neugierig ihre Hälse reckten oder die uniformierten Polizisten fragten, was denn passiert war.
Insgesamt besaß das Haus drei Stockwerke und war aus roten Backsteinen aufgebaut, die verwittert aussahen und vom Regen letzter Nacht feucht glänzten. Hinter sämtlichen Fenstern brannte Licht und hin und wieder lugte jemand hinter einem Vorhang auf die Straße, um zu überprüfen, ob es etwas Neues gab.
„Wirklich nette Gegend“, sagte Ziva und verließ nach mir den Truck, um ihren Rucksack vom hinteren Teil des Fahrzeuges zu holen. „Hier würde ich nicht einmal unfreiwillig wohnen wollen“, fügte sie hinzu und öffnete die Türen, die den Blick auf McGee freigaben, der sich einen schweren Ausrüstungskoffer vom Körper wuchtete. Dieser war auf ihn gefallen, als Gibbs hart abgebremst hatte, um den Truck zum Stillstand zu bringen.
„Die Umgebung erinnert mich an eine düstere Gasse in Baltimore. Dort hat sich ebenfalls der Müll gestapelt und der Geruch, ekelhaft“, meinte ich und ein verträumter Ausdruck trat auf mein Gesicht. „Und warum hast du dann ein versonnenes Lächeln auf den Lippen, wenn es so grausig gewesen ist?“ wollte Tim wissen, der sich zwei Koffer unter die Arme klemmte. Ich blickte zu Gibbs, der einem Polizisten seine Marke unter die Nase hielt, der daraufhin sofort das Flatterband hochhob, um ihn durchzulassen.
„Weil ich in dieser Gasse Jethro zum ersten Mal begegnet bin, deswegen“, antwortete ich schließlich und folgte meinem Ehemann, der im Stiegenhaus ungeduldig auf uns wartete. Dieses stank vorwiegend nach Urin und anderen Sachen, an die ich lieber nicht denken wollte.
„Weißt du, woran mich das erinnert?“ fragte ich ihn lächelnd und ging neben ihm den schäbigen Flur entlang, der uns zu der Wohnung führte, in der Nigel Wilder wohnte â€" oder besser gewohnt hatte. Hinter mir erklang McGees Keuchen, der sich mit der Ausrüstung abschleppte und Zivas Stimme, die über den Gestank schimpfte.
„Du wirst es mir sicher gleich verraten“, erwiderte er und schenkte mir einen kurzen Blick. Der Ausdruck in seinen Augen verriet mir, dass er genau wusste, woran ich dachte. Trotzdem hielt ich nicht meinen Mund. „Es ist wie damals in Baltimore, als wir uns zum ersten Ma…“ Der Rest des Satzes blieb mir buchstäblich im Hals stecken, als wir das Apartment mit der Nummer drei erreicht hatten und ich die Leiche des Marines erkennen konnte. Aber nicht deren Zustand schockierte mich, sondern der Mann, der daneben stand, seine Hände in den Taschen seiner engen Jeans vergraben hatte und auf den Toten hinunterblickte, als wäre er das Interessanteste auf der Welt.
Wie vor eine Mauer geprallt, blieb ich stehen und starrte Detective Jack Edwards mit großen Augen an, den Mann, von dem ich gehofft hatte, ihn nie wieder zu sehen.

Fortsetzung folgt...
You must login (register) to review.